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USA: Wie steht es um die Wirtschaft?

03.09.2017  |  Klaus Singer
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Ich habe versucht, die Zusammenhänge anhand der Verhältnisse in den USA darzustellen. Die Differenz der beiden Wicksellschen Zinsreihen liegt aktuell für die USA mit 0,67% deutlich unter der zwei-Prozent-Marke, in Australien werden sogar -1,8% erreicht (nicht zufällig sind hier die Immobilienpreise “astronomisch”). Das Wachstum des Verhältnisses zwischen der Verschuldung des gesamten nicht-Finanz-Bereichs und dem nominalen BIP stagniert aktuell gegenüber dem Vorjahr, nachdem es im dritten Quartal 2016 um fast 3% angestiegen war.

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Chartquelle: https://fred.stlouisfed.org/graph/?g=eVPU


Es ist gut zu erkennen, wie die Veränderung der Schuldenquote des nicht-Finanz-Bereichs (rot) bis in die späten 1970er Jahre um die Nulllinie oszillierte und in ihren Bewegungen auch recht gut synchron ging mit der Differenz der beiden Zinsreihen (blau). In dieser Zeit waren die beiden Zeitreihen eng korreliert. Nach 1980 hat das Wachstum der Schuldenquote seinen stationären Pfad zeitweilig verlassen mit Spitzen von jeweils um die acht Prozent in 1985, 1986 und 2009. 2004 zeigte mit 6% ebenfalls einen hohen Wert. Auch in Q3/2016 wurden fast drei Prozent erreicht. Die Korrelation zwischen den beiden Zeitreihen war nach 1980 nur phasenweise gut, was nahelegt, dass die Kreditaufnahme dann (auch) von anderen Faktoren als der Differenz der beiden Wicksell-Raten beeinflusst wurde.

Jedesmal wenn nach 1980 die Differenz der beiden Wicksell-Raten über zwei Prozent (grüne Linie) stieg kam es zu einer Rezession (Ausnahme 1984). Vor 1980 war in dieser Hinsicht eher eine Schwelle zwischen -3 und -1,5% relevant. (Auch das wieder ein Beleg dafür, dass mit den frühen 1980er Jahren eine andere Zeit angebrochen ist.) 1984 lag die nicht-Finanz-Schuldenquote zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg bei über 100%, aktuell kommt sie auf über 250%.

Nach der Wicksellschen Zinsdifferenz ist die Gefahr einer unmittelbar heraufziehenden Rezession gering. Die Tatsache jedoch, dass in dem recht günstigen Zinsumfeld das Wachstum der Schuldenquote so gering ausfällt, wirft ein Schlaglicht auf die anemischen wirtschaftlichen Aktivitäten. Offenbar sehen viele Akteure keine gute Zeit für nennenswerte Neukredite. Mag sein, dass die bestehende Schuldenlast drückt, mag sein, dass die Aussichten in die Zukunft als zu unsicher erachtet werden. Das mag wieder zurückführen zum Artikel der Vorwoche “Immer mehr Zweifel an Trump“.

Wicksell hatte schon vor 100 Jahren herausgestellt: Wenn das nominale BIP-Wachstum, bzw. der reale Zins strukturell niedrig ist und die Zentralbanken darauf mit Senkungen der Leitzinsen reagiert haben, die Differenz zwischen beiden also abgenommen hat, kann ein Überangebot von Geld relativ zur Nachfrage letztlich zu Deflation führen. Das geschieht dann, wenn die die Kapitalkosten im Vergleich zum BIP-Wachstum so hoch sind, dass die Übernahme weiterer Risiken durch neue Kredite als nicht lohnend angesehen wird. In dieser Situation befinden wir uns derzeit. Das erklärt auch den gegenwärtig geringen Inflationsdruck.

Zum Zusammenhang von Inflation (CPI, all items) und Kredittätigkeit (hier Anstieg des privaten Verschuldungsgrades) lässt sich nach der Rezession 2008-2010 folgendes sagen: Im Herbst 2011 bis weit in 2012 hinein gab es einen ersten Inflationsimpuls, dann nochmals einen im zweiten Halbjahr 2014 und schließlich einen dritten zwischen Herbst 2016 und Anfang 2017. Der erste Inflationsimpuls dürfte seine Ursache im Anstieg der Verschuldung in 2009 gehabt haben, der zweite geht auf den Anstieg der Schuldenquote im Herbst 2012 zurück, der dritte steht in Zusammenhang mit dem Anstieg der Verschuldung im ersten Halbjahr 2016.

Ganz grob würde ich abschätzen, dass der Zeitverzug zwischen einer Zunahme der Schuldenquote und ihrer Auswirkung auf die Inflation zwischen einem und zweieinhalb Jahren liegt. Ich würde weiter darauf wetten, dass wir in diesem Herbst noch eine erneute, vorrübergehende Belebung der Inflation sehen werden, was bullischen Optimismus zunächst stützen dürfte.

Unterdessen ist der S&P 500 in den Bereich seiner Rekordhochs aus Ende Juli, bzw. Anfang August vorgestoßen. Die Volumenverteilung ist vor wenigen Tagen auf Akkumulation umgesprungen, per se ein bullisches Zeichen. Der VIX notiert zwar bereits wieder nahe zehn, allerdings ist seine Volatilität recht hoch, so dass nicht von ‚complacency’, Selbstzufriedenheit, Sorglosigkeit gesprochen werden kann. Die innere, technische Disposition im S&P 500 legt aus meiner Sicht nahe, dass es zumindest -anders als vor fünf Wochen- ernsthafte Versuche geben dürfte, nach oben auszubrechen.

Am morgigen Montag, dem 4. September, ist in den USA "Labor Day". Der Feiertag markiert an den Finanzmärkten auch das Ende der Sommerpause. Nicht eben selten ändert sich damit auch das Klima an den Finanzmärkten. In jedem Fall gehört der September, wie auch Teile des Oktober, zu den volatilen Börsenperioden, in denen es gehäuft (deutliche) Verluste gibt. Viel hängt davon ab, wie die Auseinandersetzung um den Schuldendeckel in den USA vorangeht, übergeordnet wichtiger ist die Frage, wann und wie die Steuereform dort kommt, eines von Trumps großen Vorhaben. Je länger sie auf sich warten lässt, je größere Wunder scheinen ihr zugeschrieben zu werden.


Fazit:

Mit dem morgigen ‘Labor Day’ endet die Sommerpause an den Finanzmärkten. Nicht eben selten ändert sich damit auch deren Klima. Die Periode bis in den Oktober hinein gilt saisonal als besonders volatil. Es lauern geopolitische Risiken (Nord-Korea), auch die Auseinandersetzung um die Anhebung der Schuldenobergrenze in den USA ist für Querschläge gut. Über den Tag hinaus ist besonders wichtig, wie es mit der Steuerreform in den USA, eines von Trumps zentralen Vorhaben weitergeht.


Erwähnte Charts, weiterführende Verweise und Quellenangaben können hier eingesehen werden.


© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de



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