Jim Rickards: Die nächste Finanzkrise & warum Sie Gold und Silber brauchen
27.04.2018 | Mike Gleason
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Gold steigt und fällt; es ist volatil und wir wissen, dass es Preismanipulationen gibt. Die Leute kaufen Gold und dann kommt irgendein Hedgefonds daher und drückt den Preis nach unten und die Anleger fragen sich, "Warum habe ich das nur gekauft?" Ich verstehe, dass das entmutigend ist. Ich verstehe, wie schwierig es ist, die Kursgewinne an den Aktienmärkten und bei Bitcoin zu beobachten, wenn man selbst in Gold investiert ist, und der Kurs sich nur seitwärts zu entwickeln scheint. Aber das ist nicht wahr. 2016 legte Gold mehr als 8% zu, 2017 mehr als 13%. In diesem Jahr ist der Kurs bisher 3% gestiegen. Im Vergleich zum Boden des Bärenmarktes im Dezember 2015 ist der Goldpreis heute 25% höher. Damit gehört Gold zu den Anlageklassen mit der besten Performance. Es ist nicht wahnsinnig in die Höhe geschossen wie der Bitcoin, aber Bitcoin bricht jetzt wieder ein, wie ich schon vor einiger Zeit vorhergesagt hatte.
2016 und 2017 waren die ersten beiden aufeinanderfolgenden Jahre seit 2011 und 2012, in denen der Goldpreis gestiegen ist. Damals hatte er sein Top allerdings schon überschritten. Dass Gold im Jahresverlauf 2011 insgesamt gestiegen ist, ist eher eine Art statistische Anomalie - zum Jahresende lag der Kurs trotzdem deutlich unter dem Septemberhoch. Jetzt befinden wir uns jedoch im dritten Jahr des neuen Bullenmarktes und Gold hat keinen schlechten Start hingelegt.
Die Fundamentaldaten sind gut, selbst wenn man mögliche Katalysatoren wie einen Krieg mit Nordkorea, einen Verlust des Vertrauens in den US-Dollar oder einen Finanzcrash erst einmal außen vor lässt. Es gibt eine ganze Reihe von Faktoren, die den Goldpreis nach oben treiben werden. Schon eine normale Rezession oder außer Kontrolle geratene Inflationsraten würden reichen.
Außerdem möchte ich betonen, dass sich Gold trotz Gegenwind so gut entwickelt. Die Fed hat die Zinsen angehoben, und wenn nicht nur die nominellen, sondern auch die realen Zinsen steigen, sind das normalerweise schwierige Bedingungen für den Goldpreis. Er klettert aber trotzdem. Können Sie sich vorstellen, was passiert, wenn die Fed ihren Kurs umkehren muss, weil sie die Geldpolitik zu stark gestrafft hat? Wenn das Wirtschaftswachstum beginnt sich zu verlangsamen, wird die Fed "pausieren". Das bedeutet nicht, dass die Notenbanker den Leitzins senken werden, aber dass sie mindestens eine Erhöhung auslassen werden.
Im Moment ist die Notenbank wie ein Uhrwerk, eine Zinsanhebung alle drei Monate. März, Juni, September, Dezember, immer 25 Basispunkte. Ab und zu lassen sie jedoch einen Zinsschritt aus. Wenn die Märkte eine Erhöhung erwarten und die Fed stattdessen pausiert, wirkt das wie eine geldpolitische Lockerung. Alles hängt von den Erwartungen ab. Das wird dieses Jahr passieren und dann wird sich der Gegenwind für Gold in einen Rückenwind verwandeln und das gelbe Metall wird noch mehr Auftrieb erhalten. Ich rechne mit einem Anstieg auf 1.400 $ im Jahresverlauf, vielleicht auch höher.
Meine langfristige Vorhersage ist bekanntermaßen ein Goldpreis von 10.000 $ und von dieser rücke ich auch nicht ab. Diese Prognose basiert auf reiner Mathematik. Das ist der implizierte, nicht inflationäre Goldpreis, der nötig wäre, um im Falle eines Finanzcrashs oder einer Liquiditätskrise das Vertrauen in das Währungssystem wiederherzustellen. Das ist keine aus der Luft gegriffene, sondern eine berechnete Zahl. Natürlich wird ein solcher Preis nicht über Nacht erreicht.
Im Moment befinden wir uns jedenfalls wieder in einem Bullenmarkt; den Boden haben wir hinter uns gelassen. Gold hat Aufwärtsdynamik, aber während des Tiefpunkts und kurz danach sind die Anleger immer am pessimistischsten. Genau dann sollte man kaufen - wenn es am schwierigsten ist. Es liegt in der menschlichen Natur, nach einer so langen Baisse entmutigt zu sein und zu sagen, "ich hab es so satt". Aber das ist meist der beste Zeitpunkt für Käufe.
Mike Gleason: Sie sind viel herumgekommen in der Welt und sind immer auf dem Laufenden, nicht nur hier in den Vereinigten Staaten, sondern rund um den Globus. Ich weiß, dass Sie erst kürzlich aus Europa zurückgekommen sind. Sind die Anleger überall so selbstzufrieden, oder ist das nur eine westliche oder amerikanische Erscheinung? Was tun die Leute anderswo, um sich zu schützen oder auf Krisen vorzubereiten?
Jim Rickards: In den USA ist es definitiv besonders schlimm. Vor nicht allzu langer Zeit war ich in Peking und mein Begleiter sagte, "Hey, ich möchte dir etwas zeigen." Wir fuhren durch ein etwas heruntergekommenes Viertel und dann bogen wir um die Ecke und standen plötzlich vor einem Gebäude, das ausgeleuchtet war wie der Time Square. Es war ein Goldhandelszentrum und obwohl es schon ziemlich spät am Abend war, hatte es noch geöffnet.
Es war beleuchtet wie ein Fußballstadium, mit roten Teppichen ausgelegt und die Hostessen liefen in langen Seidenkleidern umher und präsentierten kleine Schaukästen voller Münzen, Barren und Schmuck. Das Geschäft lief offensichtlich großartig. Die Goldnachfrage ist in China sehr hoch, sowohl bei Privatpersonen als auch auf staatlicher Ebene.
Man darf nicht vergessen, dass es in China nicht so viele Optionen gibt. Das Land erzielt enorme Handelsüberschüsse und viele Leute verdienen jede Menge Geld, aber es gibt nicht so viele Investitionsmöglichkeiten. Sie können nicht in ausländische Aktien investieren und sie können ihr Geld nicht so leicht außer Landes bringen wie wir. Als US-Bürger ist es kein Problem, in Schwellenmärkte, Europa oder Japan zu investieren. Ob es eine gute Idee ist, steht auf einem anderen Blatt, aber zumindest ist es nicht schwierig. In China sieht das anders aus.
Dort sind Investoren im Grunde genommen auf den inländischen Aktien- und Immobilienmarkt beschränkt, und beide Märkte neigen zur Bildung von Spekulationsblasen und sind zuletzt mehrfach eingebrochen. Die Anleger sehen sich also nach andern Optionen um, wenn sie fürchten, dass die Aktien und Immobilien überbewertet sind, und sie ihr Geld nicht auf einem Bankkonto liegen lassen wollen. Also kaufen sie Gold und auch die Regierung selbst kauft Gold.
Russland und China haben ihre Goldreserven in den letzten zehn Jahren übrigens verdreifacht. 2006 besaß Russland noch 600 Tonnen Gold, heute sind es fast 2.000 Tonnen. Das Gleiche gilt für China, wobei China in Wirklichkeit zweifellos viel höhere Goldbestände hat, die in keiner öffentlichen Statistik auftauchen. 2.000 Tonnen sind die offizielle Angabe. Auch in Australien und in Europa beobachte ich ein reges Interesse an Gold.
Nur die Amerikaner scheinen es nicht zu verstehen. Ich weiß nicht, warum. Vielleicht liegt es daran, dass der Dollar die bedeutendste globale Reservewährung ist. Vielleicht kommen die Amerikaner auch zu selten aus ihrem Land heraus. Nur 16% der US-Bürger haben überhaupt einen Pass. Die meisten nutzen diesen sicherlich, um in die Karibik, nach Kanada oder vielleicht nach Mexiko oder Bermuda zu fahren. Vielleicht unternehmen sie auch einmal im Jahr eine Reise nach London, Paris oder Italien, um ein bisschen Urlaub zu machen.
Aber die Zahl der Amerikaner, die schon einmal in China, Japan, Australien, Afrika oder anderswo waren, ist sehr gering. Ich will damit niemanden kritisieren, aber wir dürfen nicht vergessen, in was für einer großen Welt wir leben. In vielen Ländern gibt es eine immense Nachfrage nach Gold, aber nicht in den USA. Ich fürchte, dass die Amerikaner die letzten sein werden, die es begreifen.
Wenn die Finanzkrise erst einmal da ist und der Goldpreis in die Höhe schießt, werden sich die Leute natürlich wünschen, dass sie eher gekauft hätten, aber sie werden trotzdem Gold erwerben wollen. Meine Sorge ist, dass sie dann womöglich keins mehr bekommen können, weil die Händler und die Münzprägestätten selbst im Lieferrückstand sind. Große Fonds und Institutionen werden in der Lage sein, ein wenig Gold aufzutreiben, aber Sie werden sehen, dass es schwierig sein wird, physisches Gold zu bekommen. Das ist ein Grund mehr, jetzt zu kaufen, unabhängig vom Preis.