Faulendes Finanzsystem
09.11.2019 | Egon von Greyerz
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Kommen wir jetzt zur Schuldenblase: Die globale Verschuldung beträgt derzeit mindestens 270 Billionen $. Doch platzt diese Schuldenblase, so werden alle anderen Verbindlichkeiten, wie etwa Derivate im Umfang von 1,5 Billiarden $, ebenfalls platzen. Also: Wenn die Schuldenblase platzt, wird praktisch auch das gesamte Fiat-Geld vollkommen wertlos. Niemand kann es zurückzahlen und niemand will es noch kaufen.Ich bin mir bewusst, dass die letzten zwei Absätze eine sehr vereinfachte Erklärung dessen bieten, was in den kommenden Jahren passieren wird. Sie ist aber hoffentlich leicht verständlich.
Diese Ereignisse werden natürlich nicht auf einen Schlag passieren. Am Anfang werden wahrscheinlich die Aktienmärkte einbrechen, was wiederum die Kreditmärkte unter Druck setzen wird. Zusätzliche QE-Maßnahmen werden folgen, die allerdings nur kurzfristig wirken werden. Es folgen mehr Einbrüche, mehr Geldschöpfung, Inflation, Hyperinflation, Kreditausfälle und Bankeninsolvenzen. Dies wird in einer relativ raschen Abfolge passieren, bis es zu einer deflationären Implosion der meisten Vermögenswerte kommt. Im Artikel von letzter Woche, „Globale Warnung“, hatte ich das kurz skizziert.
Das erste deutliche Signal, dass irgendetwas faul ist im Finanzsystem, bekamen wir schon Anfang August, als verschiedene große Zentralbanken – Fed, EZB und BOJ – erklärten, man werde alles zur Stützung des Systems unternehmen. Über dieses wichtige Ereignis hatte ich in meinem Artikel vom 29. August geschrieben.
QE IST WIEDER DA! – NUR DÜRFEN WIR ES SO NICHT NENNEN
Dann im September begann die Fed mit Overnight-Repos im Umfang von 75 Milliarden $, die erhöht wurden auf 100 Milliarden $. Auch 14-Tage-Repos im Umfang von 30 Milliarden $ wurden durchgeführt, und dann auf 60 Milliarden $ erhöht. Darüber hinausgehend kündigte die Fed an, man werde nun mit QE-Maßnahmen beginnen – in Höhe von 60 Milliarden $ pro Monat. Doch laut Fed dürfen wir es nicht QE nennen! Nennen wir es also Geldschöpfung, denn genau das ist es.
Der Präsident der Fed von Minneapolis meinte dazu: „Hier geht es nicht darum, die geldpolitische Positionierung zu ändern. Hier geht es darum, für funktionsfähige Märkte zu sorgen. Das ist im Grunde nur ein Fall für Klempnerarbeiten.“
Da hat er natürlich recht, es ist ein Fall für Klempnerarbeiten. Das Problem ist nur: Das Finanzsystem leckt wie ein Sieb, ohne dass die geringste Chance bestünde, alle Löcher stopfen zu können.
Zwischen Ende 2017 und 2019 reduzierte die Fed ihre Bilanz um 700 Milliarden $ – von 4,5 Billionen $ auf 3,8 Billionen $. Und wie immer hat die Fed keinen Schimmer. Sie verstand nicht, dass es einfach nicht möglich ist, ein System auf Geldentzug zu setzen, das ohne konstante Einspeisung von mehr und mehr geschöpftem Geld nicht überleben kann. Das Problem ist, dass das System auch mit zusätzlicher Geldschöpfung nicht überleben wird. Denn ein Schuldenproblem lässt sich nie mit noch mehr Schulden lösen. Also egal wie – wir sind verdammt.
Die Fed wird also jetzt dem Beispiel der EZB folgen, welche nun 20 Milliarden $ monatlich drucken wird – ohne Begrenzung. Die BOJ hat natürlich nie aufgehört, Geld zu drucken. Die japanische Zentralbank besitzt jetzt 50 % aller japanischen Anleihen und stützt aggressiv den Aktienmarkt. Seit 1999 hat sich die Bilanz der BOJ verachtfacht (8 x), sie beträgt aktuell 560 Billionen Yen (5 Billionen $).
Ja, das System fault, und jetzt beginnt es zu riechen. Gerade die Maßnahmen der Fed riechen seit einigen Wochen nach Panik. Gibt es ein Problem mit JP Morgan oder der Bank of America? Oder stützt die Fed vielleicht sogar die bankrotte Deutsche Bank? Wahrscheinlich werden wird bald schon herausfinden, wo die größten Problemherde sind.
Am problematischsten für die Banken sind die Unternehmensschulden, und sie werden mit jedem Tag riskanter. Die Unternehmensfinanzierung von We Work und Merlin sind klare Signale, wie gefährlich dieser Markt geworden ist.
Die Zentralbanken löschen schon jetzt Feuer, und bislang wissen nur ganz wenige, dass es überhaupt schon brennt. Doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich diese Problemherde wie Buschfeuer im Finanzsystem verbreiten werden.
AUSBLICK
Die Anlagemärkte werden in Kürze die Risiken im Finanzsystem abbilden. Die Aktienmärkte werden diesen Herbst wahrscheinlich heftige Verluste zu verzeichnen haben. Doch potentiell könnte der Absturz noch bis Anfang nächsten Jahres auf sich warten lassen. Das Risiko besteht jedoch schon heute.
Der Dollar ist extrem schwach. Obgleich er unter den großen Währungen noch die höchsten Zinsen abwirft, schwächt sich der Dollar jetzt ab und wird möglicherweise seine finale Abwärtsbewegung auf NULL beginnen.
Und zum Schluss: Die Edelmetalle haben gerade erst begonnen, die Risiken im Finanzsystem abzubilden. Die kleine Korrektur, die wir gerade erlebt haben, endet jetzt. Über diese kleinen Kursbewegungen bei den Metallen braucht man sich aber keine Gedanken zu machen! Physisches Gold und Silber werden bald ihre Reise zu einem Vielfachen der heutigen Preise antreten. Doch viel wichtiger: Sie werden Lebensretter sein, wenn das Finanzsystem zerfällt.
© Egon von Greyerz
Matterhorn Asset Management AG
www.goldswitzerland.com
Dieser Artikel wurde am 28. September 2019 auf www.goldswitzerland.com veröffentlicht.
Hinweis Redaktion: Herr von Greyerz ist Referent der diesjährigen Internationalen Edelmetall- und Rohstoffmesse, die am 8. & 9. November 2019 in München stattfindet.