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Inflation - Wo bist Du?

10.07.2017  |  Klaus Singer
Die Zahl der US-Arbeitsplätze ist im Juni deutlich stärker gestiegen als erwartet. Zugleich wird die Entwicklung für den Vormonat aufwärts revidiert. Die durchschnittlichen Löhne und Gehälter steigen nur mäßig. Das übergeordnete Bild ist unverändert, mit einem Plus von +1,55% gegenüber dem Vorjahr steigt die Zahl der Jobs (non-farm) zwar moderat an, bleibt aber deutlich unter dem jüngsten Maximum von 2,3% im Februar 2015.

Dieses Maximum entspricht ziemlich genau auch dem Maximum vor der Finanzkrise aus März 2006. Das wiederum liegt deutlich unter dem Maximum der 1990er Jahre, als im Februar 1995 ein jährlicher Zuwachs der Arbeitsplätze von 3,5% erreicht wurde (siehe kleiner Chart im unteren Bilddteil). Auch das mag als Beleg für eine langfristige Abschwächung der wirtschaftlichen Dynamik gelten. Seit dem zweitem Quartal 2016 entwickelt sich der Job-Aufbau zudem nicht mehr beschleunigt, sondern läuft nur noch im übergeordneten Trend mit (siehe Chart - rote Kurve im oberen Chartteil).

Das Produkt aus Zahl der Arbeitsplätze und geleisteten Wochenstunden liefert einen Hinweis auf die reale Menge produzierter Güter. Nimmt man die Löhne mit hinzu, ergibt sich ein Hinweis auf die Entwicklung ihres Wertes und damit auf das nominale BIP. Wie der folgende Chart zeigt, kann das Produkt dieser Aggregate ein „Gefühl“ für die Entwicklung der Bruttosozialprodukte vermitteln. Demnach sieht es so aus, als würde sich das reale BIP im abgelaufenen Quartal wieder stärker entwickeln als im ersten Quartal (endgültig 1,4%, annualisiert, "compounded"), womöglich bis über 2% Zuwachs gegenüber dem Vorjahr.

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Chartquelle: https://fred.stlouisfed.org/graph/?g=ejQL#0


Die Akteure an den Finanzmärkten haben die Entwicklung der Arbeitsplätze am zurückliegenden Freitag goutiert, zuletzt geschundene Aktien-Sektoren wurden zurückgekauft, wie etwa Technologie. Halbleiter zeigen schon seit einigen Tagen Stärke. Finanzwerte profitieren von einer steileren Zinsstruktur. Ein weiterer Zinsschritt der Fed wird auf der FOMC-Sitzung am 26. Juli nicht erwartet. Erst für das Meeting im Dezember liegt die implizite Wahrscheinlichkeit nach Fed-Funds-Futures für eine weitere Anhebung des Leitzinses wieder bei über 50%.


Der ISM-Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe stieg im Juni

überraschend deutlich um 2,9 auf 57,8 Punkte. Der Sub-Index für Beschäftigung zog deutlich an, der für die Preise gab um 3,8 auf 55 nach, der der Auftragseingänge stieg von 59,5 auf 63,5. Auch der Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor legte um 0,5 auf 57,4 Zähler zu. Damit scheint die Stimmung besser als die aktuelle Lage, der Verlauf des Auftragseingangs legt jedoch künftig weiter verbesserte Geschäfte nahe. Allerdings zeigen auch die jüngsten ISM-Zahlen, dass die Akteure an den Finanzmärkten aktuell vergeblich auf die zweite Runde bei der Inflation warten.

Die Sitzungsprotokolle der Zentralbanken gaben zuletzt Anlass für Bewegung an den Märkten. Einerseits zeigten sich die Mitlieder des FOMC der Fed entschlossen, den über 4 Bio. Dollar großen Berg an nach der Finanzkrise angehäuften Wertpapieren bald schrittweise abzuschmelzen. Andererseits sind sie sich offenbar weiterhin nicht einig über den Inflationsausblick und wie darauf zu reagieren sei. Auch unterschiedliche Auffassungen in der Frage, wann mit der Verkürzung der aufgeblähten Bilanz begonnen werden soll, verunsichert.

Das am 27. Juni veröffentlichte Protokoll des jüngsten EZB-Ratstreffens wiederum hat bestätigt, dass die Geldpolitik an die breiter gewordene Konjunkturerholung in der Eurozone sukzessiv angepasst werden soll, wobei der Inflationsdruck und damit ein Handlungsdruck wegen der mäßigen bis schwachen Entwicklung der Ölpreise zunächst gering bleibt. Daher wird nun davon ausgegangen, dass die EZB ab 2018 weniger umfangreiche Wertpapierkäufe tätigen wird. Am Rentenmarkt reagierten die Bundrenditen mit einem Schub auf gut 0,55%, das ist der höchste Stand seit Anfang 2016. Die US-Renditen (10yr TNote) sind seit dem 26. Juni um 12% auf jetzt 2,393% angestiegen. Seitdem hat sich auch die Zinsstruktur in den USA wieder versteilert.

Lediglich die BoJ lässt keine Änderung ihrer geldpolitischen Linie erkennen. Im Gegenteil, sie hat kürzlich wieder eingekauft, als die Rendite der zehnjährigen Staatsanleihen in Japan über die Grenze von 0,1% zu steigen drohte. Das schwächt den Yen - was kann es Schöneres geben…

Euro/Dollar profitierte von diesen Nachrichten. Das Währungspaar stieg über den Pegel von 1,1280 und notiert aktuell bei rund 1,14. Da die EZB in den zurückliegenden Jahren massiv zur globalen Kreditflut beigetragen hat, bedeutet ein festerer Euro auch eine Verschlechterung der Kreditkonditionen. Immerhin notierte Euro/Dollar zum Jahreswechsel noch bei rund 1,04, Carry-Trade-Effekte wirken sich aus.

Schlechtere Kreditbedingungen sollten sich insbesondere bei der Kursentwicklung besonders riskanter Assets niederschlagen. Das dürfte ein Grund für die zuletzt etwas schwächere Kursentwicklung bei Aktien und bei High-Yield-Anleihen sein.

Gold ist der Verlierer der jüngsten Entwicklung. Zwar stützt ein schwächerer Dollar den Goldpreis üblicherweise, aber aktuell scheinen die steigenden Zinsen einen größeren Einfluss zu haben. Mag sein, dass auch der Macron-Sieg nachwirkt, mit dem die Hoffnung verbunden ist, dass die Euro-Krise weiter zurückgedrängt wird.

Rohstoffe (CRB-Index) konnten sich seit dem 26.Juni um 2,4% verbessern. Bei den Basismetallen dürfte temporäre Knappheit weiterhin preisstützend wirken. Eine neuntägige Rally bei den Ölpreisen endete am 3. Juli. Seitdem hat der Preis für Oil Brent deutlich korrigiert, liegt aber mit rund 46,50 noch klar über dem wichtigen Pegel bei 43. Mag sein, dass nun nochmals das zuletzt markierte Tief bei rund 45 getestet wird. Übergeordnet gehe ich von anziehenden Notierungen aus, Ziel düften die jüngsten Hochs aus dem ersten Quartal bei 56 sein, wobei der Angebotsüberhang aus hochgefahrener Frackingproduktion in den USA anhaltende Höhenflüge weiterhin eher bremsen dürfte.

Die Ölpreise haben einen wesentlichen Einfluss auf die Produktions- und Lebenhaltungskosten und damit auch auf das Preisniveau der Güter auf den Endmärkten. Gedrückte Ölpreise bedeuten gedrückte Inflation. Auch das dürfte die jüngste Schwäche bei den Aktienkursen beeinflusst haben. Denn zunehmende Inflation wird aktuell wahrgenommen als Anzeichen einer dynamischeren Wirtschaftsentwicklung mit verbesserten Aussichten für die Entwicklung von Asset-Preisen, insbesondere bei Aktien.

Tom McClellan weist auf einen (lockeren) Zusammenhang zwischen der Arbeitslosenquote und der um zwei Jahre in die Zukunft verschobenen Inflationsentwicklung hin. Die Arbeitslosenquote in den USA hat im Juni zum ersten Mal seit längerer Zeit zugenommen. Gleichzeitig zeigte die Inflation zwischen Januar und September 2015 ein ausgeprägtes Tief. Sollte die Arbeitslosenquote nun weiter ansteigen von einem Tief wie es zuletzt 2007 erreicht wurde, so ergibt sich aus dieser Konstellation (nach Vergangenheit) die Möglichkeit eines weiteren Anstiegs beider Zeitreihen. Wie gesagt, der Zusammenhang ist locker, aber immerhin beachtenswert - zarte Hoffnung für "Inflationäre".


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