Manipulationen an den Papiermärkten & explodierende physische Nachfrage
29.12.2015 | Chris Martenson
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"Mein Vorschlag für heute - und ich bin wirklich an den Ansichten anderer interessiert - wäre, sich leicht in Richtung Straffung zu begeben und die psychologischen Auswirkungen so genau wie möglich zu beobachten. Damit meine ich, zu sehen, was am Anleihemarkt, an den Devisenmärkten und mit dem Goldpreis passiert...Ich würde gerne noch ein anderes Thema ansprechen. Ich zögere noch etwas, doch lassen Sie mich einige damit verbundene Dinge erklären. Wenn wir es mit Psychologie zu tun haben, dann beeinflusst das Messgerät den Messwert. Im Gespräch mit Governor Mullins habe ich die Frage angebracht, was wohl passieren würde, wenn das Finanzministerium in diesen Markt etwas Gold verkaufen würde.
Das ist eine interessante Frage, denn wenn der Goldkurs in diesem Kontext einbrechen würde, wäre das gewählte Messinstrument nicht angemessen, da es die zugrunde liegende Psychologie der Märkte beeinflusst. Natürlich haben wir keine legale Berechtigung, Gold zu verkaufen, aber es interessiert mich einfach, welche Gedanken andere zu Situationen dieser Art haben, da es sich hier um eine sehr ungewöhnliche Strategie handelt. Wir gehen nicht einfach nach dem üblichen Schema vor, nach dem das Geldangebot zunimmt, die Wirtschaft wächst und die Fed wieder eine straffere Geldpolitik einschlägt. Das ist etwas ganz anderes."
Die US-Notenbank beobachtet den Goldpreis also aufmerksam, fragt sich, ob er "die richtigen Signale" an die Marktteilnehmer aussendet und prüft seinen Einfluss auf die Marktpsychologie (mit einem Seitenblick auf eventuelle Kontrollmöglichkeiten), um die Zitate zusammenzufassen. Kurz gesagt hat die Fed das "goldene Barometer" immer im Blick.
Kommen wir zurück zum Thema Goldangebot. Nicht lange, nachdem der Goldkurs im Jahr 2012 seine Talfahrt begann, verkaufte der ETF GLD nach und nach ziemlich viel Gold, insgesamt mehr als 500 Tonnen - eine gewaltige Menge.
Quelle: Alhambrapartners.com
Meiner Ansicht nach ging der jähe Absturz des Goldkurses im Jahr 2013 auf das Konto einiger weniger Marktteilnehmer und ist eines der eindeutigsten Beispiele für Preismanipulationen im Goldsektor in der jüngeren Vergangenheit. Wir können darüber debattieren, warum Gold nach unten gedrückt wurde oder wer dafür verantwortlich ist, aber für mich besteht kein Zweifel darüber, wie es geschah und dass es sich tatsächlich um eine Manipulation handelte.
Mitten in der Nacht, als am Markt die geringste Liquidität vorhanden war, wurden gewaltige Mengen an Papiergold mit dem ganz bestimmten Ziel verkauft, den Preis nach unten zu drücken. Das war ein klarer Fall von Preismanipulation. Wie aus dem Lehrbuch.
Selbst falls diese Bear Raids im Eigeninteresse gewisser Marktteilnehmer ausgeführt wurden, die dadurch einen Gewinn machten, können Sie gewiss sein, dass die Fed im Hintergrund dankbar lächelte und die Börsenaufsichtsbehörde keine einzige Minute darauf verwendete, zu prüfen, ob dabei irgendwelche Vorschriften verletzt wurden (besonders die Regeln im Zusammenhang mit Preismanipulationen). Das fallende Goldbarometer war genau das, was man sich in den zentralen Schaltstellen der Welt gewünscht hatte.
Völlig realitätsfern
Die Papiermärkte für Gold konzentrieren sich vor allem in den Vereinigten Staaten, während London und in zunehmendem Maße auch Shanghai die Zentren des physischen Goldmarktes darstellen. Man kann sagen, dass der Spotpreis an den Terminbörsen gebildet wird, die tatsächlichen Ströme an physischem Gold ihren Ursprung aber in London haben.
Die zunehmende Entkoppelung der Terminmärkte von den physischen Märkten wird immer offensichtlicher. Es geschieht genau das, was man erwarten würde, wenn der Preisdruck an den Papiermärkten in die eine Richtung (nach unten) und an den physischem Märkten in die andere Richtung (nach oben) wirkt.
Die Spannung zwischen diesen gegenläufigen Entwicklungen baut sich weiter auf. Nach Angaben eines Managers einer der größten Goldscheideanstalten weltweit weist der aktuelle Goldpreis "keine Korrelation zu den physischen Märkten" auf.
Er stellt fest, dass die Situation an den physischen Märkten schon seit einer Weile sehr angespannt ist. Es ist wenig überraschend, dass sich das Gold zunehmend von West nach Ost bewegt. Ein Großteil des physischen Edelmetalls, das zu neuen Kilobarren eingeschmolzen und nach Indien oder China geliefert wird, stammt aus den Londoner Tresoren. Doch warum ist der Goldkurs schon seit Jahren in einem Abwärtstrend gefangen, wenn die Nachfrage nach physischem Gold so erstaunlich hoch ist?
Der erwähnte Manager der Schweizer Scheideanstalt ist gleichermaßen ratlos:
"Wenn ich ehrlich bin, fällt mir dazu nur ein, wie sehr mich die Diskrepanz zwischen den Preisen und der Situation an den physischen Märkten verblüfft. Das ist etwas, das ich noch immer nicht verstehe und das mir jeden Tag neue Rätsel aufgibt. Allen, die sich für Edelmetalle interessieren, kann ich nur sagen: Der physischen Seite des Edelmetallhandels sollte mehr Gewicht zukommen."
Es nur logisch, dass die Nachfrage in Indien und China steigt, wenn der Goldpreis nach unten gedrückt wird. Bei niedrigeren Preisen werden interessierte Käufer größere Mengen erwerben. Ein großes Rätsel bleibt allerdings, warum westliche "Investoren" derzeit anscheinend mehr daran interessiert sind, Gold zu verkaufen, statt zu kaufen.
Der Blick nach Osten
Die wichtigste Entwicklung der letzten Jahre, der kaum Beachtung geschenkt wurde, ist der massive Abfluss riesiger Goldmengen aus den Tresoren des Westens in Richtung Osten. Das Gold verlässt London und die Schweiz und strömt nach China und Indien. Angesehen von den Erfahrungen aus erster Hand, die der oben zitierte Manager in dem Interview mitteilte, wurden in der Mainstream-Presse zahlreiche weitere Artikel veröffentlicht, die die Knappheit am physischem Goldmarkt in London herausstellten und diese Situation vor allem auf die unablässige Nachfrage aus China und Indien zurückführten:
Goldnachfrage in China und Indien nimmt zu
2. September 2015
Nachdem der Preis des Edelmetalls im Juli auf den niedrigsten Stand seit fünf Jahren gefallen war, machen sich am Londoner Goldmarkt nun erste Zeichen einer gestiegenen Nachfrage nach Goldmünzen und -barren von Seiten der Konsumenten in den Schwellenländern bemerkbar.
Die Kosten für das Leihen von physischem Gold sind Marktteilnehmern zufolge in London in den vergangenen Wochen stark angestiegen. Grund dafür sind vor allem die Händler, die Gold zur Auslieferung an Schweizer Scheideanstalten benötigen, wo es eingeschmolzen und anschließend an Länder wie Indien verschickt wird.
'[Der Anstieg] deutet darauf hin, dass das Angebot an physischem Gold zur sofortigen Lieferung knapp ist', so John Butler, ein Analyst von Mitsubishi.
Die indische Goldnachfrage hatte im Juli deutlich zugenommen und die Goldlieferungen der Schweiz nach Indien haben sich mehr als verdreifacht. Der Großteil des Goldes stammt nach Angaben von Analysten wahrscheinlich aus London und wird vor der Auslieferung in den Scheideanstalten der Schweiz eingeschmolzen und zu 1-Kilo-Barren gegossen.
In den ersten sechs Monaten dieses Jahres lagen die durchschnittlichen monatlichen Goldexporte Großbritanniens 50% über den Werten des Vorjahreszeitraums, wie die Vorsitzende der Abteilung für Metallmärkte von GFMS Thomson Reuters, Rhona O'Connell angab. Mehr als 90% dieser Exporte seien für China, Hongkong und die Schweiz bestimmt.
London ist nach wie vor das weltweit größte Zentrum des Goldhandels und der Goldverwahrung.
Quelle: Financial Times