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Interview mit Willem Middelkoop: Der Zerfall des Dollar-Imperiums

18.12.2015  |  Jan Nieuwenhuijs
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Koos Jansen: Sollen all diese Strategien dazu dienen, die Hegemonie des US-Dollar zu verteidigen?

Willem Middelkoop: In einem Buch mit dem Titel "Treasury's War" wird der Ausschluss aus dem dollarbasierten globalen Finanzsystem als "Neutronenbombe" beschrieben. Wenn ein Land isoliert werden soll, gibt das US-Finanzministerium einen "roten Brief" heraus, in dem dargelegt wird, dass diese oder jene Bank verdächtigt wird, mit einer terroristischen Vereinigung in Verbindung zu stehen oder an Geldwäscheoperationen beteiligt zu sein.

Juan Zarate, der Autor von "Treasury's Wars", zählt zu den bedeutendsten Entwicklern der modernen Kriegskunst auf finanzieller Ebene und ist ein hochrangiger ehemaliger Beamter des US-Finanzministeriums und des Weißen Hauses. Er schreibt, dass ein solcher roter Brief wirkungsvoller ist, als jede Waffe des Militärs. Die Ukraine ist derzeit Schauplatz eines entscheidenden geostrategischen Konflikts und Teil des Krieges, den die USA und Russland auf geopolitischer und finanzieller Ebene austragen.


Koos Jansen: Welche Rolle nimmt China in diesem Konflikt ein?

Willem Middelkoop: Der Konflikt hat zu einem engen Bündnis zwischen Russland und China geführt. China versteht sehr gut, dass Russland der erste Dominostein ist - sollte das Land fallen, wäre China als nächstes an der Reihe. Die beiden Staaten bemühen sich, gemeinsam ein paralleles Finanzsystem zu schaffen, losgelöst von dem des Westens. Aus diesem Grund häufen auch beide Länder so viel Gold an. Das System soll das SWIFT-Netzwerk ersetzen und beinhaltet auch die Schaffung solcher Finanzinstitutionen wie der Asian Infrastructure Investment Bank.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) war immer eines der zentralen Werkzeuge, mit denen Washington das globale System kontrollierte. Länder, die in finanziellen Schwierigkeiten stecken, müssen den IWF um Hilfe bitten.

Allerdings wurden Venezuela, Argentinien und Russland kürzlich von China gerettet, als ihre Währungen crashten - und nicht etwa vom IWF. Als der Rubel sich gegen Ende 2014 im freien Fall befand, zeigte China sich besorgt und griff ein, um den Run auf die Währung zu beenden. Der IWF und die Weltbank sind nicht länger das Zentrum der globalen Finanzordnung.


Koos Jansen: Warum ist die Vormachtstellung des Dollar so wichtig für die USA?

Willem Middelkoop: "Große Nationen haben bedeutende Währungen und bedeutende Währungen können Ländern eine so große Macht verleihen, dass sie zu Imperien heranwachsen", sagte der Politikwissenschaftler Jonathan Kirshner einst. Um die eigene monetäre Vorherrschaft zu sichern, müssen die Vereinigten Staaten alle potentiellen Konkurrenten schwächen, die möglicherweise in der Lage wären, die Hegemonie der USA in Währungsangelegenheiten anzufechten.

Im Nahen Osten werden Kriege geführt, um die Stellung des Dollars zu stärken und die Regime zu bekämpfen, die Russland unterstützen. General Wesley Clark, Oberster Kommandant der NATO im Jugoslawien-Krieg von 1999, bestätigte in einem Interview, dass die USA sich entschieden haben, in sieben Staaten auf einen Regimewechsel hinzuarbeiten, um die US-Interessen in der Region zu sichern, bevor eine neue Supermacht entstehen kann.


Koos Jansen: Verleiht der Dollar den USA eine praktisch unbegrenzte Macht?

Willem Middelkoop: Jeder Staat, der wie die USA die bedeutendste Reservewährung der Welt herausgibt, verfügt über fast unbegrenzte Möglichkeiten zur Finanzierung anderer Länder. Das verschafft der monetären Hegemonie ein "exorbitantes Privileg", wie man in den 1960ern in Frankreich anmerkte. Da sie die Welt-Währung drucken, können die Vereinigten Staaten alles kaufen, was sie wollen, ohne sich über ihre Verbindlichkeiten Gedanken machen zu müssen.

Die Sowjetunion brach zusammen, weil sie auf Lebensmittelimporte angewiesen war, die sie mit den Dollarnoten bezahlen musste, welche sie sich durch die Rohölexporte der 1970er und 1980er Jahre hart erarbeitet hatte. Die USA konnten dagegen den Koreakrieg und den Vietnamkrieg mit frisch gedruckten Banknoten finanzieren.

Indem sie ausländische Zentralbanken dazu "verpflichten", Währungsreserven in Form von langfristigen US-Staatsanleihen vorzuhalten, zwingen die Vereinigten Staaten sie praktisch dazu, die amerikanischen Militärausgaben zu finanzieren, wie Michael Hudson in seinem Buch "Super Imperialism" erörtert.

Im Rahmen dieser neuen Form des Imperialismus herrschen die USA nicht aufgrund ihrer Stellung als Kreditgeber der Welt, sondern als Schuldner der Welt. Die Schwäche Amerikas als Schuldnerstaat ist zum Fundament des internationalen Währungs- und Finanzsystems geworden. Ein chinesischer Marktbeobachter bemerkte einmal: "Der Welthandel ist zu einem Spiel verkommen, in dem die Vereinigten Staaten Dollarnoten produzieren und der Rest der Welt Dinge, die man mit Dollars kaufen kann.

[... Es entstand] eine Dollar-Hegemonie, die die Welt nicht nur dazu zwingt, Güter zu exportieren, sondern auch Dollareinnahmen vom Handel mit den USA. [...] Der Dollar wird von allen Staaten akzeptiert, weil man damit Öl kaufen kann."

Der Status des Dollar als weltweite Reservewährung gerät erst dann in Gefahr, wenn Länder mit Dollarreserven sich dafür entscheiden, Rohstoffe anstelle von US-Staatsanleihen zu kaufen. Genau diese Strategie verfolgen Russland und China zur Zeit offenbar. In den vergangenen Jahren haben die Russen den Großteil ihrer Dollarreserven verkauft und ihre Goldbestände verdreifacht. Die Chinesen haben 2010 aufgehört, zusätzliche US-Staatsanleihen zu kaufen und importieren schon seit Jahren gewaltige Mengen an Gold. Diese Entwicklungen signalisieren die erste Phase des Zerfalls des Dollar-Imperiums.

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© Jan Nieuwenhuijs
The Gold Observer



Dieser Artikel wurde am 15. Dezember 2015 auf www.bullionstar.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.



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