Alaaarm! Statt China und dem Euro wanken nun die Banken
11.02.2016 | Ralf Flierl
"Deutsche Angst AG"
Blanke Panik ist vermutlich der einzig passende Ausdruck, mit dem die aktuelle Gefühlslage von Aktionären der Deutschen Bank* beschrieben werden kann. Denn die Aktie des größten deutschen Kreditinstitutes findet keinen Boden, im gestrigen Handelstag notierte sie mit knapp über 13 EUR so tief wie seit den 80er Jahren nicht mehr.
Es mag für viele unbedarfte Beobachter absurd klingen: Der Markt macht sich zunehmend Sorgen um eine Schieflage der Deutschen Bank.
So sehr, dass sich das Management zuletzt genötigt sah, durch einen Brief an die Mitarbeiter und eine Ad-hoc-Mitteilung zu bestätigen, den Kupon auf einen ausstehenden sogenannten CoCo-Bond (Contingent Convertible Bonds, die beim Eintreten definierter Kriterien automatisch in Eigenkapital gewandelt werden) bezahlen zu können.
Noch einmal: Die Deutsche Bank bestätigt, ihre Zinsen bezahlen zu können (!).
Wer so etwas nötig hat, bei dem brennt es womöglich lichterloh. Das ist wohl auch an den Kreditmärkten so einigen Marktteilnehmern klar geworden. Denn die angesprochene Anleihe notiert bei lediglich 75% des Nominalwertes, Kreditausfallversicherungen auf die Deutsche Bank kosten, Stand 102.2016, ca. 243 Basispunkte (+140% seit Jahresanfang).
Um es plastischer auszudrücken: Der Markt errechnet eine 10 bis 25%-Chance für eine Insolvenz der Bank (berechnet mit einer Insolvenzquote zwischen 80 und 90%).
Erinnerungen an Lehman Bros.
Unabhängig davon scheint die Börse ohnehin den Glauben an die Zahlen aus den Frankfurter Zwillingstürmen verloren zu haben. Denn wie soll man es anders interpretieren, dass die Bank an der Börse weniger als 20 Mrd. EUR wert ist, angeblich jedoch - auch nach dem Rekordverlust von 2015 - auf einem Eigenkapital von mehr als 60 Mrd. EUR sitzt.
Gerüchten zufolge will man nun ausstehende Anleihen in Milliardenhöhe zurückkaufen um damit Gewinne zu realisieren, komischerweise allerdings lediglich erstrangige Papiere und nicht die abgestürzten CoCo-Bonds. Glaubt das Management also selber nicht mehr an deren Rückzahlung?
Insgesamt erinnert die Situation fatal an Lehman Brothers im Sommer 2008. Genau dies hatten wir bereits im Juni letzten Jahres beschrieben, als wir einen Versuch unternommen haben, die Bilanz der Deutschen Bank zu verstehen. Sie finden den Artikel als PDF hier.
Nach wie vor gelten die damals beleuchteten Fakten: Die Bank sitzt auf einer gigantischen Derivateposition (derzeit 571 Mrd. EUR Nettopositionen, brutto ca. 52.000 Mrd. EUR), jederzeit ist hier das Platzen einer "Bombe" möglich. Bislang erinnern die Aufräumarbeiten des neuen Vorstandschefs John Cryan daher vor allem an das scheibchenweise Entschärfen einer "Bombe", allen öffentlichen Beteuerungen zum Trotz.
Ähnlich "glaubhaft" dürfte auch die Äußerung von Wolfgang Schäuble einzuordnen sein, dass er sich keine Sorgen um die Deutsche Bank mache. Selbst wenn er es anders wüsste, wäre hier wohl keine andere Aussage zu erwarten. Dass ein deutscher Finanzminister dagegen öffentlich sein Vertrauen in die Bonität des größten inländischen Kreditinstituts beteuern muss, klingt eher nach einem Lippenbekenntnis.
Jetzt geht’s ums Geld
Interessanterweise hat sich im gleichen Atemzug auch der Preis für eine Kreditausfallversicherung auf die Bundesrepublik in den letzten Tagen fast verdoppelt (derzeit 17 Basispunkte).
Am Markt wird also bereits das Szenario einer möglichen Rettung der Deutschen Bank durch den deutschen Staat gespielt. Auch der wieder erstarkte Goldpreis deutet auf eine sich anbahnende Krise im europäischen Finanzsystem hin.
Hatte sich in den letzten Jahren die Baisse des gelben Metalls vollkommen unbeeindruckt von jeder politischen und geostrategischen Krise fortgesetzt, scheint es nun genau um das zu gehen, was Gold in den Augen der Anleger zur interessanten Alternative werden lässt: Die Banken und damit das gesamte Finanzsystem. Parallel dazu scheinen immer mehr Anleger auch den Glauben an groß angelegte Bankenrettungen verloren zu haben.
Spätestens mit dem "Bail-In" in Zypern wurde hier quasi eine Blaupause für ähnliche Fälle geschaffen. Damals mussten nicht nur Anleiheinhaber schmerzhafte Verluste verbuchen, sondern auch Inhaber von Bankguthaben wurden zur Kasse gebeten.
Zeitgleich mit der Deutschen Bank hat folgerichtig auch eine Reihe anderer europäischer Banken Schlagseite bekommen, darunter mit der UniCredit die Mutter der ehemaligen HypoVereinsbank.
Das Epizentrum eines neuerlichen Bankencrashs dürfte daher in Europa, tendenziell sogar in Deutschland verortet werden. Da bislang jedoch noch gar nicht ersichtlich ist, was der Auslöser dieser neuerlichen Finanzkrise sein könnte, steht diese vermutlich erst am Anfang.
Bildlich gesprochen könnte man sagen: Die Lunte brennt bereits, es ist nur noch nicht klar, wo sie hinführt. In unseren Augen denkbare Krisenherde wären nach wie vor der europäische Markt für Staatsanleihen, eine Eskalation der Flüchtlingskrise (neue anrückende Flüchtlingswellen) oder eine Kombination aus beidem.
Spätestens eine immer wahrscheinlicher werdende Grenzschließung könnte nämlich an den Märkten Panik vor einer bevorstehenden Zerreißprobe der EU auslösen - und damit auch an den europäischen Rentenmärkten. Anleger sollten konsequenterweise versuchen, Bankaktien zu meiden und Bankguthaben so weit wie möglich zu diversifizieren.
Interessanterweise sind gerade regional aktive Banken und solche ohne großes Investmentbanking vom jüngsten Anstieg der Risikoprämien bislang kaum betroffen.
Fazit
Die Krise ist nicht länger nur ein Thema ferner Länder, sondern trifft Europa mit voller Wucht. Im Zentrum stehen Deutschland und das größte Bankhaus des Landes. Kein Wunder, dass nun vermehrt in Edelmetallen nach einer Alternative gesucht wird.
© Christoph Karl und Ralph Malisch
Quelle: Auszug aus Smart Investor Newsletter
Blanke Panik ist vermutlich der einzig passende Ausdruck, mit dem die aktuelle Gefühlslage von Aktionären der Deutschen Bank* beschrieben werden kann. Denn die Aktie des größten deutschen Kreditinstitutes findet keinen Boden, im gestrigen Handelstag notierte sie mit knapp über 13 EUR so tief wie seit den 80er Jahren nicht mehr.
Es mag für viele unbedarfte Beobachter absurd klingen: Der Markt macht sich zunehmend Sorgen um eine Schieflage der Deutschen Bank.
So sehr, dass sich das Management zuletzt genötigt sah, durch einen Brief an die Mitarbeiter und eine Ad-hoc-Mitteilung zu bestätigen, den Kupon auf einen ausstehenden sogenannten CoCo-Bond (Contingent Convertible Bonds, die beim Eintreten definierter Kriterien automatisch in Eigenkapital gewandelt werden) bezahlen zu können.
Noch einmal: Die Deutsche Bank bestätigt, ihre Zinsen bezahlen zu können (!).
Wer so etwas nötig hat, bei dem brennt es womöglich lichterloh. Das ist wohl auch an den Kreditmärkten so einigen Marktteilnehmern klar geworden. Denn die angesprochene Anleihe notiert bei lediglich 75% des Nominalwertes, Kreditausfallversicherungen auf die Deutsche Bank kosten, Stand 102.2016, ca. 243 Basispunkte (+140% seit Jahresanfang).
Um es plastischer auszudrücken: Der Markt errechnet eine 10 bis 25%-Chance für eine Insolvenz der Bank (berechnet mit einer Insolvenzquote zwischen 80 und 90%).
Erinnerungen an Lehman Bros.
Unabhängig davon scheint die Börse ohnehin den Glauben an die Zahlen aus den Frankfurter Zwillingstürmen verloren zu haben. Denn wie soll man es anders interpretieren, dass die Bank an der Börse weniger als 20 Mrd. EUR wert ist, angeblich jedoch - auch nach dem Rekordverlust von 2015 - auf einem Eigenkapital von mehr als 60 Mrd. EUR sitzt.
Gerüchten zufolge will man nun ausstehende Anleihen in Milliardenhöhe zurückkaufen um damit Gewinne zu realisieren, komischerweise allerdings lediglich erstrangige Papiere und nicht die abgestürzten CoCo-Bonds. Glaubt das Management also selber nicht mehr an deren Rückzahlung?
Insgesamt erinnert die Situation fatal an Lehman Brothers im Sommer 2008. Genau dies hatten wir bereits im Juni letzten Jahres beschrieben, als wir einen Versuch unternommen haben, die Bilanz der Deutschen Bank zu verstehen. Sie finden den Artikel als PDF hier.
Nach wie vor gelten die damals beleuchteten Fakten: Die Bank sitzt auf einer gigantischen Derivateposition (derzeit 571 Mrd. EUR Nettopositionen, brutto ca. 52.000 Mrd. EUR), jederzeit ist hier das Platzen einer "Bombe" möglich. Bislang erinnern die Aufräumarbeiten des neuen Vorstandschefs John Cryan daher vor allem an das scheibchenweise Entschärfen einer "Bombe", allen öffentlichen Beteuerungen zum Trotz.
Ähnlich "glaubhaft" dürfte auch die Äußerung von Wolfgang Schäuble einzuordnen sein, dass er sich keine Sorgen um die Deutsche Bank mache. Selbst wenn er es anders wüsste, wäre hier wohl keine andere Aussage zu erwarten. Dass ein deutscher Finanzminister dagegen öffentlich sein Vertrauen in die Bonität des größten inländischen Kreditinstituts beteuern muss, klingt eher nach einem Lippenbekenntnis.
Jetzt geht’s ums Geld
Interessanterweise hat sich im gleichen Atemzug auch der Preis für eine Kreditausfallversicherung auf die Bundesrepublik in den letzten Tagen fast verdoppelt (derzeit 17 Basispunkte).
Am Markt wird also bereits das Szenario einer möglichen Rettung der Deutschen Bank durch den deutschen Staat gespielt. Auch der wieder erstarkte Goldpreis deutet auf eine sich anbahnende Krise im europäischen Finanzsystem hin.
Hatte sich in den letzten Jahren die Baisse des gelben Metalls vollkommen unbeeindruckt von jeder politischen und geostrategischen Krise fortgesetzt, scheint es nun genau um das zu gehen, was Gold in den Augen der Anleger zur interessanten Alternative werden lässt: Die Banken und damit das gesamte Finanzsystem. Parallel dazu scheinen immer mehr Anleger auch den Glauben an groß angelegte Bankenrettungen verloren zu haben.
Spätestens mit dem "Bail-In" in Zypern wurde hier quasi eine Blaupause für ähnliche Fälle geschaffen. Damals mussten nicht nur Anleiheinhaber schmerzhafte Verluste verbuchen, sondern auch Inhaber von Bankguthaben wurden zur Kasse gebeten.
Zeitgleich mit der Deutschen Bank hat folgerichtig auch eine Reihe anderer europäischer Banken Schlagseite bekommen, darunter mit der UniCredit die Mutter der ehemaligen HypoVereinsbank.
Das Epizentrum eines neuerlichen Bankencrashs dürfte daher in Europa, tendenziell sogar in Deutschland verortet werden. Da bislang jedoch noch gar nicht ersichtlich ist, was der Auslöser dieser neuerlichen Finanzkrise sein könnte, steht diese vermutlich erst am Anfang.
Bildlich gesprochen könnte man sagen: Die Lunte brennt bereits, es ist nur noch nicht klar, wo sie hinführt. In unseren Augen denkbare Krisenherde wären nach wie vor der europäische Markt für Staatsanleihen, eine Eskalation der Flüchtlingskrise (neue anrückende Flüchtlingswellen) oder eine Kombination aus beidem.
Spätestens eine immer wahrscheinlicher werdende Grenzschließung könnte nämlich an den Märkten Panik vor einer bevorstehenden Zerreißprobe der EU auslösen - und damit auch an den europäischen Rentenmärkten. Anleger sollten konsequenterweise versuchen, Bankaktien zu meiden und Bankguthaben so weit wie möglich zu diversifizieren.
Interessanterweise sind gerade regional aktive Banken und solche ohne großes Investmentbanking vom jüngsten Anstieg der Risikoprämien bislang kaum betroffen.
Fazit
Die Krise ist nicht länger nur ein Thema ferner Länder, sondern trifft Europa mit voller Wucht. Im Zentrum stehen Deutschland und das größte Bankhaus des Landes. Kein Wunder, dass nun vermehrt in Edelmetallen nach einer Alternative gesucht wird.
© Christoph Karl und Ralph Malisch
Quelle: Auszug aus Smart Investor Newsletter