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Der Gipfel der Realitätsverweigerung: Wie wir blauäugig auf den Crash zusteuern

30.01.2018  |  Chris Martenson
Nur der Glaube an das Unmögliche kann die aktuelle Marktlage rechtfertigen

Alice lachte. "Das hat keinen Zweck," sagte sie. "Man kann nicht unmögliche Dinge glauben."

"Ich wage zu behaupten, dass du nicht viel Übung hast," sagte die Königin. "Als ich in deinem Alter war, habe ich jeden Tag eine halbe Stunde geübt. Ja, manchmal habe ich bereits vor dem Frühstück nicht weniger als sechs unmögliche Dinge geglaubt."


- Lewis Carrol: Hinter dem Spiegel und was Alice dort fand

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Um Lewis Carrols Worte etwas abzuändern: Wenn wir den Finanzmärkten trotz all ihrer Spekulationsblasen, die dank des Eingreifens der Zentralbanken entstandenen sind, heute noch vertrauen wollen, müssen wir sechs unmögliche Dinge glauben.


1. Die Fundamentaldaten spielen keine Rolle

In der schönen neuen Welt des endlosen Gelddruckens sollen wir glauben, dass ein Paradigmenwechsel stattgefunden hat. Sie wissen schon - dass es dieses Mal wirklich anders ist.

Spoilerwarnung: Das ist es nie.

Unternehmen machen entweder einen Gewinn oder nicht. Sie sind entweder gute Investments oder nicht. Sie verhelfen Ihnen langfristig zu risikobereinigten Erträgen oder nicht. Nehmen wir ein einfaches Beispiel: Auf der öffentlich zugänglichen Webseite Finviz.com, mit deren Hilfe sich die Aktienmärkte gut im Auge behalten lassen, habe ich die Suchergebnisse nach zwei Parametern gefiltert, um eine Liste mit Unternehmen zu erhalten, die

  • 1. eine Marktkapitalisierung von mehr als 2 Mrd. $ und
  • 2. ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von mehr als 50 haben.

Das sind die größten Unternehmen, bei denen der Anleger zumindest theoretisch 50 Jahre warten muss, bevor er für jeden investierten Dollar einen Dollar Gewinn verbuchen kann. Diese Beschreibung trifft derzeit auf 236 Unternehmen zu! Unten sehen Sie einen Screenshot von Seite 11 der Ergebnisse. Jedes dieser Unternehmen hat ein KGV von mehr als 190!

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(Quelle)
(Über den Link gelangen Sie zu den exakten Sucheinstellungen, die ich verwendet habe. Sie können sich die Ergebnisse selbst ansehen.)


Diese hohen Werte bedeuten, dass die Anleger bereit sind, mehr als 190 Jahre zu warten, bis das Unternehmen bei den aktuellen Kursen einen Gewinn je Aktie in Höhe der ursprünglich investierten Summe erwirtschaftet hat. Das ist, ehrlich gesagt, der reinste Wahnsinn. Nicht einmal auf den Höhepunkten der Finanzblasen von 2000 und 2007 wiesen so viele Unternehmen in praktisch allen Sektoren derart extreme Werte auf. In der Tabelle finden wir Unternehmen aus so langweiligen Bereichen wie der Lebensmittelbranche, dem Maschinenbau, dem Energiesektor und der Versicherungssparte. Dazwischen tummeln sich natürlich auch die traditionellen Überflieger aus der Biotech- und Internetbranche.

Das ist genau die Art unkritischer Optimismus, der die Spätphase einer klassischen Finanzblase kennzeichnet. Nichts kann die Partystimmung trüben. Alles ist perfekt bewertet und jeder Sektor hat seine eigene Geschichte, mit der er die Euphorie rechtfertigen kann. "Oh, die Energiepreise werden sich schon bald erholen, Amazon hat ein unantastbares Preismonopol, Netflix investiert in erstklassige Inhalte und die Lebensmittelbranche...ähm...naja...weißt du, dieses eine Unternehmen ist wirklich etwas Besonderes. Vielleicht werden sie bald übernommen?"

In der obenstehenden Tabelle habe ich einige Unternehmen gelb markiert, nur um die Diskussion ins Rollen zu bringen. Beginnen wir mit Yelp. Mit ist noch nicht einmal klar, warum Yelp ein KGV von mehr als 15 verdienen sollte. Ganz zu schweigen von 192. Das Geschäftsmodell beruht darauf, dass Nutzer Bewertungen schreiben, mit denen Traffic/Seitenaufrufe generiert werden, auf deren Grundlage wiederum Werbeplätze verkauft werden. Diesem Modell droht Konkurrenz von allen Seiten. Google überholt das Unternehmen in sämtlichen Bereichen und jeden Tag erscheinen neue Apps, die nach dem gleichen Prinzip ähnliche Informationen bereitstellen.


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