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Weltherrschaft oder "Handelskrieg"

23.04.2018  |  Klaus Singer
In Mainstream-Medien wird der gegenwärtige "Handelskrieg" auf die Frage fairer grenzüberschreitender Preise reduziert. Was "fair" ist, wird im Zweifelsfall so definiert, dass die Preise zu den eigenen Gunsten ausfallen. Aber es geht um viel mehr.

Solche Situationen wie die jetzige mögen mehr oder weniger plötzlich auf die weltpolitische Bühne treten, aber ihre Ursachen liegen lange zurück und lassen sich auch nicht einfach dem Wirken einzelner Staatenlenker zuschreiben. Im Falle unseres "Handelskriegs" lassen sie sich bis zum Ende des Bretton Woods Systems zurückverfolgen, mit dem über die Freizügigkeit des Kapitals und die Freigabe der Wechselkurse die moderne Globalisierung begründet wurde.

Diese Entwicklung erreichte um die Jahrtausendwende eine neue Stufe - die Wachstumsraten der industrialisierten Länder begannen zu sinken, in den USA wurde der Glass-Steagall-Act abgeschafft und die VR China trat nach längeren Verhandlungen 2001 der WTO (World Treaty Organisation - Welthandelsorganisation) bei. Diese drei Faktoren stehen in engem Zusammenhang, wie später noch deutlich wird.

Die WTO-Beitrittsbedingungen wurden noch unter US-Präsident Clinton ausgehandelt und begründeten die heute aktuellen Handelsbeziehungen mit China. Knackpunkte in den acht Jahre währenden Verhandlungen waren die Forderungen nach Abbau von Import- und Exportzöllen, Lockerung der Beschränkungen für ausländische Firmen auf dem chinesischen Markt, Abbau der Benachteiligung von ausländischen Firmen gegenüber Firmen mit staatlichen Investitionen, sowie die Schaffung von Rechtssicherheit.

China kam zwar den Forderungen der anderen WTO-Mitglieder entgegen, aber eine Symmetrie wurde nicht erreicht. Es gibt nach wie vor Ungleichgewichte bei Zöllen, so werden für den Import von amerikanischen Kraftfahrzeugen nach China z.B. 25% Importzoll fällig, während für die umgekehrte Richtung nur 2,5% anfallen. Und das ist nur ein Beispiel unter vielen.

Viel wichtiger: Ausländische Firmen können sich nicht mit einer eigenen 100%-igen Tochter im chinesischen Markt etablieren, sondern nur über Joint-Ventures mit einem Anteil von maximal 50%. Umgekehrt gibt es für chinesische Unternehmen z.B. in Deutschland kaum Hürden, deutsche Firmen zu kaufen oder sich mit eigenen Töchtern zu engagieren. Diese Joint-Ventures öffneten dem Transfer von westlichem Knowhow nach China Tür und Tor. Zwar wird zurecht beklagt, dass andere chinesische Firmen dieses westliche Knowhow einsetzen, um eigene Produkte am Weltmarkt anzubieten. Aber das ist auch Folge der Herausgabe von geistigem Eigentum im Rahmen von solchen Joint-Ventures.

John Mauldin liefert folgenden (unbelegten, aber plausiblen) Hintergrund zum WTO-Beitritt Chinas: In den 1990er Jahren war Finanzminister Rubin unter Clinton mit den Beitrittsverhandlungen China-WTO befasst und bestand auf Symmetrie in den Handelsbeziehungen. Dann verstrickte sich Clinton in den Lewinsky-Skandal und brauchte einen Erfolg. Rubin erzielte aber keine Fortschritte in Richtung Marktzugang und Garantien hinsichtlich geistigen Eigentums. Daraufhin betraute Clinton Außenministerin Albright mit der Aufgabe. China blieb hart, sie lenkte schließlich ein und Clinton hatte seinen Erfolg - aber mit dem Ausverkauf westlichen Knowhows war der Grundstein für ein langfristig lausiges Geschäft für die Realwirtschaft gelegt.

Auf der anderen Seite leitete Rubin, der spätere Citigroup-CEO, mit der Abschaffung des Glass-Steagall-Act die Deregulierung des Finanzsystems ein, die Wettbewerbsfähigkeit US-amerikanischer Geschäftsbanken wurde gestärkt und so kamen insgesamt allseits großartige Bedingungen für die Finanzindustrie heraus, eingeschlossen der wenn auch begrenzte Zugang zu Chinas Kapitalmarkt. (Eine langfristige Folge dieser Deregulierung war der offene Ausbruch der Finanzkrise im Herbst 2008 - aber daran dachte damals natürlich kaum einer.)

Der folgende Chart verdeutlicht für die USA die relativ bessere Entwicklung der Finanzindustrie gegenüber der nicht-Finanzindustrie. Betrachtet man nur den Zeitraum zwischen Herbst 1999 und Mitte 2005, so ist der BIP-Anteil der Finanzindustrie um rund 150% angestiegen, der der nicht-Finanz-Industrie lediglich um rund 60%. Schlagend auch der Rückgang des Anteils der Löhne und Gehälter am BIP in dieser Zeit von gut 47% auf gut 43%. Natürlich spiegelt sich in den Werten nicht allein der Einfluss der aufkommenden Geschäfte mit China wider, aber er dürfte einen wichtigen Beitrag geleistet haben.

Im großen Bild fällt natürlich auf, wie stark sich in den USA die Finanzindustrie in den zurückliegenden mehr als fünf Dekaden relativ zur nicht-Finanz-Industrie entwickelt hat. Seit 1969, also kurz vor dem Ende des Bretton Woods Systems mit dem Beginn der modernen Globalisierung, ist der Anteil der Gewinne der Finanzindustrie am BIP um 180% angewachsen, der der nicht-Finanz-Industrie um magere 3%.

Insgesamt sieht die Sache meiner Meinung nach damit so aus: Im Interesse ihrer eigenen Gewinne im Geschäft mit China hat die alles dominierende Finanzindustrie für einen faulen Kompromiss beim WTO-Beitritt von China gesorgt und den Ausverkauf westlichen Knowhows billigend in Kauf genommen. Der “foreign direct investment restrictiveness index“ der OECD misst die Ungleichheit bei ausländischen Investitionen. Er zeigt für China einen Wert von 33%, für die USA einen von 9% und für Deutschland einen von 2,5%.

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Quelle: www.mauldineconomics.com/frontlinethoughts/china-plays-it-cool



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