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USA: Wie steht es um die Wirtschaft?

03.09.2017  |  Klaus Singer
Die Zahl der US-Arbeitsplätze stieg im August weniger als erwartet, der Wert für den Vormonat wurde nach unten revidiert. Im Jahresvergleich legt die Zahl der Jobs um 1,5% zu. Die Löhne steigen ebenfalls weniger als erwartet. Nach +0,3% Jahresrate im Juli werden im August nur +0,1% erreicht, es waren +0,2% erwartet worden.

Die jüngste Entwicklung im US-Arbeitsmarkt ist kein Beinbruch, zumal der Sommermonat August häufig ein wenig aus der Reihe tanzt. Andere Indikatoren zeigen ein recht stabiles Bild der US-Konjunktur. So ist der ISM-Index für den Fertigungssektor im August stärker gestiegen als erwartet, auch die Stimmung der Verbraucher ist stabil gut.

Das US-BIP ist in der zweiten Schätzung um annualisiert 3% angestiegen, die Verbraucherausgaben tragen 2,27% zum BIP-Wachstum bei. Die Investitionen kommen auf einen Beitrag von 0,58%; das ist weniger als die 1,27% im ersten Quartal, aber immer noch mehr als bis zum dritten Quartal 2015 zurück, als die Investitionstätigkeit durchzuhängen begann (siehe hier!).

Alles zusammengenommen bleibt das Bild der US-Konjunktur wenig verändert - moderates Wachstum mit geringem inflationären Auftrieb. Der Tropensturm Harvey dürfte mit seinen Verwüstungen über den Tag hinaus für gewisse Wachstumsimpulse sorgen. Aber dauerhaft große Wachstumssprünge sind nicht zu erwarten. Das hat auch damit zu tun, dass die gegenwärtige wirtschaftliche Erholung mit 8,1 Jahren im Vergleich zum Durchschnitt von 5,7 Jahren schon lange anhält. Da auch Aktien eine Überbewertung je nach Meßmethode zwischen 85% und 100% zeigen (siehe hier!), ist das wirtschaftliche Gefüge eher fragil, d.h. anfällig gegen widrige endogene, aber v.a. auch exogene Einflüsse.

Der Echtzeit-Forecast für das nominale BIP, das Produkt aus Arbeitsplätzen, Wochenstunden und Stundenlohn, zeigt eine flache Entwicklung.

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Chartquelle: https://fred.stlouisfed.org/graph/?g=eWft


Die Lohnentwicklung zeigt wenig Tendenz für eine stärkere Inflation - das ist vielleicht die wichtigste Botschaft der US-Arbeitsmarktzahlen für August. Nicht wenige Akteure an den Finanzmärkten nahmen sie zum Anlass für die Erwartung, es werde selbst im Dezember keinen weiteren Zinnschritt der Feed geben. Nach FF-Futures liegt die implizite Wahrscheinlichkeit hierfür jetzt bei 39,5%, am Vortag kam der Wert noch auf 42% .

Der schedische Ökonom Knut Wicksell hat sich vor über 100 Jahren mit dem Zustandekommen von Inflation befasst und argumentiert mit zwei wichtigen Zinsreihen. Die erste ist der Marktzins, hierfür wird heute häufig die Rendite von Baa-gerateten Bonds genommen. Die zweite ist der reale oder auch natürliche Zins, hierfür wird in der Regel das jährliche nominale BIP-Wachstum genommen. Liegt der Marktzins deutlich unter dem realen Zins, ermuntert das Unternehmen normalerweise, sich neu zu verschulden. Umgekehrt führt ein Marktzins deutlich über dem realen Zins, gehen die neuen Kredite zurück.

In der Praxis, so Niels C. Jensen in seinem lesenswerten Newsletter, hat sich gezeigt, dass sich die Wirtschaft in einigermaßen guter Balance befindet, wenn die Differenz zwischen der Rendite von Baa-gerateten Bonds und dem nominalen BIP-Wachstum bei etwa zwei Prozent liegt - daher die entsprechenden Inflationsziele der großen Zentralbanken (oder auch andersherum…). Liegt die Differenz über dieser Schwelle, dämpft das die Bereitschaft zur Aufnahme neuer Kredite. Je weiter sie darunter liegt, je eher sind Banken bereit, neue Darlehen auszureichen.

Die Vergabe neuer Kredite führt kurz- und mittelfristig zur einer wirtschaftlichen Belebung. Kurz-bis mittelfristig werden dadurch auch die Preise von Konsumgütern und Vermögensgegenständen angetrieben - es kommt zu einem inflationären Impuls.

Je mehr die Differenz der beiden Zinsreihen unter zwei Prozent liegt, je mehr Kapital wird jedoch auch fehlalloziert. Als Indikator hierfür können die Immobilienpreise dienen. Hier ist Australien Paradebeispiel, aber in Europa fliegen die Immobilienpreise in Großbritannien und Norwegen ebenfalls besonders hoch.

Diese Fehlallokation in Sektoren mit geringer Produktivität legt aber langfristig den Keim für eine neue Krise. Auch viele Regierungsprojekte erweisen sich als ökonomisch wenig sinnvoll - hierzu kann man getrost die Rettung maroder Banken rechnen, aber das ist ein anderes Thema.

Je länger die Situation anhält, in der die Differenz der beiden Zinsreihen deutlich unter zwei Prozent liegt, je höher ist Wahrscheinlichkeit, dass die Zentralbanken mit einem Gegensteuern zu spät dran sind und die Konjunktur dann schon mit kleinen Zinsbewegungen abwürgen können. Die Fed hätte meiner Meinung schon vor vier, fünf Jahren anfangen müssen, mit einem neuen Zinszyklus gegenzusteuern.

Zudem ist auch Kapital eine endliche Ressource - je mehr davon in wenig oder unproduktive Verwendung geht, je langsamer entwickelt sich die Produktivität der gesamten Volkswirtschaft. Das wiederum ist v.a. angesichts des erreichten hohen Verschuldungsgrades und der zunehmenden Überalterung der westlichen Gesellschaften brandgefährlich.


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