Zentralbanken im Goldkaufrausch: Werden Nachfrage und Preis beeinflusst?
23.11.2018 | Ronan Manly
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Da die 103 t, die sich vor den jüngsten Käufen im Besitz der NBP befanden, bei der Bank of England eingelagert waren und zudem noch als kurzfristige Golddepots an diverse Bullionbanken verliehen wurden, ist davon auszugehen, dass auch die neu zugekauften 13,7 t verliehen wurden. Die Transaktionen könnten also so abgelaufen sein, dass die Zentralbank das Gold kaufte und unmittelbar über den Londoner Goldmarkt weiterverlieh. Von der Gegenpartei des Leasings könnte das Gold anschließend verkauft worden sein. Im Fall der polnischen Goldkäufe ist es also möglich, dass diese auf Nettobasis nicht zur Erhöhung der realen, physischen Goldnachfrage geführt haben.
Ungarn: Rücktransport allen Goldes ins Inland
Für die wahrscheinlich überraschendste Entwicklung in dieser Serie der staatlichen Goldkäufe sorgte Ungarns Zentralbank, die Magyar Nemzeti Bank (MNB), als sie im Oktober bekanntgab, dass sie ihre Goldreserven um 1.000% erhöht hat - bzw. von 3,1 t auf 31,5 t. In einer Pressemitteilung gab die Notenbank an, dass sie 28,4 t Gold "in physischer Form", d. h. in Form von Goldbarren gekauft hat. Am interessantesten war jedoch die Information, dass sie das gesamte neu erworbene Gold nach Ungarn transportieren ließ.
Ein Teil des ungarischen Goldes, das im März 2018 aus London zurück ins Inland geholt wurde
Im März dieses Jahres hatte MNB bereits ihre ursprünglichen 3,1 t aus den Tresoren der Bank of England zurück nach Ungarn transportieren lassen. Eine entsprechende Bekanntmachung ist auf der Webseite der Bank (auf Ungarisch) zu finden. Die letzte Pressemeldung der Notenbank enthielt zwar keine spezifischen Informationen über die Herkunft des neu gekauften und nach Ungarn zurückgeführten Goldes. Doch da die ursprünglichen 3,1 t des Staatsgoldes aus den London Tresoren geholt wurden, ist es relativ wahrscheinlich, dass auch das neue Gold aus London stammte.
Das bedeutet, dass die ungarische Zentralbank die 28,4 t an Goldbarren wahrscheinlich auch in London gekauft hat und dabei auf die Dienstleistungen der Bank of England oder einer Bullionbank zurückgegriffen hat - oder beides. Dieser Kauf hätte für sich genommen eine zusätzliche Netto-Nachfrage nach physischem Gold generiert, wenn es sich bei der Gegenpartei der Transaktion nicht gerade um eine andere Zentralbank handelte, die ihr Gold verkaufte. Ein Kandidat für einen solchen Verkauf könnte die Notenbank von Marokko sein, die im August 18,8 t des Edelmetalls liquidierte und ihre Goldbestände von 22 t auf nur noch 3,3 t verringerte.
Ein Teil des ungarischen Goldkaufs oder auch der gesamte Kauf könnte also am sekundären Markt zu einer Erhöhung der Nachfrage nach physischem Gold geführt haben. Das Gold selbst könnte dabei aus den Beständen der Gold-ETFs oder der Bullionbanken stammen. Es könnte sich aber auch um Gold handeln, das von einer anderen Zentralbank geliehen wurde. Eine weitere Möglichkeit ist, dass es von einer Notenbank mittels der Bank of England verkauft wurde, und dass diese Notenbank sich noch nicht als Verkäufer zu erkennen gegeben hat. Da der Goldmarkt der Zentralbanken vollkommen intransparent ist, können wir unmöglich wissen, wie es sich wirklich verhalten hat.
Schlussfolgerung
Die Zentralbanken halten Gold aus verschiedenen Gründen als Reserve-Asset, u. a. um ihr Portfolio zu diversifizieren, um sich gegen die Wertschwankungen der Fiatwährungen abzusichern, als eine Art der finanziellen Versicherung bzw. als Safe-Haven-Asset, welches eine gewisse Stabilität bietet, und um durch das aktive Management ihrer Goldreserven Kapitalerträge zu erwirtschaften.
Das neu entfachte Interesse der Zentralbanken an dem gelben Metall ist definitiv eine positive Entwicklung und könnte in eigenen Fällen signalisieren, dass das Vertrauen bestimmter Zentralbanken in das aktuelle Währungssystem schwindet. Diese Banken mögen für Gold vielleicht eine Rolle innerhalb des internationalen Währungssystems der Zukunft sehen.
Es ist jedoch irreführend, wenn die Medien und der World Gold Council alle Goldkäufe durch die Zentralbanken in den gleichen Topf werfen, denn die Motivationen der einzelnen Notenbanken sind sehr verschiedenen und auch die Art und Weise dieser Transaktionen unterscheidet sich.
Zudem ist es falsch, wenn in den Medien behauptet wird, dass die Käufe der Zentralbanken die allgemeine globale Goldnachfrage erhöhen oder den Goldpreis steigen lassen werden, wenn das Edelmetall in einigen Fällen direkt von der Mine in die Tresorräume transportiert wird, und in anderen Fällen aufgrund der Undurchdringlichkeit des Goldmarktes überhaupt nicht klar ist, auf welche Weise die Notenbanken ihre angeblichen Käufe tätigen.
Es wäre nützlicher, wenn die Finanzmedien und der World Gold Council darüber berichten würden auf welche Art und Weise die Zentralbanken ihre Goldtransaktionen durchführen. Zudem müssten sie beginnen, die richtigen Fragen zu stellen, z. B.: Warum haben die Bank of England und die LBMA noch keine detaillierten und transparenten Berichte über den Goldhandel der Zentralbanken vorgelegt, einschließlich aller Gold-Leasings, Gold-Swaps und des tatsächlichen Umfangs der jeweiligen physischen Bestände, ohne das verliehene Gold?
© Ronan Manly
BullionStar
Dieser Artikel wurde am 5. November 2018 auf www.bullionstar.com und zuvor auf RT.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.