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Die Ruhe vor dem Sturm

23.10.2017  |  Peter Schiff
Aus Anlass des 30-jährigen Jubiläums des als "Schwarzer Montag" bekannt gewordenen Börsencrashs von 1987, bei dem der Dow Jones innerhalb eines einzigen Handelstages um mehr als 20% einbrach, möchten wir daran erinnern, dass die Besorgnis der Investoren normalerweise immer dann zunimmt, wenn die Märkte ein Extrem erreichen. Stürzen die Aktienkurse steil nach unten, beklagen die Anleger ihre Verluste, steigen sie dagegen zu schnell zu hoch, fürchten die Marktteilnehmer eine plötzliche Umkehr des Trends. Gier und Angst dienen als Gegengewichte im Marktgeschehen.

Doch von Zeit zu Zeit versagt diese Balance und die Investoren werden immer selbstzufriedener und entspannter, während die Aktien immer teurer werden. Die Geschichte hat uns gezeigt, dass auf derartige Phasen unbeschwerter Zuversicht oft ernste Marktkorrekturen folgen. Die aktuelle Datenlage deutet darauf hin, dass wir uns derzeit in einer solchen Phase befinden. Was wir momentan erleben, könnte, wie Präsident Trump sagt, "die Ruhe vor dem Sturm" sein.

Die beste Maßzahl für die Bewertung von Aktien ist in den Augen vieler Marktanalysten das konjunkturbereinigte Kurs-Gewinn-Verhältnis, besser bekannt als Shiller-KGV (nach dem Yale-Professor Robert Shiller). Dieses wird berechnet, indem man den aktuellen Preis einer Aktie oder eines Index durch die inflationsbereinigten, durchschnittlichen Gewinne der letzten zehn Jahre teilt. Seit 1990 lag das Shiller-KGV des US-Aktienindex S&P 500 im Schnitt bei 25,6. Gegen Ende der 1990er Jahre, auf dem Höhepunkt der Dotcom-Ära, als alle Welt der Ansicht war, dass "die Gewinne keine Rolle spielen", schäumte das Shiller-KGV förmlich über und stieg bis auf 44,2.

Nach dem Platzen der Blase und dem Crash der Technologieaktien halbierte es sich und sank bis März 2003 auf 21,3. In den nächsten fünf Jahren bewegte sich das Shiller-KGV im Bereich historischer Durchschnitte und fiel während der Finanzkrise 2008-2009 schließlich auf 13,3. Seitdem ist es kontinuierlich angestiegen und erreichte 2015 Werte deutlich über 20. Im Juli dieses Jahres kletterte es zum ersten Mal seit März 2002 auf über 30 und ist seitdem auf diesem Niveau geblieben. Im Vergleich zu anderen entwickelten Märkten rund um den Globus ist es damit ziemlich hoch.

Doch im Gegensatz zu früheren Boomphasen an den Aktienmärkten basierte der außergewöhnliche Aufwärtstrend des Shiller-KGV in den letzten acht Jahren nicht auf wirtschaftlicher Stärke. Der Anstieg des Verhältnisses zwischen 1996 und 1999 fiel in eine Zeit, in der sich das BIP im Durchschnitt um 4,6% erhöhte, und auch 2003-2007 wurde ein Wachstum von 2,96% verzeichnet. Zwischen 2010 und 2017 wuchs die US-Wirtschaft offiziellen Angaben zufolge jedoch nur um durchschnittlich 2,1%. Für manche Beobachter wird daran deutlich, dass mittlerweile nicht mehr das Wirtschaftswachstum der hauptsächliche Antriebsfaktor der Aktienmärkte ist, sondern vielmehr die US-Notenbank Fed.

Investoren messen die Angst an den Märkten normalerweise mit Hilfe des Volatilitätsindex VIX, auch bekannt als "Angstbarometer". Dieser von der Chicago Board Options Exchange berechnete Index verwendet das Verhältnis von Kauf- und Verkaufsoptionen, um zu bestimmen, wir stark die Kursschwankungen sind, die die Marktakteure in den kommenden 30 Tagen erwarten. Ein Wert über 30 deutet dabei auf große Besorgnis hin, während ein Wert von unter 20 zeigt, dass die Investoren kaum Grund zur Beunruhigung sehen.

Seit 1990 lag der VIX im Durchschnitt bei 19,5. Meistens stieg und fiel er im Einklang mit dem Shiller-KGV. Plötzliche Spitzen wurden vorwiegend in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit verzeichnet, z. B. während Rezessionen. Die Wirtschaftskrise von 2008 katapultierte den VIX im Oktober jenen Jahres beispielsweise auf ein Allzeithoch von 59,9. Die Anleihekäufe, mit denen die Federal Reserve im März 2009 im Rahmen ihres Programms zur quantitativen Lockerung begann, haben diese fundamentale Beziehung aber möglicherweise zerstört.

Vor und unmittelbar nach der Krise war die Ansicht, dass Aktieninvestments Risiken bergen, noch weit verbreitet. Man erinnerte sich noch gut an die 1970er und 1980er Jahre, in denen die Kurse stagnierten, und an die Crashs von 1987, 2000 und 2008. Die Existenz des Greenspan/Bernanke/Yellen-Put, d. h. die Annahme, dass die Fed den Fall der Aktienkurse im Ernstfall aufhalten würde, hat jedoch dazu geführt, dass an der Wall Street viele ihre Ängste abgelegt haben. In den letzten Jahren hat die US-Notenbank immer wieder demonstriert, dass sie bereit ist, ihre neuen geldpolitischen Instrumente auf ungewöhnliche Weise einzusetzen.

Viele Ökonomen hatten damit gerechnet, dass die Fed ihre Anleihekäufe beenden würde, sobald der schlimmste Teil der Wirtschaftskrise überstanden war. Aber das QE-Programm lief bis 2015 auf Hochtouren, obwohl sich die Wirtschaft allem Anschein nach schon längst wieder erholt hatte. Die Notenbanker zitierten ein ums andere Mal die unsicheren finanziellen Rahmenbedingungen als Grund für die Fortführung der Maßnahmen, obwohl die Arbeitslosenzahl sank und die Aktienkurse zum Höhenflug ansetzten.

Anfang 2016 stellte die Federal Reserve ihren Mutterinstinkt erneut unter Beweis, als der Aktienmarkt in den ersten beiden Januarwochen überraschend um 8% einbrach und damit den schlechtesten Start in ein neues Jahr in der Geschichte der Wall Street hinlegte. Das veranlasste die Fed dazu, ihre sorgfältig zurechtgelegten Pläne für mehrere Zinserhöhungen im Laufe des Jahres 2016 zu verwerfen. Die Investoren interpretierten dies offenbar als Hinweis, dass die Notenbank weiterhin ein Sicherheitsnetz unter den Märkten spannt, und der VIX ist seitdem kontinuierlich gefallen. Im September dieses Jahres sank er auf einen Wert von weniger als 10.


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