Interview mit Ronald Stöferle: Gezeitenwende in der Finanzwelt und die drohende Rezession (Teil 1/2)
26.06.2018 | Chris Martenson
Kurz nach der Veröffentlichung des umfangreichen Berichts "In Gold We Trust", der einmal im Jahr von der Incrementum AG herausgegeben wird, war Ronald Stöferle, Partner und Mitglied der Geschäftsleitung von Incrementum, bei uns zu Gast, um die Lage und die Aussichten am Goldmarkt zu diskutieren. Ronald Stöferle ist der Autor mehrerer Bücher zum Thema Wirtschaftstheorie und der Leiter der Abteilung für Investmentstrategie und Portfoliomanagement bei Incrementum.
Seiner Einschätzung nach ist Gold in US-Dollar derzeit extrem günstig. Er geht davon aus, dass im Edelmetallsektor ein neuer Bullenmarkt im Entstehen begriffen ist, der rasant an Dynamik gewinnen wird, wenn es zur nächsten ernsten (und längst überfälligen) Korrektur an den Finanzmärkten kommt.
Chris Martenson: Willkommen zum heutigen Podcast von Peak Prosperity! Wir sind der Ansicht, dass der Versuch der globalen Zentralbanken, den Konjunkturzyklus durch einen Kreditzyklus zu ersetzen, ein äußerst unkluges und letztlich selbstzerstörerisches Unterfangen ist. Insider des Systems unterstützen diese Herangehensweise jedoch zum Teil, denn wer über gute Beziehungen verfügt, kann durch diesen Prozess enormen Reichtum ansammeln.
Der Kreditzyklus begünstigt jedoch auch die wechselnde Abfolge von Boomphasen und anschließenden Crashs, die im Laufe der Zeit immer länger und stärker geworden sind. Wir befinden uns heute in dem bereits weit fortgeschrittenen dritten Boom seit 2000 und der nächste Crash wird absolut spektakulär werden. Das ist zumindest unsere Meinung. Vor diesem Hintergrund ist es nicht einfach, sicher zu investieren. Selbst die eigene Kaufkraft zu erhalten könnte sich als Problem erweisen. Wie Sie Ihr Geld in diesen Zeiten anlegen und ihr Vermögen schützen können, wollen wir heute im Gespräch mit Ronald Stöferle diskutieren. Willkommen, Ronald!
Ronald Stöferle: Vielen Dank, Chris.
Chris Martenson: Mit der diesjährigen Ausgabe von "In Gold We Trust" haben Sie sich selbst übertroffen. Ich liebe sorgfältig recherchierte Daten und der Bericht ist voller Informationen, Charts und guter Quellen. Alles in allem kommen Sie darin zu drei entscheidenden Schlussfolgerungen. Lassen Sie uns mit der ersten davon beginnen. Sie sagen, dass eine geldpolitische Gezeitenwende eingesetzt hat. Würden Sie das bitte näher erläutern?
Ronald Stöferle: Natürlich. Treten wir zunächst einen Schritt zurück. Seit 2008 haben die größten Zentralbanken der Welt 14 Billionen Dollar an neuem Geld geschaffen, d. h. 14.000 Milliarden, einfach aus dem Nichts. Das hatte selbstverständlich Auswirkungen auf die Märkte und hat zur Entstehung einer marktübergreifenden Superblase geführt. Ich denke, dass die meisten Menschen die Folgen der quantitativen Lockerungen stark unterschätzt haben und meine Schlussfolgerung in dem Bericht ist, dass sie auch die Folgen der quantitativen Straffungen unterschätzen.
Die Federal Reserve hat ganz klar angekündigt, dass sie die Liquidität in diesem Jahr um 420 Milliarden und im nächsten Jahr um 600 Milliarden Dollar verringern wird. Sie wird ihre Bilanz jeden Monat stärker kürzen und ab Oktober werden es 50 Milliarden Dollar monatlich sein. Das ist ziemlich viel Geld.
Doch nicht nur die Federal Reserve wird ihre Geldpolitik künftig straffen. In gewissem Maße trifft das auch auf die EZB, die Bank of Japan, die Bank of Canada, die Bank of England usw. zu. Die Liquiditätsparty der letzten zehn Jahre neigt sich ihrem Ende entgegen und das wird nicht ohne Folgen bleiben. Wir haben einen durch die Kreditschwemme ausgelösten Boom erlebt, aber früher oder später wird die geldpolitische Kehrtwende zu einer Rezession führen. Und die sieht derzeit niemand kommen.
Wir erstellen jedes Jahr einen Chart, in dem wir die Prognosen von 78 renommierten Ökonomen auswerten, die regelmäßig von Bloomberg befragt haben. Was glauben Sie, wie viele von diesen 78 Analysten innerhalb der nächsten drei Jahre eine Rezession erwarten?
Chris Martenson: Null?
Ronald Stöferle: Null. Ganz genau. Und wie viele haben 2007 mit einer Rezession gerechnet?
Chris Martenson: Null?
Ronald Stöferle: Ja, ganz richtig. Nicht ein einziger. Ich will damit nicht sagen, dass es 2019 oder 2020 definitiv zu einer Rezession kommen wird. Aber der Markt unterschätzt die Risiken und Ängste völlig. Wenn die Marktteilnehmer so extrem einseitig positioniert sind, dann wird selbst eine geringe Stimmungsänderung enorme Auswirkungen auf die Kapitalallokationen haben, sobald die Rezessionsängste wieder aufflammen.
Meiner Ansicht nach gibt es bereits eindeutige Zeichen dafür, dass ein Abschwung bevorsteht: steigende Zinsen, quantitative Straffungen. Wir beobachten auch mehr Unternehmensübernahmen und -fusionen, ein Rekordhoch bei der Zuversicht der Verbraucher, einen Boom am Junk-Bond-Markt und steigende Inflationsraten. Gleichzeitig geraten aber immer mehr Kreditnehmer in Zahlungsverzug, Kreditkartenschulden müssen abgeschrieben werden usw. Vielleicht bin ich ein bisschen zu pessimistisch, aber aus meiner Perspektive sind das klare Signale dafür, dass eine Rezession auf uns zukommt. Und das wird in Zukunft wahrscheinlich einer der wichtigsten Preisfaktoren am Goldmarkt sein.
Chris Martenson: Viel Stoff zum Nachdenken. Ich möchte gleich noch auf die Preistreiber von Gold zu sprechen kommen, aber zuvor will ich noch etwas einwerfen. Einige Wirtschaftsanalysten setzen sich durchaus mit der Möglichkeit eines Konjunkturrückgangs auseinander. Sicherlich kennen sie Stein Jacobsen von der Saxobank. Er rechnet mit einer Rezession, weil die Märkte mittlerweile nur noch auf den Kreditimpulsen basieren. Weniger Kredite oder selbst eine Stagnation des Kreditwachstums hätten aufgrund der Funktionsweise dieses Systems bereits negative Folgen.
Der Chefökonom von Fannie Mae rechnet interessanterweise auch mit einer Rezession im nächsten Jahr, wenn auch aus anderen Gründen. Er sagt den Abschwung nicht mit völliger Gewissheit voraus, aber er sieht eine etwa 60-prozentige Chance.
Seiner Einschätzung nach ist Gold in US-Dollar derzeit extrem günstig. Er geht davon aus, dass im Edelmetallsektor ein neuer Bullenmarkt im Entstehen begriffen ist, der rasant an Dynamik gewinnen wird, wenn es zur nächsten ernsten (und längst überfälligen) Korrektur an den Finanzmärkten kommt.
Chris Martenson: Willkommen zum heutigen Podcast von Peak Prosperity! Wir sind der Ansicht, dass der Versuch der globalen Zentralbanken, den Konjunkturzyklus durch einen Kreditzyklus zu ersetzen, ein äußerst unkluges und letztlich selbstzerstörerisches Unterfangen ist. Insider des Systems unterstützen diese Herangehensweise jedoch zum Teil, denn wer über gute Beziehungen verfügt, kann durch diesen Prozess enormen Reichtum ansammeln.
Der Kreditzyklus begünstigt jedoch auch die wechselnde Abfolge von Boomphasen und anschließenden Crashs, die im Laufe der Zeit immer länger und stärker geworden sind. Wir befinden uns heute in dem bereits weit fortgeschrittenen dritten Boom seit 2000 und der nächste Crash wird absolut spektakulär werden. Das ist zumindest unsere Meinung. Vor diesem Hintergrund ist es nicht einfach, sicher zu investieren. Selbst die eigene Kaufkraft zu erhalten könnte sich als Problem erweisen. Wie Sie Ihr Geld in diesen Zeiten anlegen und ihr Vermögen schützen können, wollen wir heute im Gespräch mit Ronald Stöferle diskutieren. Willkommen, Ronald!
Ronald Stöferle: Vielen Dank, Chris.
Chris Martenson: Mit der diesjährigen Ausgabe von "In Gold We Trust" haben Sie sich selbst übertroffen. Ich liebe sorgfältig recherchierte Daten und der Bericht ist voller Informationen, Charts und guter Quellen. Alles in allem kommen Sie darin zu drei entscheidenden Schlussfolgerungen. Lassen Sie uns mit der ersten davon beginnen. Sie sagen, dass eine geldpolitische Gezeitenwende eingesetzt hat. Würden Sie das bitte näher erläutern?
Ronald Stöferle: Natürlich. Treten wir zunächst einen Schritt zurück. Seit 2008 haben die größten Zentralbanken der Welt 14 Billionen Dollar an neuem Geld geschaffen, d. h. 14.000 Milliarden, einfach aus dem Nichts. Das hatte selbstverständlich Auswirkungen auf die Märkte und hat zur Entstehung einer marktübergreifenden Superblase geführt. Ich denke, dass die meisten Menschen die Folgen der quantitativen Lockerungen stark unterschätzt haben und meine Schlussfolgerung in dem Bericht ist, dass sie auch die Folgen der quantitativen Straffungen unterschätzen.
Die Federal Reserve hat ganz klar angekündigt, dass sie die Liquidität in diesem Jahr um 420 Milliarden und im nächsten Jahr um 600 Milliarden Dollar verringern wird. Sie wird ihre Bilanz jeden Monat stärker kürzen und ab Oktober werden es 50 Milliarden Dollar monatlich sein. Das ist ziemlich viel Geld.
Doch nicht nur die Federal Reserve wird ihre Geldpolitik künftig straffen. In gewissem Maße trifft das auch auf die EZB, die Bank of Japan, die Bank of Canada, die Bank of England usw. zu. Die Liquiditätsparty der letzten zehn Jahre neigt sich ihrem Ende entgegen und das wird nicht ohne Folgen bleiben. Wir haben einen durch die Kreditschwemme ausgelösten Boom erlebt, aber früher oder später wird die geldpolitische Kehrtwende zu einer Rezession führen. Und die sieht derzeit niemand kommen.
Wir erstellen jedes Jahr einen Chart, in dem wir die Prognosen von 78 renommierten Ökonomen auswerten, die regelmäßig von Bloomberg befragt haben. Was glauben Sie, wie viele von diesen 78 Analysten innerhalb der nächsten drei Jahre eine Rezession erwarten?
Chris Martenson: Null?
Ronald Stöferle: Null. Ganz genau. Und wie viele haben 2007 mit einer Rezession gerechnet?
Chris Martenson: Null?
Ronald Stöferle: Ja, ganz richtig. Nicht ein einziger. Ich will damit nicht sagen, dass es 2019 oder 2020 definitiv zu einer Rezession kommen wird. Aber der Markt unterschätzt die Risiken und Ängste völlig. Wenn die Marktteilnehmer so extrem einseitig positioniert sind, dann wird selbst eine geringe Stimmungsänderung enorme Auswirkungen auf die Kapitalallokationen haben, sobald die Rezessionsängste wieder aufflammen.
Meiner Ansicht nach gibt es bereits eindeutige Zeichen dafür, dass ein Abschwung bevorsteht: steigende Zinsen, quantitative Straffungen. Wir beobachten auch mehr Unternehmensübernahmen und -fusionen, ein Rekordhoch bei der Zuversicht der Verbraucher, einen Boom am Junk-Bond-Markt und steigende Inflationsraten. Gleichzeitig geraten aber immer mehr Kreditnehmer in Zahlungsverzug, Kreditkartenschulden müssen abgeschrieben werden usw. Vielleicht bin ich ein bisschen zu pessimistisch, aber aus meiner Perspektive sind das klare Signale dafür, dass eine Rezession auf uns zukommt. Und das wird in Zukunft wahrscheinlich einer der wichtigsten Preisfaktoren am Goldmarkt sein.
Chris Martenson: Viel Stoff zum Nachdenken. Ich möchte gleich noch auf die Preistreiber von Gold zu sprechen kommen, aber zuvor will ich noch etwas einwerfen. Einige Wirtschaftsanalysten setzen sich durchaus mit der Möglichkeit eines Konjunkturrückgangs auseinander. Sicherlich kennen sie Stein Jacobsen von der Saxobank. Er rechnet mit einer Rezession, weil die Märkte mittlerweile nur noch auf den Kreditimpulsen basieren. Weniger Kredite oder selbst eine Stagnation des Kreditwachstums hätten aufgrund der Funktionsweise dieses Systems bereits negative Folgen.
Der Chefökonom von Fannie Mae rechnet interessanterweise auch mit einer Rezession im nächsten Jahr, wenn auch aus anderen Gründen. Er sagt den Abschwung nicht mit völliger Gewissheit voraus, aber er sieht eine etwa 60-prozentige Chance.