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Wo ist das Fell der Schafe? (Teil 1/2)

04.10.2003  |  Jim Puplava
- Seite 3 -
Obwohl die Dupont-Methode heutzutage viel an Popularität gewinnen konnte, um sich die Unternehmens-Rentabilität genauer anschauen zu können, bevorzuge ich lieber die "Erweiterte Dupont-Methode" ("Advanced Dupont Method"), welche die Performance des operativen Geschäfts noch deutlicher darstellt. Diese Methode isoliert die Auswirkungen von operativen und finanztechnischen Entscheidungen, um dem Investor ein besseres Verständnis davon zu geben, was auf der operativen Seite des Unternehmens so vor sich geht. Die Formel kann wie folgt auf einen Nenner gebracht werden:

ROE = RNOA + Gesamt-Fremdfinanzierung (Leverage) x Spread


Nach dieser Analysemethode kann die Rendite des operativ eingesetzten Kapitals (RNOA - Return on Operating Assets) - das Hauptgeschäftsfeld eines Unternehmens - von seinen finanziellen Netto-Verpflichtungen aus den Verbindlichkeiten und den bevorzugten Beständen ("preferred stocks") getrennt betrachtet werden. Desweiteren kann sich ein Investor die Netto-Kosten der Geldaufnahme (NBC - Net Borrowing Costs) zu Gemüte führen, um herauszufinden, ob das Unternehmen genug aus dem operativen Geschäft verdient, um seine Schuldverpflichtungen befriedigen zu können. Das Ausmaß, um welches die Eigenkapitalrendite ROE die Rendite des operativ verwendeten Kapitals (RNOA) übersteigt, ist einerseits von dem "Spread" (Spannweite/Differenz) zwischen dem RNOA und der NBC abhängig, andererseits aber auch von der Höhe der Fremdkapitalaufnahme ("amount of leverage"), welches das Unternehmen nutzt.

Die Vorteile dieses Ansatzes, der die Eigenkapitalrendite zerlegt, sind, dass die operativen Netto-Margen, welche das Unternehmen am Laufen halten, nicht wie beim klassischen Dupont-Modell mit Zinsaufwand oder bevorzugten Dividenden ("preferred dividends") verwässert werden.

Darüber hinaus sind die Auswirkungen der operativen Verbindlichkeiten bei beiden Ansätzen von Grund auf verschieden.


Investoren zahlen drauf

Wie Tabelle 4 nahelegt, brach die Rendite des operativ eingesetzten Kapitals (RNOA) in den letzten Jahren dramatisch ein. Im Falle von Motorola und Texas Instruments decken die operativ erzielten Erträge nicht mal die Netto-Kosten der Geldaufnahme (NBC). Darüberhinaus zahlen Investoren für diese Unternehmen drauf, wie in Tabelle 5 bei den Kurs-Gewinn-Verhältnissen (KGV), den Zuwachsraten des KGV (ZKGV) und den Kurs-Ertrags-Verhältnissen (KEV) ablesbar ist.

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Tabelle 4: Rendite des operativ eingesetzten Kapitals (RNOA) (in Prozent) 1999-2003


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Tabelle 5: Eigenkapitalrenditen (ROE) Vergleich (in Prozent)
Nachhaltiges Wachstum ROE = (1 - Gewinnausschüttung) 1998 & 2003
(Erklärung: P/E = Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV), PEG = Zuwachsrate des KGV (ZKGV), P/S = Kurs-Ertrags-Verhältnis (KEV))


Die nächste Tabelle ermöglicht einen nach Quartalen heruntergebrochenen Vergleich der Jahre 2002 und 2003 in Hinsicht auf erzielte Erträge, welche sich zum Vorjahr verbessern konnten - jedoch nicht sehr viel. Gewiss auch nicht so viel, wie die Pro-Forma-Zahlen nahelegen, die breite Verwendung in Presseveröffentlichungen gefunden haben und zunehmend auch im Kabelfernsehen genannt werden. Wenn man die besten Quartalserträge dieses Jahres in die Zukunft extrapoliert, dann verkauft sich Applied Materials für 108 mal ihren Erträgen, Intel kostet 31 mal soviel wie ihre Erträge ausweisen, 50 mal soviel kostet Linear Technology, Motorola notiert derzeit bei einem Multiplikator von 55, und Texas Instruments bei einem Faktor von 71.

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Tabelle 6: Ertrags-Vergleich nach Quartalen 2002 & 2003


Hohe Rentabilität hält nicht

Nach den Untersuchungen des SOX-Indexes ist es offensichtlich, dass die Technologie-Industrie eine zyklische Industrie ist, genau wie die Automobil-Industrie oder jedwede andere industrielle Branche, die von der Gesundheit der Wirtschaft abhängig ist. Daneben ist transparent geworden, dass die Technologie-Industrie eine gesättigte Industrie ist, die der Obsoleszenz, dem Wettbewerb, und den geringeren Einnahmen unterworfen ist - genau wie es bei allen anderen Industrien auch der Fall ist. Hoch rentable Industrien tendieren aufgrund von Wettbewerb dazu, im Laufe der Zeit wieder zum Durchschnitt zurückzukehren. Der Grund, dass Industrien, die einen hohen ROE aufweisen, im Zeitablauf mit ansehen müssen, dass ihre Einnahmen zunehmend wegschmelzen, ist, dass der Wettbewerb zu einem Entzerrer/Gleichmacher ("Equalizer") wird. Wenn sich ein Unternehmen einer hohen Eigenkapitalrendite erfreuen kann, dann zieht dies gleichzeitig die Aufmerksamkeit anderer Unternehmen an, welche fortan in dieselbe Branche ziehen. Die bereits existierenden und fest verwurzelten Firmen unterbieten die Produktpreise der neuen Firmen. Da alle Unternehmen branchenweit auf diese drohenden Wettbewerber mit eigenen Preiskürzungen reagieren, schwindet die Rentabilität, welche die Eigenkapitalrendite für die ganze Industrie nach unten korrigiert.

Genau dies geschieht momentan im Technologiemarkt. Doch im Gegensatz zu anderen Industrien, haben sich die Aktienpreise nicht den neuen Realitäten innerhalb der Industrie nach unten angepasst. Stattdessen bieten institutionelle Investoren und Momentum-Trader die Aktien dieser Unternehmen in die Höhe, ohne an eine sinnvolle Branchen-Due Diligence zu denken. Sie verhalten sich wie einst 1991, als wenn ein weiterer Technologie-Boom bereits unter uns wäre - aber in Wirklichkeit gibt es gar keinen. Die Stellung von Microsoft, monopolistische Betriebssysteme anzubieten, gerät durch Linux-Attacken mehr und mehr ins Wanken. Die Markführung von Intel in der MicroChip-Technologie wird vehement von AMD attackiert, dessen 64-Bit Hammer-Chip dem Pentium-"Dynastie"-Chip von Intel weit überlegen ist.

Es ist nicht nur, dass Intel und Microsoft mehr und mehr hartem Konkurrenzkampf ausgesetzt sind. Die Geschäftsmodelle beider Unternehmen überreifen bzw. sättigen sich selbst. Weder Microsoft noch Intel ist dazu imstande, ihr Hauptgeschäftsfeld mit weiterhin mehr als 40% durchschnittlich wachsen zu lassen. Wenn man allerdings deren heutige Marktpreise anschaut, verkaufen sie sich noch immer bei Ertrags-Multiplikatoren, die einst zu Beginn des Technologie-Booms zu verzeichnen waren. Es ist eine deutliche Abkoppelung zwischen den aktuellen Marktbewertungen für Technologie-Aktien und den zugrundeliegenden Fundamentaldaten der Industrie erkennbar. In den letzten drei Jahren hat sich das Absatzwachstum von Applied Materials nicht vom Fleck gerührt. Das Eigenkapital ("stockholders equity") von Intel ist seit den letzten drei Jahren flau, da das Unternehmen die erzielten Gewinne dazu benutzte, um eigene Aktien zurückzukaufen, um eine Verwässerung des Aktienkapitals durch Optionen zu verhindern. Die Bilanzen von Motorola sind schwer am bluten; während sich das Eigenkapital von Texas Instruments auf gleichem Niveau wie vor vier Jahren befindet. Und dennoch, es ist genau so wie es inmitten einer Blase sein sollte. Das ist genau der Punkt, an dem wir heute stehen. Das ist nichts weiter als eine flächendeckende Wiederholung der 1999er Manie. Wie dem auch sei, die heutigen Investoren - insbesondere Institutionen, die treuhänderisch das Geld anderer Leute verwalten und der Fürsorge verpflichtet sind - sollten es eigentlich besser wissen.


Die Blase bläht auch in der Internet-Branche

Wenn die Dinge schon in der Halbleiter-Industrie aus dem Gleichgewicht geraten sind, dann sind sie in der Internet-Branche noch viel mehr. Ein Blick auf Amazon.com und die Einzelhandelsbranche ist ein Paradebeispiel für die vorherrschende Absurdität. Amazon steht dieses Jahr mit 215% im Plus. Ein durchleuchtender Blick auf Amazon und deren naheliegendsten Wettbewerber ist ziemlich aufschlußreich. Die folgende Tabelle verdeutlicht diese Absurdität und zeigt wie lächerlich sich Investoren erneut verhalten.

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Tabelle 7: Absatz- & Netto Einkommensvergleich (in Millionen USD) 1998 bis 2003
(Erklärung: Sales = Absatz, Net Income = Netto Einkommen)


Amazon verliert weiterhin Geld; während seine Mitstreiter Gewinne erwirtschaften. Kann ein intelligenter Investor das Amazon-Franchise 12-15 mal so hoch bewerten wie seine nächste Konkurrenz? Es schwappt noch mehr ins absurde über, wenn man Amazon mit anderen "Ziegel- und Mörtel-Einzelhändlern" ("brick and mortar retailers") vergleicht. Costco setzte 42 Milliarden $ ab und erzielte einen Gewinn in Höhe von 721 Millionen $. Trotzdem zählt deren Marktkapitalisierung 8 Milliarden $ weniger als die von Amazon. Andere Handelsunternehmen mit weit größeren Absatzzahlen, besseren operativen Margen und Kapitalrenditen sind mit noch niedrigeren Marktkapitalisierungen bewertet. Ziehen Sie Compare Federated, May Company und Sears für einen Vergleich heran. Kann ein Unternehmen, das keinen Gewinn erwirtschaftet, wirklich 5-14 mal so wertvoll wie seine [profitable] Wettbewerber sein?

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Tabelle 8: Einzelhändlervergleich
(Erklärung: Market Cap = Markt-Kapitalisierung, Annual Sales = Jahres Absatz, Annual Profits = Jahres Gewinn,
Operating Margin = Operative Marge, Return on Capital = Kapital-Rendite, Recent P/E = aktuelles KGV)


Wohin man auch schaut - sei es der SOX-Index, die Internet-Branche oder der Nasdaq - ist ersichtlich, dass die Blase zurück ist ("the bubble is back"). Investoren begehen die gleichen Kardinalfehler wie jüngst 1999-2000. Die Medien trichtern uns ein, dass sie dieses mal smarter seien und ihre Lektionen aus der Geschichte gelernt hätten. Ach wirklich!? Was dieses mal passiert, ist meiner Meinung nach, dass sich Institutionelle den individuellen Investoren angeschlossen haben, Aktien spekulativer Firmen in die Höhe zu schrauben, um die eigene Performance zu verbessern. Wenn dieses Mal Schwierigkeiten ans Tageslicht kommen, dann ist die Lektion, die wir bereits aus der Geschichte gelernt haben, dass kein Investor mehr ausharren ("stick around") wird, wenn die ersten Zeichen von Problemen auftauchen. Das bedeutet, dass alle gleichzeitig in Richtung "Ausgang" stürmen. Dies wird eine Sehenswürdigkeit sein, die man sich unbedingt ansehen sollte. In der Zwischenzeit erzählen die Charts von Eric King auch eine Geschichte.


© Jim Puplava

Übersetzung ins deutsche: Stephan Bogner GoldBugBogi@bluemail.ch
Ende Teil 1, weiter zum Teil 2



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