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US-Arbeitsmarkt - Inflation - Demographie

05.06.2016  |  Klaus Singer
Schock! Die amerikanische Wirtschaft schafft im Mai nur 38.000 neue Stellen, das ist der geringste Zuwachs in nahezu sechs Jahren. Für den Vormonat wurde die Zahl der neuen Jobs von 160.000 auf 123.000 revidiert. Gleichzeitig fällt die Arbeitslosenquote wundersamerweise von 5,0% auf 4,7%. Aktien reagierten mit deutlichen Verlusten, TBonds waren gesucht, der Dollar verlor an Wert.

Gold legte kräftig zu - das Edelmetall hatte sich in den vergangenen Tagen knapp über 1200 Dollar gehalten und damit die technischen Spielregeln befolgt. Die Wahrscheinlichkeit für einen Zinsschritt auf der nächsten FOMC-Sitzung am 14./15. Juni liegt nach Fed-Fund-Futures nun bei nur noch 6%. Angesichts der Abstimmung in Großbritannien über den Verbleib in der EU am 23. Juni war eine Zinserhöhung im Juni mit zuvor 21% schon nicht besonders wahrscheinlich.

Die Finanzmärkte hatten sich gerade erst an die Aussicht eines Zinsschritts noch vor der Zeit der Sommerferien gewöhnt, die Wahrscheinlichkeit hierfür lag am Vortag noch bei 58%. Aktuell ist sie auf 35% zurückgefallen. Beobachter meinten angesichts zuletzt partiell besserer Makrodaten, man könnte das als Vertrauensbeweis in die Wirtschaft werten und stellten die Gleichung auf: Gute Wirtschaft gleich steigende Zinsen gleich steigende Aktien.

Jetzt muss wieder umgedacht werden. Ob Aktien die Kraft haben, die vom Arbeitsmarktbericht ausgehenden schwächeren wirtschaftlichen Signale umzudeuten und erneut auf allein seeligmachende Liquidität zu setzen, muss sich angesichts des in die Jahre gekommenen Bull-Runs noch zeigen. Für einen Versuch in diese Richtung dürfte sprechen, dass sich der S&P 500 von seinen intraday-Verlusten erholte und knapp behauptet schloss. Gleichzeitig ist der VIX, das Angstbarometer der Wall Street, weiter gesunken - ein Zeichen trügerischer Sicherheit (s.u.!)?

Die Fed hat insbesondere unter der Ägide von Janet Yellen die Entwicklung des Arbeitsmarktes in das Zentrum ihrer Zinspolitik gestellt. Sie hat dabei zunächst mögliche Zinsschritte mit einer Arbeitslosenquote von unter 5,5% in Verbindung gebracht. Dann hat sie die Schwelle auf 5% reduziert. Dies war im November erreicht, im Dezember gab es daraufhin einen zaghaften Zinsschritt.

Der Zusammenhang zwischen der Arbeitsmarktentwicklung und der Zinspolitik der Fed ist nicht erst seit Yellen eng. Das verdeutlichen die folgenden Charts. Der erste zeigt den Gleichlauf zwischen der Zahl neuer Stellen und dem Leitzins, der Fed Funds Target Rate. Gleichlauf? Ja, bis 2009, ab 2010 gibt es den nicht mehr.

Die Fed hat ihren Zinserhöhungszyklus früher zwei bis drei Jahre nach dem Tief des Beschäftigungswachtums gestartet. Seit der Finanzkrise ist der Zusammenhang verloren gegangen.

Die Fed hat sin den zurückliegenden Dekaden immer ein wachsames Auf auf die Entwicklung der Lohnstückkosten gehabt. Stiegen diese an, folgte der Leitzins bald nach. Seit 2010 gilt dieser Zusammenhang nicht mehr.

Die großen Akteure an den Finanzmärkten haben sich an die Untätigkeit der Fed gewöhnt, zeigen Selbstzufriedenheit und wiegen sich in Sicherheit. Das zeigt sich z.B. seit Februar an der sinkenden Volatilität in praktisch allen Asset-Klassen.

Die Fed begründet ihre geldpolitische Untätigkeit mit der überbordenden Verschuldung. Seit dem offenen Ausbruch der Finanzkrise ist diese weltweit um mehr als 57 Bill. Dollar angestiegen. Lag das Verhältnis zwischen Gesamtschulden (Staat, Haushalte, Unternehmen und Finanzindustrie) im Jahre 2000 noch bei 246%, so lag der Wert 2007 bei 269%. 2014 wurden 286% erreicht.

Wenn die Verschuldung schneller wächst als das BIP, wird ein immer größerer Teil des Kapitals für den Schuldendienst gebraucht. Das steht dann produktiven Verwendungen nicht zur Verfügung. Daraus entwickelt sich ein Teufelskeis, zu hohe Schulden bremsen das Wachstum, zu geringes Wachstum macht den Schuldendienst immer belastender. Dann müssen neue Schulden her, um die alten bedienen zu können - und schon landet man bei Minsky.

Diese gigantische Fehlallokation von Kapital wird an zwei Bildern deutlich (Quelle). Das erste zeigt die Entwicklung produktiver, unproduktiver und kontra-produktiver Schulden in den USA. Als kontra-produktiv gelten Schulden, mit denen Altkredite finanziert werden. Unproduktiv sind die Schulden, die laufenden Verbrauch finanzieren. Produktive Schulden führen zu einer Stärkung der Kapitalbasis.

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Produktive, unproduktive und kontra-produktive Schulden in den USA


Die Entwicklung der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes zeigt einen Rückgang auf Werte, wie sie in den frühen 1930er Jahren erreicht wurden. Wenn die Geschwindigkeit sinkt, weist das daraufhin, dass das BIP weniger schnell wächst als die Geldmenge. Die realwirtschaftlichen Aktivitäten erlahmen im Vergleich zur Geldmenge, immer mehr davon geht in den Schuldendienst. Eine sinkende Umlaufgeschwindigkeit zeigt damit auch an, dass die Wirtschaft mit unproduktiven Schulden gesättigt ist.

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USA: Umlaufgeschwindigkeit des Geldes, langfristig



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