Jim Rickards: Desaster in China könnte Gold-Run auslösen
02.03.2017 | Mike Gleason
- Seite 3 -
Das kam in der Geschichte übrigens schon oft vor - es begann als Währungskrieg und wuchs sich zum Handelskrieg aus. Genau das Gleiche ist beispielsweise in den 1930er Jahren passiert und ich kann mir gut vorstellen, dass es auch heute wieder so weit kommt. Wir steuern auf ein unabwendbares Desaster zu. Um Ihnen eine Vorstellung davon zu vermitteln, was uns erwartet: Am 10. August 2015 hat China seine Währung innerhalb von zwei Tagen um 3% abgewertet. Nicht 10% oder 20%, nein, gerade einmal 3%. Die Aktienmärkte in den USA sind unmittelbar darauf um mehr als 10% eingebrochen, vom 10. bis zum 31. August. Vielleicht waren Sie zum Ende des Sommers 2015 gerade im Urlaub oder haben Ihre Kinder zurück in die Schule gebracht, aber anderswo blickten die Marktteilnehmer in einen Abgrund.
Daraufhin hat die Federal Reserve die Zinsanhebung wie erwartet verschoben, es wurden viele nette Worte gewechselt und die Börsenkurse wendeten sich schließlich wieder nach oben. Mittlerweile sind die Kurse auf neue Allzeithochs gestiegen, aber in diesem drei Wochen ging es wirklich bergab. Was glauben Sie, was geschehen wird, wenn China den Yuan um 5% oder 10% abwertet? Dann steht uns ein noch viel größerer Crash bevor. Es gibt innerhalb des Systems einige sehr, sehr starke Stressfaktoren, die ich äußerst aufmerksam beobachte. Wir erleben wirklich interessante Zeiten.
Mike Gleason: Ja, definitiv. So, wie Sie die Situation beschreiben, scheint China tatsächlich in der Klemme zu sitzen. Lassen Sie uns als nächstes speziell über Gold sprechen. Wir können prinzipiell zwei Wege erkennen, die wieder zu höheren Edelmetallpreisen führen würden. Der erste wäre eine spürbare Zunahme der Inflation und ein schwächerer US-Dollar, der zweite eine steigende Nachfrage nach Gold als sicherem Hafen.
Auslöser für letztere könnten ernste geopolitische Verwerfungen sein, bei denen offensichtlich auch China eine zentrale Rolle spielen würde, und vielleicht ein Schock im globalen Finanzsystem. Wie schätzen Sie die Aussichten für die Edelmetalle derzeit ein und welche Faktoren könnten eventuell dazu führen, dass die Kursgewinne der letzten Wochen wieder zunichte gemacht werden?
Jim Rickards: Ich denke, beide der genannten Szenarien sind im Spiel. Diese sind zwar in einem gewissen Maße gegensätzlich, aber das macht nichts. Wenn erneut geldpolitische Lockerungen beschlossen werden und die Inflation ansteigt, wird das den Goldpreis mit Sicherheit in die Höhe treiben. Doch selbst wenn das Gegenteil passiert, wenn die Wirtschaft ins Stocken gerät und der Aktienmarkt wegen einer Währungsabwertung in China oder etwas Ähnlichem crasht, wird die Nachfrage nach Gold als sicherem Vermögenswert zunehmen und den Kurs steigen lassen. Es gibt jedoch noch einen dritten Faktor, den ich bei all dem ebenfalls berücksichtigen würde, und das ist das gute alte Verhältnis von Angebot und Nachfrage.
Wie Sie wissen, reise ich ziemlich viel umher. Vor Kurzem war ich in China, in Shanghai und Nanjing. Dort habe ich mich privat mit zwei der fünf größten chinesischen Goldhändler getroffen, genauer gesagt mit den Leitern der Edelmetall-Handelsabteilungen von zwei Großbanken. Sie sagten mir: "Glauben Sie nicht, was Sie in der Presse lesen. Die Goldnachfrage in China ist so stark wie immer. Die Leute können nicht genug davon kriegen."
Vorhin hatte ich darüber gesprochen, dass die Chinesen versuchen, ihr Geld außer Landes zu schaffen. Das ist eine Option, wenn man Beziehungen hat, ein Unternehmer oder ein Oligarch ist und einen Weg findet, auf dem das möglich ist. Doch was, wenn man diese Möglichkeiten nicht hat? Wenn man zur oberen Mittelschicht gehört und vielleicht sogar ein paar hunderttausend oder eine Million Dollar hat, aber weder ein Oligarch ist noch der Sohn eines Überlebenden des Langen Marsches mit Mao Zedong?
Was würden Sie tun? Sie würden keine Eigentumswohnung in Vancouver für 1 Million $ kaufen, sondern vielmehr versuchen, die 100.000 $ zu bewahren, die Sie sich dank jahrelanger harter Arbeit angespart haben. Diese Menschen kaufen in China Gold. Sie haben kein Vertrauen in den Aktienmarkt, weil sie gesehen haben, wie volatil sich die Kurse entwickeln können, und sie haben kein Vertrauen in den Immobilienmarkt, weil sie wissen, dass dort eine Spekulationsblase besteht. Manche von ihnen besitzen vielleicht auch Immobilien in China, doch das unterliegt gewissen Einschränkungen. Also kaufen sie Gold.
Die Handelsdaten der Shanghai Gold Exchange belegen das. Interessant war für mich übrigens auch zu erfahren, wie viel Gold nach China fließt bzw. wie viel dort zu Investitionszwecken verfügbar ist, denn wir und viele andere Marktbeobachter hatten natürlich immer nur unsere Schätzungen.
Für die Minenproduktion gibt es von den zuständigen Behörden ziemlich gute Zahlen. Auch die Exportdaten von Hongkong und der Schweiz in Richtung China sind zuverlässig. Diese zeigen uns zwar nicht das ganze Bild, haben uns aber eine recht gute Vorstellung vermittelt. Dazu kommen noch die Goldverkäufe an der Shanghaier Edelmetallbörse, die bis zu einem gewissen Grad transparent ist. Alles in allem hatten wir geschätzt, dass China jedes Jahr zwischen 1.000 und 1.500 Tonnen Gold importiert.
Ich wusste allerdings bis vor Kurzem nicht, welchen Anteil die private und die staatliche Nachfrage daran hatten, d. h. wie viel Gold direkt in den Tresoren der Regierung landete und wie viel von den chinesischen Privatpersonen gekauft wurde.
Die chinesischen Edelmetallhändler, die ihre Geschäfte direkt an der Shanghai Gold Exchange abwickeln, sagten mir, dass der Handel dort zu 100% privat ist. Ihren Angaben nach kauft die Regierung zwar große Mengen Gold, aber auf völlig geheimen Wegen. Diese Käufe tauchen in keiner Bilanz auf. Es gibt in China also noch viel mehr Gold, als ich dachte. Ich wusste zwar, dass sowohl der Staat als auch die Chinesen Gold kaufen, aber wenn alles an der Shanghai Gold Exchange gehandelte Gold von privaten Verbrauchern erworben wird und die Regierung ihr Gold auf anderen Wegen beschafft, dann muss die Gesamtmenge enorm sein.
Das macht es schwerer, die tatsächlichen Zahlen zu schätzen, aber durch meine Erfahrungen in Russland, im Iran, in der Türkei und aus anderen Quellen weiß ich, dass die chinesische Regierung einen großen Teil der inländischen Minenproduktion bekommt. Wahrscheinlich bezieht sie ihr Gold direkt von den Minen. Anders gesagt landet das importierte Gold an der Shanghai Gold Exchange und dient zur Deckung der privaten Nachfrage, während die chinesische Regierung die Bergbauindustrie kontrolliert. Womöglich behält sie die gesamte Fördermenge von 450 Tonnen im Jahr.
Ich bin kein Geologe und kein Experte für "Peak-Gold", aber ich habe mit genügend Vertretern der Bergbaubranche gesprochen, um zu wissen, dass die Minenproduktion von Gold bestenfalls stagniert und wahrscheinlich abnimmt. Auch der Kampf um die besten Vorkommen wird immer härter.