Chris Martenson: Bereiten Sie sich vor, so lange es noch einfach ist!
09.06.2017 | Mike Gleason
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Chris Martenson: Was die Notenbank tut, ist nicht einfach nur Gelddrucken, sondern Social Engineering. Sie müssen Gewinner und Verlierer wählen. Ich weiß, dass es den Anschein hat, als würde die Fed Geld schöpfen und allerlei verrückte, komplizierte Dinge tun, Staatsanleihen im Rahmen von Auktionen kaufen, Reverse Repos durchführen usw. Doch das sind nur verschiedene hochtrabende Ausdrücke, die am Ende alle das Gleiche bedeuten: Die Fed druckt Geld, gibt es dem Markt und nimmt im Gegenzug Schuldverschreibungen an. Wenn man sich diese Dynamik einmal genau anschaut, stellt man fest, dass die Notenbank auf diese Weise das stärkste Wohlstandsgefälle erzeugt hat, dass wir in der gesamten Geschichte bisher erlebt haben. Sie ist auch verantwortlich für eines der ausgeprägtesten Einkommensgefälle, die es je gab.
Zudem hat die Fed die Immobilienpreise bewusst nach oben getrieben, was eigentlich für fast niemanden gut ist, wenn man einmal genau darüber nachdenkt - abgesehen von den wenigen, die ihr bisheriges Haus verkaufen, um in ein kleineres zu ziehen, und dadurch einen Gewinn machen. Für diejenigen, die ihr erstes eigenes Haus kaufen wollen, ist es mit Sicherheit keine positive Entwicklung, und auch nicht für die Hausbesitzer, die sich infolgedessen mit höheren Grundsteuern und Versicherungsbeiträgen konfrontiert sehen.
Dennoch hat die Fed die Preise in die Höhe getrieben, die Einkommensunterschiede vergrößert und die Inflationskosten stark erhöht. Das gilt vor allem für Ballungsräume, in denen neue Private-Equity-Gesellschaften wie Blackstone einfach alle Immobilien aufgekauft haben. Was also hat die Fed wirklich getan?
Zum einen haben die Notenbanker ihre Geldpolitik so angelegt, dass die Generation der Millennials praktisch gar nicht davon profitiert. Zum anderen haben sie es der Regierung ermöglicht, die Staatsschulden noch weiter zu erhöhen, und die Unternehmen zu Financial Engineering ermutigt, wenn nicht gar regelrecht dazu gezwungen. Wenn Sie der Chef eines großen Unternehmens sind und die Möglichkeit haben, zu einem Zinssatz von 1% Geld zu leihen, um es anschließend in Aktien zu investieren, die eine Dividende von 2% abwerfen, dann tun Sie das natürlich. Ist doch ganz klar. Aus diesem Grund haben sich die Unternehmen mehr mit Kapitalvermehrung als mit der Steigerung ihrer Produktivität befasst. All das kann man der Fed anlasten.
Wenn die Notenbank die Zinsen im Jahr 2008 oder 2009 aus der Not heraus für sechs oder vielleicht zwölf Monate gesenkt hätte, wäre das nachvollziehbar gewesen. Doch wie lange verfolgt sie diese Zinspolitik nun schon? Je nachdem, wie Sie es zählen wollen, sind es bereits acht oder neun Jahre. Das ist ein ziemlich langer Notfall, finden Sie nicht? Unterdessen verstärken sich die eben beschriebenen Trends zusehends. Mehr Finanzialisierung der Wirtschaft, weniger Investitionen. Ein schwererer Start für Studenten, Millennials und andere junge Menschen, die gerade an der Schwelle zum Berufsleben stehen.
Die gesunkene Zahl an Firmenneugründungen, die sich u. a. auch darauf zurückführen lässt, dass den traditionellen Sparern - den Müttern, Vätern und Großeltern - eine Billion Dollar an Zinseinnahmen entgangen sind, die sie andernfalls verwendet hätten, um ihre Kinder und Enkel bei der Gründung eines Unternehmens zu unterstützen.
Wir können all diese negativen Folgen der Geldpolitik der letzten Jahre täglich beobachten. Das eigentliche Mysterium besteht darin, dass kaum darüber geredet wird, obwohl das dringend notwendig wäre.
Mike Gleason: Ich würde gern noch einmal auf die Edelmetalle zu sprechen kommen. Trotz der Preismanipulationen durch die Bullionbanken, die offenbar nach wie vor stattfinden, war das Jahr für den Edelmetallsektor bislang vernünftig, aber unspektakulär. Was halten Sie derzeit von den Gold- und Silbermärkten?
Chris Martenson: Ich möchte erst einmal ein bisschen vom Thema abweichen und kurz etwas zu Bitcoin sagen. Heute notiert Bitcoin bei etwa 2.300 $, glaube ich. Es ging ein wenig auf und ab und ich weiß, dass der Kurs schon höher war, aber wenn ich mir die Preisentwicklung so anschaue, sieht es für mich aus, als handelt es sich hier um einen freien und fairen Markt, nicht wahr? Die Kursbewegungen ergeben tatsächlich Sinn. Sobald ein gehebelter Papiermarkt, d. h. ein Derivatemarkt, um einen anderen Markt herum aufgebaut wird, ist der Weg frei für finanzstarke Marktteilnehmer, die ihn kontrollieren wollen. Sie und Ihre Zuhörer wissen das ja nur allzu gut.
Vor etwa zwei Wochen wurde im Wall Street Journal ein sehr guter Artikel über die Quants veröffentlicht, die Mathematikexperten, die die Trading-Algorithmen für die Wall Street schreiben. Die Computerprogramme haben Zugriff auf riesige Kapitalmengen und die meisten von ihnen handeln innerhalb von Milli- oder Mikrosekunden. Die Quants sind an allen möglichen Märkten tätig, einschließlich der Edelmetallmärkte.
Ich denke, dass die Gold- und Silbermärkte schon seit langer Zeit praktisch von den Bullionbanken kontrolliert werden und für diese eine Art persönliches Sparschwein darstellen. Das ergibt auch durchaus Sinn, nicht wahr? Doch wie wir beide wissen, können die Banken dieses Spiel nicht bis in alle Ewigkeit spielen. Ich glaube, dass Gold und Silber mittlerweile eine Basis gefunden haben - zumindest hoffe ich das.
Ich habe das starke Gefühl, dass die Menschen Safe-Haven-Assets besitzen wollen, sobald die nächste Finanzkrise kommt oder der nächste wirtschaftliche Stillstand beginnt - je sicherer, desto besser. Grund dafür wird das institutionelle Risiko sein, das meiner Meinung nach besteht, und vielleicht sogar ein gewisses Staatsrisiko. Das gesamte System könnte zusammenbrechen. Wenn Sie verstehen, wie außergewöhnlich hoch das Schuldenniveau ist und wie die Schulden verteilt sind, dann stellen Sie fest, dass dabei nichts Gutes herauskommen kann.
Was wird wohl geschehen, wenn dieses ganze Konstrukt in Frage gestellt wird? Zu diesem Zeitpunkt wird es wirklich wichtig sein, Edelmetalle zu besitzen. Wir haben auch früher schon oft darauf hingewiesen: Wenn der Moment gekommen ist, und Sie noch nicht über physische Gold- und Silberanlagen verfügen, wird es danach wahrscheinlich zu spät sein, um noch welche zu kaufen. Das ist zumindest meine Einschätzung. Das Angebot kann an diesen Märkte sehr schnell versiegen.