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Rohstoffe und die Finanzialisierung der Weltwirtschaft

01.11.2015  |  Klaus Singer
Früher agierten Notenbanker wie Landwirte, die den Ertrag ihrer Felder durch die Versorgung mit Wasser steuern. Als aber mit der Finanzkrise eine große Dürre ausbrach, fluteten sie das Feld. Jetzt hilft weder mehr noch weniger Wasser, die Pflanzen sind ersoffen, es kann keine Ernte mehr eingefahren werden. Ein treffender Vergleich in der Süddeutschen Zeitung - Geldflut schafft keinen Wohlstand.

Die Flut in Zahlen: Mitte 2008 verfügten die US-Geschäftsbanken über Guthaben bei der Fed von insgesamt zehn Milliarden Dollar. Heute sind die Reserven 260 mal so hoch - 2,6 Billionen Dollar. Ein kurz vor Ausbruch der Finanzkrise verabschiedetes Gesetz verpflichtet die Fed, den Banken Zinsen auf ihre Zentralbankguthaben zu bezahlen - macht pro Jahr mehrere Milliarden Dollar. Der folgende Chart (siehe Chart!) zeigt die Entwicklung der Geldbasis, in der neben den Reserven der Geschäftsbanken auch die umlaufende Währung enthalten ist.

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Der Multiplikator zur Geldmenge MZM beträgt aktuell knapp 3,8. MZM misst die Versorgung mit liquiden Geldmitteln, worin auch Geldmarktfonds enthalten sind. MZM hat sich von 1990 bei gut zwei auf jetzt 13,5 Bill. Dollar aufgebläht, also um den Faktor 6,7. Die Entwicklung war im Gegensatz zur Geldbasis nicht sprunghaft - Ende der 1990er Jahre setzte mit der finanziellen Deregulierung aber eine Beschleunigung ein.

Das US-BIP hat seit 1990 lediglich um einen Faktor von knapp 3,1 zugelegt. Das zeigt recht deutlich, wie sehr die Bedeutung der Finanzseite der Wirtschaft in den zurückliegenden 25 Jahren zugenommen hat. Ein weiterer Beleg: Der Anteil der Gewinne der Finanzindustrie am BIP hat sich seit 1969, kurz vor dem Ende des Systems von Bretton Woods, um 172% gesteigert, der der nicht-Finanzindustrie ist nur um 41% angewachsen. Der Anteil der Löhne und Gehälter am BIP ist im gleichen Zeitraum von 50% auf 43% zurückgegangen (siehe Chart!).

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China steht aktuell im Fokus: Ist die wirtschaftliche Schwäche dort, wie sie sich u.a. in den Außenhandelszahlen und im Verlauf der Industrieproduktion zeigt, ein Hinweis auf eine Wachstumsschwäche der Weltwirtschaft insgesamt oder handelt es sich lediglich um einen "hausgemachten" Tempoverlust?

Die Preise vieler Rohstoffe zeigen seit Anfang 2011 abwärts. Damals endete eine technische Erholung auf den Absturz von den 2008er Rekordhöhen, die im März 2009 begann. Der Kupferpreis hat sich seitdem halbiert, der Preis für Eisenerz hat sich im gleichen Zeitraum etwa gedrittelt, Kohle für die Stahlerzeugung kostet heute etwa ein Viertel dessen, was Anfang 2011 zu bezahlen war. In vielen Fällen haben die Rohstoffproduzenten ihre Produktion mit sinkenden Preisen noch gesteigert und damit den Preisverfall beschleunigt. (Ich klammere Öl hier aus, ich hatte mich hier mit dem Thema beschäftigt.)

Die Frachtraten sinken ebenfalls. Der für Rohstoffe maßgebliche Baltic Dry Index (siehe Chart!) befindet sich seit 2011 in einer Abwärtsbewegung. Ein Ausbruch hieraus um die Jahreswende 2014/2015 erwies sich als Fehlsignal, ihm ging eine Zwischenerholung der CRB-Rohstoffpreise bis zur Jahresmitte 2014 voraus.

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Der für Containerfracht, also Halbfertig- oder Fertigprodukte, relevante Harpex-Index (siehe Chart!) zeigt ebenfalls nachhaltige Schwäche, eine zu Beginn diesen Jahres eingeleitete Aufwärtsbewegung wurde "zurückgepfiffen", jetzt notiert der Index wieder nahe bei 400, nicht weit vom Rekordtief bei gut 350.

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Der Preisdruck bei den Frachtraten spiegelt Tempoverlust im Welthandel, aber auch Überkapazitäten wider. Dies lässt sich auch für den Rohstoffsektor konstatieren, Nachfrageschwäche trifft auf Überangebot. Eine Bodenbildung bei Raten und Preisen wird erst einsetzen, wenn das Überangebot etwa durch Firmenpleiten vom Tisch ist.


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