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Der nächste Minsky-Moment

27.06.2017  |  John Mauldin
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Diese wären vermeidbar gewesen, wenn sich die Unternehmen auf abgesicherte Finanzierungen beschränkt hätten. Aber im Laufe der Zeit, und insbesondere, wenn die Wirtschaft brummt, wird die Versuchung Kredite aufzunehmen unwiderstehlich. Warum nicht mehr Geld leihen, wenn das Wachstum sicher scheint? Die Banken verstärken diese Dynamik und lockern die Kreditbedingungen immer weiter, je länger der Boom andauert. Wenn die Kreditausfälle minimal sind, warum sollten sie dann nicht mehr Geld verleihen? Minskys Schlussfolgerung war beunruhigend: Wirtschaftliche Stabilität erzeugt Instabilität. Zeiten des Wohlstands weichen finanzieller Unsicherheit."

Minskys Schlussfolgerungen sind tatsächlich beunruhigend. Er stellte damit die Annahme in Frage, das ungehindert operierende Märkte Stabilität und Wohlstand für alle schaffen würden. Minsky glaubte genau das Gegenteil. Märkte sind keineswegs effizient und die Folge dessen sind gelegentliche Finanzkrisen.

Chuck Prince, der Vorsitzende der Citigroup, fasste die vorherrschende Selbstzufriedenheit inmitten der unverantwortlichen Schuldenerhöhung 2007 in einer Bemerkung sehr schön zusammen:

"Der Chef der Citigroup erklärte gegenüber der Financial Times, dass die Party eines Tages enden würde. Es gäbe jedoch so viel Liquidität an den Märkten, dass die Turbulenzen am Subprime-Hypothekenmarkt der USA keinen ernsten Störfaktor darstellen könnten. Er bestritt, dass sich die Citigroup, eine der wichtigsten Finanzierungsgesellschaften für Private-Equity-Geschäfte, aus dem Markt zurückzieht.

'Wenn die Musik verstummt, d. h. wenn die Liquidität verschwindet, wird es kompliziert werden. Doch solange die Musik spielt, muss man aufstehen und tanzen. Wir tanzen noch.'" (Quelle)


Minsky hat die Krise von 2008, die exakt auf seine Theorie passte, nicht mehr miterlebt. Aber Paul McCulley prägte ihr Minskys Namen auf und mittlerweile bezeichnen wir Krisen dieser Art als "Minsky-Momente". Nähern wir uns bereits dem nächsten?


Die Spielregeln

Wie oben erwähnt erlitten die Technologieaktien kürzlich eine kleine Panikattacke. Sie dauerte nicht lang und war (noch) nicht besonders besorgniserregend. Sie war nicht schlimmer als das, was noch vor zehn Jahren von allen als "normale Volatilität" bezeichnet wurde. Doch die ausbleibende Beunruhigung der Märkte war meiner Ansicht nach diesmal nicht mehr als als bullisch einzustufen. Mehr als nur ein paar Investoren scheinen überzeugt zu sein, dass "immer nur bergauf" der normale Lauf der Dinge ist.

Doug Kass hatte ähnliche Gedanken und erinnerte uns daher an Bob Farrells berühmte Zehn Regeln des Investierens. Über jede einzelne davon könnte man ein ganzes Buch schreiben. Ich werde sie nur kurz aufzählen und dann einige von ihnen auf unsere aktuelle Situation übertragen:

  • 1. Die Märkte neigen langfristig zur Rückkehr zu Mittelwerten.

  • 2. Exzesse in eine Richtung führen zu entgegengesetzten Exzessen in die andere Richtung.

  • 3. Es gibt keine neuen Zeitalter - Exzesse sind nie von Dauer.

  • 4. Phasen mit exponentiellen Kursgewinnen oder -verlusten setzen sich an den Märkten meist länger fort als man denkt und sie korrigieren nie in einer Seitwärtsbewegung.

  • 5. Die breite Masse kauft bei Kursspitzen am meisten und in der Talsohle am wenigsten.

  • 6. Angst und Gier sind stärker als langfristige Vorsätze.

  • 7. Die Märkte sind am stärksten, wenn sie breit aufgestellt sind, und am schwächsten, wenn sie auf eine Handvoll erstklassiger Unternehmensaktien reduziert werden. (Kommt Ihnen das bekannt vor? Denken Sie an die FAANGs?)

  • 8. Bärenmärkte durchlaufen drei Phasen: Erst kommt es zu einem plötzlichem Einbruch, dann zu einer reflexartigen Erholung und schließlich folgt ein langgezogener, fundamentaler Abwärtstrend.

  • 9. Wenn sich alle Experten und Prognosen einig sind, wird etwas anderes geschehen.

  • 10. Bullenmärkte machen mehr Spaß als Bärenmärkte.

  • Ich glaube, die meisten dieser Regeln sind offensichtlich für Investoren, die das Desaster von 2008, den Dotcom-Crash und (falls Sie schon ein gewisses Alter erreicht haben) den Schwarzen Montag von 1987 miterlebt haben. Manche von uns erinnern sich auch an 1980 und 1982. 1982 war besonders unangenehm. (Ich hatte gerade meinen Master in Theologie gemacht und die Lage am Arbeitsmarkt war katastrophal.)

    Vielleicht vergessen wir diese Erfahrungen zum größten Teil wieder, aber hoffentlich lernen wir dabei trotzdem etwas fürs Leben. Das Problem ist, dass der neuen Investorengeneration diese Perspektive fehlt. Die jungen Anleger von heute waren 2008 gar nicht oder kaum in Aktien investiert und erlebten die Große Rezession eher als Verlust des Arbeitsplatzes oder als Immobilienkrise, statt als Krise an den Aktienmärkten.

    Natürlich sind die vorhergegangenen Krisen kein Geheimnis. Die Anleger davon und auf einer bestimmten Ebene ist ihnen bewusst, dass der Bär eines Tages wieder an den Märkten umherstreifen wird. Doch die Geschichte zu kennen ist nicht das Gleiche, wie sie erlebt zu haben. Wenn die Kurse ihr Maximum überschreiten, werden neue Investoren die entsprechenden Anzeichen vielleicht nicht so gut erkennen wie Marktteilnehmer, die diese Zeichen schon früher beobachtet haben und womöglich dafür bestraft wurden, dass sie sie ignorierten.


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