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Und "täglich grüßt das griechische Murmeltier" … bald nicht mehr?

08.07.2015  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1.1012 (07.33 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1.0917 im europäischen Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 122.03. In der Folge notiert EUR-JPY bei 134.40. EUR-CHF oszilliert bei 1.0408.

Angeblich sind wir mit dem letzten ultimativen Angebot an Athen konfrontiert. Das Zeitfenster ist bis Sonntag angeblich klar definiert. Nun, es war auch schon im März klar definiert, dann im Juni und nun per 12. Juli.

In den Lexika müsste wohl die Bedeutung des Begriffs "ultimativ" umgeschrieben werden, wenn dieser aktuelle Prozess zum Maßstab erhoben würde. Das ist aber nur eine Seite der Medaille, die andere Seite behandelt die Frage der Glaubwürdigkeit dieser Politik gegenüber den Menschen in den anderen 18 Ländern der Eurozone. "Food for thought!"

Von vielen Seiten kamen gestern verbale Interventionen. Angeführt wurden sie von den nicht direkt beteiligten USA. US-Präsident Obama und Hillary Clinton ermahnten alle Beteiligten, jetzt die ultimative Lösung zu suchen. Ja, Selbstbestimmung ist so eine Sache in der Eurozone …

Die Regierung Tsipras hat die Troika jetzt seit fünf Monaten vorgeführt und damit das Drama inhaltlich umgekehrt. Nicht Griechenland bittet um Hilfe, sondern die Troika drängt Griechenland förmlich, die Hilfsprogramme anzunehmen. Das ist absurd, das stärkt auf keinen Fall die Glaubwürdigkeit der Troika.

Gestern folgte die nächste griechische Spitze. Obwohl der griechische Finanzminister mit leeren Händen nach Brüssel kam, wurde Griechenland eine letzte Chance eingeräumt, Hilfen für Reformen zu erhalten. Offensichtlich sorgt sich die griechische Regierung wenig um das Wohlergehen der eigenen Bevölkerung …


Zum Ablauf der "letzten Chance":

Der Zeitplan ist eng und die umzusetzenden Maßnahmen sind auf allen Ebenen umfassend.

  • 1. Athen soll bis Mittwoch einen Antrag beim ESM für ein Hilfsprogramm stellen.
  • 2. Die Finanzminister der Eurogruppe werden dann diesen Antrag beraten.
  • 3. Die Troika wird in den folgenden 2-3 Tagen die Realisierbarkeit des Antrags bewerten.
  • 4. Athen ist in diesem Zeitfenster gefordert, vorbereitende Maßnahmen zu verabschieden.
  • 5. Vor Verhandlungen über das Programm muss der Bundestag zustimmen.
  • 6. Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, kann der EU-28 Sondergipfel die Gespräche starten.
  • 7. Eine Brückenfinanzierung zur Bedienung der anstehenden Fälligkeiten für IWF und EZB wäre darüber hinaus erforderlich.

Vor dem Hintergund der Erfahrungen der letzten fünf Monate ist das Risiko eines Scheiterns erheblich. Aus diesem Grund sind seitens der EU-Kommission Fahrpläne für den Grexit als auch humanitäre Hilfe vorbereitet worden. Letzterer Umstand deutet darauf hin, dass es sich wirklich um das ultimativste Angebot handeln könnte.

Vor dem Hintergrund, dass Griechenland bei einem Grexit ohne Hilfestellung kaum in der Lage sein würde, das Land wirtschaftlich und gesellschaftlich zu stabilisieren, ist der faktische Druck auf Athen massiv, wenn die griechische Regierung die Menschen im eigenen Land ernst nehmen würde und nicht als Geisel gegenüber der Troika missbrauchte.

Entscheidend wird sein, ob die Regierung in Athen ideologisch oder pragmatisch agieren wird. Bisher dominierte die Ideologie und auch eine gewisse politische Selbstgefälligkeit der entscheidenden Protagonisten.

In der Folge der Zuspitzung nahm die Nervosität an den von NY und London bestimmten Finanzmärkten zu.

Die Realwirtschaft zeigt sich dagegen wenig beeindruckt. Das ist sachlich auch richtig, denn die Welt dreht sich weiter, gerade in den anderen Reformländern der Eurozone, die nahezu latent mit nicht erwarteten Positivmeldungen in den letzten fünf Monaten der Eskalation des Griechendramas aufwarteten.

Was für eine realer Unterschied zu der Situation in der Phase 2010 - 2013 …

Die in den US- und angelsächsischen Medien verbreitete Hype um ein Scheitern der Eurozone ist vor dem Faktenhintergrund ambitioniert. Die Mädels und Jungs in NY und London sind immer sehr gut darin, mit Fingern auf andere zu zeigen. Etwas mehr Selbstkritik ob der strukturellen Schwächen in den USA (wir haben Sie auf dem Laufenden gehalten …) und in dem UK täte der Diskontierungskraft der Finanzmärkte im Sinne von Adam Smith sehr gut.

Dieser Wunsch wird jedoch kaum erfüllt werden, da die Finanzmärkte immer stärker aus diesen Zentren für außenpolitische Zwecke missbraucht werden. Letzteres Statement sollte einigen Damen und Herren von Berlin bis Paris in den Ohren klingeln.

Welche Maßnahmen macht das erforderlich? TTIP?

Die gestern veröffentlichte US-Handelsbilanz belegte einmal mehr das defizitäre Gesamtbild. Per Mai lag das Handelsbilanzdefizit bei 41,87 nach zuvor -40,70 Mrd. USD. Exporte sanken im Monatsvergleich von 190,1 auf 188,6 Mrd. USD (Vorjahr 196,2 Mrd. USD, Jahresvergleich -3,9%) und Importe gaben unwesentlich von 230,8 auf 230,5 Mrd. USD (Vorjahr 239,6 Mrd. USD Jahresvergleich -3,8%) nach. Beide Entwicklungen implizieren eine sinkende wirtschaftliche Aktivität in den USA.

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Exkurs:

Im Zuge dieser Nervosität an den Finanzmärkten, die (angeblich) zu einer verminderten Risikoneigung bei den Akteuren führte, wurden die Edelmetalle, Währungen ohne Fehl und Tadel (keine Haushatsdefizite, keine Dempgraphie, keine Rezession, sondern nur eine natürliche physische Knappheit gerade im Vergleich zu westlichen Währungen), einmal mehr abgeschlachtet. Ja, freie Märkte sind schon beeindruckend in ihrer sachlichen Diskontierungsfähigkeit oder ist der Finanzmarkt mehr und mehr eine "Dog and Pony Show" bestimmter Akteure und dahinter bestimmter Interessen?

Fakt ist, dass der "perfekte Markt" eine Polypol erfordert und nicht ein monopolitsiches Ologopol US-amerikanischer und angelsächsischer Interessen an den westlichen Future-Märkten …

Wieviel "political Correctness" wollen wir in der Eurozone noch üben? Oder besser gefragt: Wie lange wollen wir uns dabei das Fell über die Ohren ziehen lassen? Welche Rolle spielt diesbezüglich TTIP?

Aktuell ergibt sich ein Szenario, das den Euro gegenüber dem USD favorisiert. Erst ein Unterschreiten der Unterstützungszone bei 1.0800 -30 neutralisiert den positiven Bias des Euros.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank



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