Inflation - Ein Blick auf Vergangenheit und Zukunft der Währungsentwertung
04.04.2018 | John Paul Koning
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Nicht alle Könige und Königinnen entwerten die offizielle Währung. Ab und an unternahm jemand den Versuch, den früheren Standard wiederherzustellen und kündigte eine generelle Neuprägung aller Münzen an. Dann waren alle Bürger dazu verpflichtet, ihr Münzgeld zur Prägestätte zu bringen, wo es gewogen, eingeschmolzen und zu neuen Münzen gegossen wurde. Diese hatten dann den zuvor üblichen Silbergehalt und glichen einen Teil der durch Abnutzung entstandenen Inflation wieder aus.Letztlich spielten jedoch auch Fortschritte im Silberbergbau und neu entdeckte Lagerstätten eine entscheidende Rolle für das Preisniveau im Mittelalter. Wenn sich das Silberangebot plötzlich erhöhte, während die Nachfrage unverändert blieb, sank der Preis von Silber im Verhältnis zu anderen Gütern. Und da das Münzgeld selbst aus Silber bestand, sank auch seine Kaufkraft. Anders gesagt kam es zu Inflation, d. h. alle Preise innerhalb des Wirtschaftsraums stiegen.
Deflation - ein Rückgang des Preisniveaus - war im Rahmen des Silbermünzstandards jedoch ebenso wahrscheinlich. Wuchs die Bevölkerung schneller als das Silberangebot, musste der Silberpreis zwangsläufig steigen, d. h. es kam zur allgemeinen Deflation der Verbraucherpreise.
Inflationäre Zeiten in der Ära der mittelalterlichen Silbermünzen können also durch das komplexe Zusammenwirken von natürlicher Abnutzung und offiziellen Entwertungen erklärt werden. Deren Folgen wurden von Zeit zu Zeit durch eine allgemeine Münzneuprägung ausgeglichen, die den alten Standard wiederherstellen sollte. Zudem beeinflussten fundamentale Änderungen am zugrundeliegenden Silbermarkt die Entwicklung des vorherrschenden Preisniveaus.
Zu den höchsten Inflationsraten kam es, wenn all diese Faktoren gleichzeitig in die selbe Richtung wirkten. Wenn beispielsweise eine neue Abbautechnik plötzlich tieferliegende Silbervorkommen zugänglich machte und der herrschende Monarch gleichzeitig den Standardgehalt der Münzen verringerte, um einen Krieg zu finanzieren, dann führte das in Kombination mit der ohnehin auftretenden Abnutzung zu rasanten Preisanstiegen.
Die Ära der metallgedeckten Banknoten
Die Banker fanden jedoch schon früh heraus, wie man aus Papier Geld machen konnte. Das sollte die Beschaffenheit der Inflation grundlegend ändern.
So lange die Banker garantierten, dass die von ihnen herausgegebenen Scheine in vollem Umfang in den zugrundeliegenden Rohstoff zurückgetauscht werden konnten, hatten die Banknoten keinerlei Einfluss auf das allgemeine Preisniveau des jeweiligen Wirtschaftsraums. Änderungen bezüglich der Qualität und der Art der Münzen sowie die Angebotsschwankungen des physischen Silbermarktes brachten jedoch weiterhin eine gewisse Inflation mit sich.
Es lohnt sich, diesen Punkt einer genaueren Betrachtung zu unterziehen. Inflation entsteht, wenn die Menschen im Verhältnis zur Nachfrage zu viel Geld in ihren Taschen haben. Dieses Geld wird zur quasi zur heißen Kartoffel - niemand will den zusätzlichen 100-$-Schein oder die zusätzlichen Silbermünzen behalten. Händler A will das Geld nicht sparen und gibt es im Laden von Händler B aus, der damit wiederum bei Händler C einkauft usw. Jede Transaktion in dieser Kette lässt die Preise kaum merklich steigen. Dieser Prozess endet erst, wenn das allgemeine Preisniveau so weit gestiegen ist, dass der 100-$-Schein oder die Silbermünze nicht mehr unerwünscht ist und irgendwo zur Ruhe kommt.
Die Konvertibilität von Banknoten in Metall verhindert diesen Effekt, indem sie eine Alternative bietet. Angenommen, ein Banker hat zu viele Scheine in Umlauf gebracht. Statt wie eine heiße Kartoffel von einer Hand zur nächsten gereicht zu werden, wird ein überflüssiger 100-$-Schein relativ schnell wieder in der Bank gegen Metall eingetauscht, lange bevor er das Preisniveaus spürbar beeinflussen kann.
Obwohl die Banknoten also keine direkte Auswirkung auf das Preisniveau eines Wirtschaftsraums hatten, übten sie einen indirekten Einfluss aus. Wenn das Papiergeld im Verhältnis zum Münzgeld mit der Zeit beliebter wurde, wirkte sich das negativ auf die Silbernachfrage aus und übte Abwärtsdruck auf den Preis des weißen Metalls aus. Für das allgemeine Preisniveau bedeutete das wiederum einen Aufwärtsdruck.
Auf der anderen Seite verringerte sich jedoch die Inflation, die sich aus der täglichen Abnutzung der Silbermünzen ergab, wenn das Münzgeld zunehmend aus dem täglichen Zahlungsverkehr verschwand und sich stattdessen in Tresoren und Sparrücklagen für Notzeiten sammelte, während die Menschen bei ihren alltäglichen Geschäften vermehrt Papiergeld verwendeten.
Die eigentliche Neuheit in der Ära der metallgedeckten Banknoten waren die Zeiten, in denen die Konvertibilität vorübergehend aufgehoben war. In diesen Perioden konnten die Banker und die von ihnen ausgegebenen Banknoten das allgemeine Preisniveau tatsächlich direkt beeinflussen. Ohne die traditionelle Möglichkeit, Scheine bei der Bank wieder gegen Metall einzulösen, verhielt sich jede zu viel herausgegebene Banknote wie eine heiße Kartoffel. Statt zu ihrem Emittent zurückzukehren, wanderte sie durch die Wirtschaft und trug zum Anstieg der Preise bei.
Zwar gab es auch früher schon Experimente mit Papierwährungen, doch zu den bekanntesten Beispielen zählen das nicht eintauschbare Papiergeld Schwedens von 1745-1776, die Aufhebung der Konvertibilität des britischen Pfundes von 1797-1821 sowie die Zeit von 1861-1878 in den USA. Jede dieser Perioden ging mit hohen Inflationsraten einher und fiel mit entscheidenden Kriegen zusammen.