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Inflation und Zinsen

06.03.2017  |  Klaus Singer
Mittlerweile gilt es als ausgemacht, dass die Fed Mitte März einen weiteren Zinsschritt unternimmt und die Zielrate in den Bereich zwischen 0,75% und einem Prozent hoch legt. Nach Taylor-Regel müsste der Leitzins in den USA irgendwo bei drei Prozent liegen. Mithin ist der Leitzins dann immer noch völlig "unterbelichtet“.

Hierzulande ist die Inflationsrate im Februar in den Zielbereich der EZB von zwei Prozent gestiegen. In den USA lag die Inflationsrate im Januar bei 2,5%, die von der Fed besonders beachtete Kernrate der PCE-Inflation kommt auf 1,7%. In der Eurozone insgesamt ist die Teuerung den zurückliegenden Monaten ebenfalls angesprungen.

Allerdings geht sie fast ausschließlich auf die gestiegenen Ölpreise zurück, die Kernrate laviert weiterhin bei unter einem Prozent dahin (Chartquelle: www.arpinvestments.com). Vor einem Jahr lag der Ölpreis bei 30 bis 35 Dollar, aktuell notiert er um 55 Dollar. Der Energieanteil im Eurozonen-CPI hat im Vergleich zum Vorjahr um über neun Prozent verteuert.

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Jahrelang haben die Zentralbanken alles daran gesetzt, eine ausgewachsene Deflation zu vermeiden. Jetzt scheinen sie am Ziel - Inflation ist eines der zentralen Mittel im Kampf gegen die Überschuldung in der industrialisierten Welt. Sie werden nun ganz bestimmt nicht zur Tat schreiten und die Inflation mit beherzten Zinsschritten bekämpfen. Abgesehen davon, liegt es ihrer Tradition - sie laufen in aller Regel der Inflation hinterher, bis sie dann irgendwann zur Zinskeule greifen.

Vielfach wird behauptet, dass sie dadurch eine Rezession erst hervorrufen. Ich glaube aber, der Fehler wird eher am Ende einer Rezession gemacht, wenn die Leitzinsen drastisch nach unten übertrieben werden, um einen Kreditimpuls zu bewirken. Alles, was dann folgt ist nur Konsequenz dieser Politik. Aber das soll hier nicht Thema sein - ich hatte mich hier mit dem Thema befasst.

Klar ist meiner Meinung nach, dass die Zentralbanken die Inflation eben nicht beherzt bekämpfen werden, sondern sie zulassen - "zeitweilig“, wie sie sagen. Ob sie den Geist dann aber wieder zurück in die Flasche bekommen? Die Inflation ist wie auch die Deflation nicht nur ein ökonomisches Phänomen. Wenn sich beides als nicht kurzatmig erweist, verändert sich das Verhalten der Verbraucher. Und das können Zentralbanken nur sehr indirekt steuern.

Inflation kommt Schuldnern entgegen. Schuldner profitieren dann generell von der Entwertung ihrer Kreditbeträge. Gewöhnlich steigen die Nominalzinsen mit zunehmender Inflation – die Darlehensgeber wollen schließlich einen positiven Realzins erwirtschaften. Altschuldner sind Neuschuldnern gegenüber besser gestellt durch alte, niedrigere Nominalzinsen. Neuschuldner müssen höhere Zinsen in Kauf nehmen, sie profitieren von der Inflation nur dann, wenn sie anhält.

Die Break-even-Inflationserwartungen nach Spread zwischen nominalen und realen Renditen legen gegenwärtig überall zu. In den USA liegen sie bei den zehnjährigen Renditen bei zwei Prozent. Das hört sich noch "zivil“ an. Typischerweise wird ein Bereich der Inflationsrate zwischen 1,5 und 2,5% als für Wachstum und Aktienkurse konstruktiv angesehen.

Allerdings haben die geringen Investitionen in Verbindung mit dem Wachstum der zurückliegenden Jahre dazu geführt, dass Überschusskapazitäten mehr oder weniger aufgebraucht sind. Dieses Flaschenhalsproblem kann recht schnell dazu führen, dass die Preise unerwartet schnell weiter steigen. Ohne neue Investitionen steigt der inflationäre Wachstumsanteil besonders stark. Das mag für Schuldner gut sein, für ein gesundes Wirtschaftswachstum ist es das nicht.

Es gibt wichtige strukturelle Bedingungen, die daran zweifeln lassen, dass der jetzt angelaufene Inflationstrend von Dauer ist. Da ist zunächst die Demographie - ein immer größerer Teil der Bevölkerung in den industrialisierten Ländern ist "alt“. Während das Median-Alter in den USA bei 37,8 Jahren liegt, kommt es in Deutschland auf 46,5 - gleichauf mit Japan. Mexiko gilt innerhalb der OECD mit 27,6 Jahren als jüngstes Land.

Ältere Menschen geben für täglichen Konsum weniger aus als jüngere, Ausgaben für medizinische Waren und Dienstleistungen konterkarieren dies bis zu einem gewissen Grad. Zum Zusammenhang zwischen Demographie und Wachstum siehe hier! Zweitens wirken die überbordenden Schulden wachstumsbremsend. Und drittens bewegt sich der Lebensstandard der Mittelklassen seit mehr als zwanzig Jahren bestenfalls seitwärts.

Langfristig dürfte aus diesen Gründen der inflationäre Trend keinen Bestand haben. Die aktuelle Entwicklung ist eher zyklischen und anderen kurzfristigen Aspekten zuzuschreiben. Solche Effekte mag es auch künftig geben, aber das ändert nichts daran, dass die große Richtung der Preise wohl nicht aufwärts verläuft.

Ob daraus geschlossen werden kann, dass auch die Zinsen langfristig seit-, abwärts tendieren? Der Zusammenhang zwischen Zinsen und Inflationsrate ist nicht in Stein gemeißelt – das statistische Bestimmtheitsmaß zeigt für die zurückliegenden hundert Jahre einen Wert von nicht einmal zehn Prozent. Zwar hatten wir in den zurückliegenden vier Dekaden hauptsächlich Inflationsraten, die höher waren als die zehnjährigen US-Renditen (siehe Chart, türkise Linie schlägt nach oben aus).

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