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Gutes, Schlechtes und drohende Gefahren

21.06.2016  |  Axel Merk
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  • Steuern und Regulierungen sorgen für Gegenwind. Es wird oft argumentiert - und ich kann das durchaus nachvollziehen - dass wir mittlerweile viel umfangreichere Reglementierungen und Auflagen haben, die Investitionen weniger attraktiv machen. Das Gegenargument ist, dass es schon immer politische Gruppen gab, die sich über zu umfassende Vorschriften beschwert haben, und dass diese Klagen nichts Neues sind. Ich bin jedoch ebenfalls der Meinung, dass die Reglementierungen das vielleicht größte Hindernis für ein stärkeres Wachstum darstellen. Unglücklich ist allerdings, dass diese Debatte so stark politisiert wird.

  • Verhaltenes Wachstum der Weltwirtschaft und der starke Dollar. Ich fasse diese beiden Punkte zusammen, weil sie beide die wahrscheinlich auf globaler Ebene verbreitete Einstellung widerspiegeln, dass erst einmal die anderen Staaten ihre Probleme lösen sollten, um uns zu helfen. Ich sehe die Sache anders: Sicherlich können globale Faktoren eine negative Wirkung entfalten, doch beeinflussen können wir in erster Linie die Lage im Inland. Unsere Politiker wären gut beraten, wenn sie sich auf das konzentrieren würden, was sie ändern können, statt anderen die Schuld zu geben. Es scheint ein charakteristisches Symptom unserer aktuellen politischen Landschaft zu sein, dass die Führungskräfte zunehmend versuchen, die Schuld auf andere abzuwälzen - und damit meine ich nicht nur eine bestimmte Partei oder die Wahlen in den USA, sondern die weltweite politische Elite.

  • Die demografische Entwicklung. Wenn eine Gesellschaft altert, kann sich das in einem verminderten Wirtschaftswachstum niederschlagen, weil die erwerbstätige Bevölkerung langsamer wächst oder sogar abnimmt. Ich bin ebenfalls der Ansicht, dass die Demografie womöglich unterschätzt wird, aber auf der anderen Seiten schneiden die Vereinigten Staaten im Vergleich zu vielen anderen Industrieländern in dieser Hinsicht deutlich besser ab. Doch auch die USA leiden unter der sinkenden Erwerbsquote. Das Problem sind meiner Meinung nach jedoch nicht die älteren US-Bürger, denn die arbeiten zum größten Teil (weil sie nicht genügend Ersparnisse haben, um sich zur Ruhe zu setzen), sondern die Menschen in ihren besten Jahren, die die Reihen der Erwerbstätigen verlassen. Ein Teil des Problems ist die steigende Zahl an Amerikanern, die aufgrund von Arbeitsunfähigkeit oder körperlichen Einschränkungen staatliche Leistungen beziehen. Erst vor Kurzen habe ich mit jemandem gesprochen, der sich darüber beklagte, dass er zu Hause sitzt und sich langweilt, sich aber keine Arbeit suchen könne, weil er dann die staatliche Unterstützung verlieren würde. Auch die Zunahme an staatlichen Sozialleistungen bremst das Wachstum aus.

  • Technologie. Ich höre immer wieder, dass "alle lohnenswerten Erfindungen bereits gemacht wurden". Ähnlich pessimistische Ansichten lassen sich alle paar Jahrzehnte wieder in den Medien finden. Ich glaube das nicht. Quantencomputer könnten unsere Rechenleistung exponentiell steigern, mit Hilfe technologischer Entwicklungen könnten sich die Herausforderungen des Klimawandels bewältigen lassen und im Gesundheitswesen sind zweifelsohne ebenfalls noch enorme Verbesserungen möglich.

  • Die Globalisierung. Meiner Ansicht nach stellt die Globalisierung kein Hindernis für das Wachstum dar, doch sie schafft ein ausgeglicheneres Spielfeld. Für diejenigen, die für ihre Leistungen bislang Höchstpreise verlangt haben, sind das natürlich schlechte Nachrichten, denn plötzlich gibt es Millionen andere, die die gleiche Leistung für einen geringeren Preis anbieten. In gewisser Hinsicht stellt uns die Technologie vor ähnliche Herausforderungen, da immer komplexere Aufgaben von Maschinen übernommen werden können. So wie ich es sehe, haben die Politiker auf beiden Seiten des Spektrums bisher wenig getan, um der Gesellschaft zu helfen, mit diesen Entwicklungen Schritt zu halten und sich anzupassen.

  • Fehlende Perspektiven. Auf dem Höhepunkt der europäischen Schuldenkrise hat Jeroen Dijsselbloem, der Vorsitzende der Euro-Gruppe, darauf hingewiesen, dass man von den Investoren nicht erwarten könne, dass sie die Staatsanleihen der Peripherieländer der Eurozone kaufen, wenn die Politik nicht in der Lage ist aufzuzeigen, welche Situation man in zehn Jahren anstrebt. Diese Kritik ist meiner Meinung nach nicht nur in der Eurozone, sondern im Großteil der Industrienationen berechtigt, und zwar sowohl in finanz- als auch in geld- und währungspolitischer Hinsicht. Das Fehlen eines klaren Kurses für die Zukunft kommt ebenfalls einer Wachstumsbremse gleich.

  • Geringe Produktivität. In einer Rede im Jahr 2005 argumentierte Janet Yellen, die damals Vorsitzende der Zweigstelle der US-Notenbank in San Francisco war, das höhere Zinsen trotz der geringen Produktivität gerechtfertigt seien. Heute, als Vorsitzende der gesamten Federal Reserve, scheint sie eine gegenteilige Meinung zu vertreten. Dieser offensichtliche Widerspruch liegt in der Tatsache begründet, dass die geringe Produktivität das Ergebnis anderer Entscheidungen und Maßnahmen ist und keine Variable, die direkt beeinflusst werden kann - auch wenn manche Ökonomen vielleicht versucht sind, das zu probieren.

    Bei einer Debatte zwischen den noch lebenden (ehemaligen und aktuellen) Vorsitzenden der Fed am 7. April argumentierte Alan Greenspan, dass eine Wirtschaft, in der fast Vollbeschäftigung herrscht, durch eine Erhöhung der Produktivität angekurbelt werden muss. Das ließe sich seiner Ansicht nach durch Investitionsanreize für Unternehmen erreichen. Ben Bernanke schloss sich im Gegensatz dazu einer wachsenden Zahl von Stimmen an, die stattdessen höhere Ausgaben fordern. Greenspan lehnt diese Herangehensweise jedoch ab und argumentiert, dass eine Erhöhung der Staatsausgaben das Wachstum nur kurzfristig fördert, auf der anderen Seite aber zum Anwachsen des Haushaltsdefizits und des Lohndrucks führt.

  • Die niedrigen Zinssätze. Im Gegensatz zum Argument des ersten Anstrichs könnten auch die geringen Zinsen selbst Teil des Problems sein. Meiner Einschätzung nach hat die Geldpolitik es zahlreichen unproduktiven Unternehmen ermöglicht im Geschäft zu bleiben, während sie unter anderen Umständen bankrott gegangen wären. Hätte man die Insolvenzen zugelassen, wäre der Abschwung noch stärker gewesen, doch dann wäre auch eine marktbasierte Neuverteilung von Ressourcen zu Gunsten der produktiveren Unternehmen möglich gewesen.

    Anders gesagt denke ich, dass die Zentralbanken den kreativen Zerstörungsmechanismus beeinträchtigt haben, auf dem der Kapitalismus beruht, und wir jetzt den Preis dafür zahlen, unter anderem in Form von geringer Produktivität und schwachem Wachstum. Allgemein ausgedrückt glauben wir, dass die möglicherweise zu niedrigen Zinsen die Fehlallokation von Kapital fördern und dadurch zu der unterdurchschnittlichen Wachstumsrate beitragen.

Warum habe ich hier eine Liste mit möglichen Faktoren zusammengestellt, die das Wachstum behindern? Mit Ausnahme des ersten und des letzten Punktes haben sie wenig oder gar nichts mit der Geldpolitik zu tun. Doch die Zentralbanker fühlen sich heutzutage oftmals verantwortlich, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um die Wirtschaft zu unterstützen, selbst wenn sich die zugrundeliegenden Probleme mit geldpolitischen Anpassungen nicht beheben lassen. Quantitative Lockerungen mögen ein verlockendes Instrument sein, doch sie sind nicht das Heilmittel, das benötigt wird.


Drohende Gefahren

Unangenehm wird es dann, wenn man darüber nachdenken muss, wie die QE-Maßnahmen beendet werden können - falls das überhaupt möglich ist. Die Federal Reserve sollte sich auf die Inflation und die Maximierung nachhaltigen Wachstums konzentrieren, doch uns scheint, als würde sie den Blick zunehmend auf die Finanzmärkte richten. Warum sollte es die Notenbank interessieren, wie die Märkte reagieren? Ein ehemaliger Fed-Mitarbeiter hat mir vor Kurzem gesagt, dass sie nur dann Grund zur Sorge hat, wenn sie eine Spekulationsblase verursacht hat. Dabei beließ er es, ohne zu sagen, ob das zur Zeit der Fall ist.


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