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Aktiencrash: China heute wie Japan 1990?

30.08.2015  |  Klaus Singer
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Viele Beobachter sehen eine starke Abschwächung des Wachstums der chinesischen Wirtschaft kommen. Statt des offiziellen Ziels eines BIP-Anstiegs von 7% p.a. werden Zahlen herumgereicht, die bis auf lediglich +4% p.a. zurückgehen, wobei man sich dabei häufig auf den sogenannten Li-Kiang-Index stützt. Gelegentlich wird unter Hinweis auf die kollabierenden chinesischen Importwerte bei Rohstoffen sogar noch Schlimmeres vorhergesehen.

Tatsächlich schlagen hier aber die fallenden Rohstoffpreise durch. Z.B. liegt die importierte Rohölmenge in 2015 etwa 10% höher als im Vergleichszeitraum des Vorjahres, auch bei Eisenerz steigt die eingeführte Menge weiter an.

Chinas Wirtschaft wurde bisher durch Exporte und Infrastrukturprojekte angetrieben. Diese Faktoren schwächen sich nachhaltig ab, auch weil die Regierung umsteuert hin zur Stärkung des innerchinesischen Konsums. Während die Industrieproduktion insgesamt seit Jahren weniger wächst, steigt der Anteil des privaten Konsums am BIP seit 2010 an (Chartquelle). Die Entwicklung verläuft aber so langsam, dass sie die anderen Effekte nicht kompensieren kann.

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Nach vielen Jahren starken Wachstums ist es unausweichlich, dass sich die wirtschaftliche Expansion in China abschwächt. Die große Frage ist, was in diesem Zusammenhang “Normalisierung” bedeutet. Der Einbruch chinesischer Aktien wird in dieser Hinsicht als Indiz für eine “unnormale” Entwicklung und v.a. auch als mögliches Indiz für eine insgesamt schwache Entwicklung der Weltwirtschaft genommen.

Der IWF hat unter Verweis auf die Konjunkturschwäche in den USA vor kurzem seinen weltweiten Wachstumsausblick für 2015 um 0,2% auf 3,3% zurückgenommen. Sollte das Wachstum in China tatsächlich auf nur noch 4% p.a. zurückgehen, würde das Wachstum der Weltwirtschaft um gut 0,4% auf dann unter 3% gedrückt. Nach allgemeinem Verständnis würde das eine Rezession der Weltwirtschaft bedeuten.

Die japanische Wirtschaft spielte für die Weltwirtschaft bis 1990 eine ähnliche Rolle wie die Chinas heutiger Tage. Der S&P 500 wurde vom Absturz des Nikkei 1990 um 13,5% in die Tiefe gezogen, im Oktober 1997 drückte ihn die Asienkrise aber nur um 3,5%. Heute wirkt sich der Kollaps chinesischer Aktien beim S&P 500 mit zuletzt mehr als minus 10% wieder ähnlich aus wie 1990.

Die US-Wirtschaft lief Mitte 1990, einige Monate nach dem Topp im Nikkei, in eine zehn Monate dauernde Rezession. Geschieht dies aktuell wieder? Ich hatte diese Frage verschiedentlich diskutiert, u.a. hier und anhand des „Makro Market Risk Indicator“ (MMRI) hier. Die Antwort war jeweils: Trotz Tempoverlust gibt es hierfür bisher noch keine belastbaren Anzeichen.

Ich möchte das Bild ergänzen durch einen Blick auf den Verlauf der Industrieproduktion, die Kapazitätsauslastung und die Wertentwicklung ausgelieferter Schwerlast-LKWs (jeweils quartalsweise in den USA). Die beiden ersten zeigen seit Ende des Vorjahres einen Rückgang, der in seinem Ausmaß noch nicht über zyklische Veränderungen hinausgeht. Der dritte Indikator hat einen deutlichen Vorlauf gegenüber der Industrieproduktion, er zeigt aktuell eine intakte Aufwärtsentwicklung.

So lange ein Rückgang hier die schwächelnde Industrieproduktion nicht bestätigt, würde ich (auch von anderen Indikatoren her) nicht davon ausgehen, dass gleich eine Rezession um die Ecke kommt. Dafür spricht auch die zweite Schätzung des US-BIP für Q2, die mit plus 3,7% deutlich besser ausfiel als die erste Schätzung (+2,3%).

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Trotzdem - die Entwicklung in China hat das Potenzial, erhebliche weitere Verwerfungen an den Finanzmärkten auszulösen. Und sollten die nächsten Makrodaten aus China nahelegen, dass das BIP-Wachstum tatsächlich in Richtung 4% geht, dürften sich die bestehenden, erheblichen Wachstumsprobleme in der Weltwirtschaft kaum länger übersehen lassen.

Mir drängen sich von der Abfolge, nicht vom genauen Timing, her auch Vergleiche mit dem Sommer 2007 auf. Damals machte die Subprime-Krise sehr deutlich auf sich aufmerksam, der S&P500 brach um 10% ein. Danach startete er durch und markierte im Spätjahr sein damaliges Allzeithoch. Etwas später begann eine Rezession. Damals hieß der Anlass “Subprime”, heute könnte er “China” heißen.

Der Einbruch der weltweiten Aktienmärkte ist momentan noch eher Konsequenz eines mit sieben Jahren überdurchschnittlich langen Bull-Runs, der zwischenzeitlich erreichten hohen Bewertungen und der Angst vor "Liquiditätsentzug" im Gefolge des möglichen Starts eines neuen Zinszyklus der Fed. Dies macht anfällig schon für vergleichsweise geringe Erschütterungen und löst Gewinnmitnahmen bei großen Akteuren aus.

So lange aber die Gefahr einer Rezession nicht wirklich greifbar wird und klar macht, dass die Chance für Gewinne im Kasino auf längere Zeit vorbei ist, ist das Ende des Bull-Markts sehr wahrscheinlich noch nicht erreicht. Wenn wohl auch nicht mehr allzu fern…

Möglicherweise werden sich die Aktienmärkte zunächst in einer Handelsspanne zurecht rütteln (S&P 500: 1870/1910 bis 1990; DAX 9800 bis 10650), weil die Sicht auf China klarer oder “eingepreist” werden muss. In diesem Zusammenhang dürfte die Ölpreisentwicklung wichtige (psychologische) Signale liefern. Das Niveau von 40 Dollar (Öl Brent) sollte unbedingt respektiert werden, 2009 war hier ein Boden gefunden worden.

In der Modellierung des US-Konjunkturzyklus zeichnet sich auch im nicht-Finanz-Sektor ein Tempoverlust ab (siehe Chart in der Mitte - violett).

Erwähnte Charts, weiterführende Verweise und Quellenangaben können hier eingesehen werden.


© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de



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