Inflation - Ein Blick auf Vergangenheit und Zukunft der Währungsentwertung
04.04.2018 | John Paul Koning
- Seite 4 -
Die Zentralbanker glauben, dass sie einige dieser ungünstigen Nebeneffekte abmildern können. Ein Lohnniveau von 20 $ pro Stunde mag vielleicht so starr sein, dass es im Falle eines wirtschaftlichen Schocks nicht angepasst werden kann, aber eine Inflationsrate von 1-3% bedeutet, dass der reale Wert des Stundenlohns im nächsten Jahr auf etwa 19,60 $ gesunken ist, auch wenn er nominal konstant geblieben ist. Eine Zentralbank, die im Rahmen einer Wirtschaftskrise also eine Inflationsrate von 1-3% anstrebt, gleicht auf diese Weise die fehlende Flexibilität des Lohnniveaus aus und beschleunigt damit den Beginn der Erholung.Der zweite Grund für ein solches Inflationsziel ist die Tatsache, dass die kurzfristigen Zinsen unter diesen Bedingungen in der Vergangenheit typischerweise bei 3-6% lagen. Schließlich wollen auch die Kreditgeber einen Gewinn machen und verlangen daher einen ausreichend hohen Zinssatz, der die Verluste durch Inflation ausgleicht. Das Werkzeug, das die Zentralbanker heutzutage verwenden, um das Zinsniveau zu steuern, ist der Tagesgeldsatz, den die Geschäftsbanken auf kurzfristige Einlagen bei der Zentralbank erhalten. Dieses Instrument wird jedoch wirkungslos, sobald der Zinssatz deutlich unter 0% sinkt. Dort befindet sich die eigentliche Untergrenze des Zinskorridors.
Werden die Zinsen auf etwa -0,75% gesenkt, erscheinen Banknoten (die Kapitalerträge in Höhe von 0% generieren) als Anlageklasse plötzlich wieder ziemlich attraktiv. Sinken die Zinsen noch tiefer, beginn ein massenhafter Exodus aus den Bankeinlagen in physisches Bargeld. Das Bankensystem würde im Zuge dessen zusammenbrechen. Mit einem Inflationsziel von 1-3% versuchen die Notenbanker also gleichzeitig, ein gewisses Polster in das Zinsniveau einzubauen, um sicherzustellen, dass ihr wichtigstes geldpolitisches Instrument nicht nutzlos wird. Aus diesem Grund steigen die Preise in den westlichen Industrienationen im Schnitt um 1-3% im Jahr.
Was hält die Zukunft bereit?
Wenn Sie die letzten 1.000 Jahre miterlebt hätte, hätten Sie eine ganze Reihe verschiedener Währungssysteme mit unterschiedlichen Preisdynamiken gesehen. Selbst als Geld noch auf einem Metallstandard basierte, war Inflation kein seltenes Phänomen. Und selbst im Rahmen eines Fiatwährungssystems kann es durchaus zu Deflation kommen.
Wird sich an dem Inflationsziel von 1-3%, das sich die Zentralbanken der meisten Industriestaaten gesetzt haben, je etwas ändern? In bestimmten Kreisen gibt es tatsächlich Diskussionen über eine Erhöhung des Inflationsziels auf 4-5%. Unterdessen sind die Zinsen in den letzten Jahren jedoch in Richtung der 0-%-Linie - und in einigen Fällen sogar darunter - gefallen. Dadurch fehlt den Zentralbanken nun die Möglichkeit der Zinssenkung als geldpolitisches Instrument. Läge die Inflationsrate dagegen bei 4%, müssten die kurzfristigen Zinsen viel höher sein (ca. 6-7%), argumentieren manche Notenbanker. Dann hätte man bei der nächsten Wirtschaftskrise einen großzügigeren Spielraum für Zinssenkungen.
Alternativ dazu könnten die Zentralbanker eines Tages auch ein Inflationsziel von 0% ausgeben. Das würde bedeuten, dass die kurzfristigen Zinsen sehr niedrig sind und kaum weiter sinken könnten. Es gibt allerdings verschiedene Wege, auf denen das Zinsniveau auch deutlich unter die 0-%-Linie gesenkt werden kann. Manche Ökonomen raten in diesem Zusammenhang beispielsweise zu einem Bargeldverbot und insbesondere zur Abschaffung der Banknoten mit den höchsten Nennwerten (wie z. B. die nachfolgend abgebildete Banknote aus Singapur). Andere diskutieren die Einführung einer digitalen Alternativwährung, die negativ verzinst werden könnte.
Diese Maßnahmen würden den Zentralbanken in Krisenzeiten die Senkung der Zinsen auf -3% oder -4% ermöglichen, ohne dass sie sich um Bank-Runs sorgen müssten. In Zeiten derart niedriger Zinsen würden die Menschen ihr Kapital stattdessen in Aktien, Gold oder Kryptowährungen investieren. Das wäre ein Anzeichen dafür, dass der gewünschte "Heiße-Kartoffel-Effekt" funktioniert. Hätten sie erst einmal genügend Spielraum für eine Senkung der Zinsen tief in den Minusbereich hinein, könnten die Notenbanken auch ein Inflationsziel von 0% anvisieren.
Ein 10.000-$-Schein aus Singapur, eine der wertvollsten Banknoten der Welt
Werden wir eines Tages wieder Inflationsraten im zweistelligen Bereich erleben, wie sie in den 1970er Jahren in den USA verzeichnet wurden? Die westlichen Zentralbanken haben in den letzten Jahrzehnten ein großes Maß an Unabhängigkeit von den politischen Gegebenheiten und der Regierung ihres jeweiligen Landes bewahrt. Das hat es ihnen ermöglicht, die Kontrolle über das Preisniveau zu behalten.
Wenn es jedoch zu einem unvorhergesehenen Ereignis kommen sollte - z. B. zu einem weiteren Weltkrieg - infolge dessen die westlichen Staaten umfangreiche Finanzmittel benötigen, dann werden die Regierungen womöglich versuchen, die Geld- und Währungspolitik wieder unter ihre Kontrolle zu bringen. Die Begrenzung der Inflation wäre dann eventuell kein vorrangiges Ziel mehr und die hohen Inflationsraten der 1970er Jahren könnten zurückkehren.
© JP Koning
www.BullionStar.com
Dieser Artikel wurde am 8. Januar 2018 auf www.bullionstar.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.