Suche
 
Folgen Sie uns auf:

Alternative Geldexperimente und Reformansätze - Revolution von unten?

19.04.2007  |  Markus H. Schiml
Einführung

In den letzten Jahren ist die Akzeptanz des aktuellen Wirtschaftssystems aus mehreren Richtungen in starke Bedrängnis geraten. Vor allem das Geld- und Weltwährungssystem sieht sich durch die spekulativen Übertreibungen, die Verschuldungsproblematik der Dritten Welt, die global ebenfalls sehr hohe Staatsverschuldung in den Industrieländern, die Umweltdiskussion sowie verschiedene Währungs- und Börsenkrisen von Schwellen- und Industrieländern sehr starker Kritik gegenüber.

Wenn man diese Kritiker einordnen wollte, so sind dies einmal Sozialisten, Globalisierungsgegner, Mittelständler sowie Wissenschaftler bzw. Praktiker, die sich der österreichischen Tradition um die Geldtheorie Ludwig von Mises oder dem Ansatz von Friedrich August von Hayek verschrieben haben, sowie ein Kreis, der sich auf die Lehre von Silvio Gesell (1916) beruft. Weiterhin macht die debitistische Lehre von Paul C. Martin, die verwandte Eigentumstheorie des Wirtschaftens von Heinsohn und Steiger und der neue Wachstumsmarkt des "Islamic Bankings" von sich reden.


Überblick

Vor allem die ersten beiden Ansätze der Österreichischen Schule und der Freigeldlehre offenbaren liberale Lösungsansätze, die unter freiheitlichen Rahmenbedingungen durchaus Kombinationspotenzial aufweisen. Als Gemeinsamkeit ist zweifellos die Skepsis über die langfristige Stabilität des Geld- und Wirtschaftssystems in der aktuellen institutionellen Form zu konstatieren. Ansonsten gehen die Meinungen diametral auseinander.

Während die Anhänger Mises’ die Ursache für die ihrer Meinung nach schädliche zu hohe Liquiditätsmenge in erster Linie auf das staatliche Geldmonopol zurückführen und eine Wiederauflegung des disziplinierenden Goldstandards oder einen Währungswettbewerb fordern, sehen die "Gesellianer" das Problem der regelmäßig wiederkehrenden Wirtschaftskrisen in erster Linie im bestehenden Zinssystem, welches zu einer starken Geldhortung verleitet und zu einer "Wachstumsspirale" führt.


Historische Bewährungsproben

Dass beide Ansätze bereits einmal sehr gut funktioniert haben, kann man anhand mehrerer praktischer Beispiele sehen. So beruft man sich bei Gesell und seinen Anhängern auf historische Beispiele des mittelalterlichen Brakteatengeldes, verschiedene Papiergeldversuche oder auf das österreichische Wörgl-Experiment sowie auf die aktuellen Strömungen von erfolgreichen regionalen sowie sektoralen Komplementärwährungen wie das kanadische LET-System, die Schweizer Wirtschaftsring-Genossenschaft (WIR), das dänisch-schwedische J.A.K.-System, das deutsche "Chiemgauer-Geld" und die aus akademischen Kreisen entwickelte Bildungswährung "Saber" in Brasilien.

Auf österreichischer Seite erinnert man sich in erster Linie an die guten Erfahrungen mit dem Goldstandard zwischen 1871 und 1914, wo die Inflation über den Gesamtzeitraum gesehen konstant war, die steigenden Inflationsraten sowie die Hyperinflationen im 20. Jahrhundert des Papiergeldes und verweist aktuell nach dem Anstieg der Rohstoffpreise auf die Wiederentdeckung des Goldes als Anlage- und Geldform, das seit der "Erfindung" des Geldes vor mehreren Tausend Jahren nichts am Charakter als Krisenmetall verloren hat.


Freigeld und Regionalwährungen

Mittlerweile gibt es weltweit über 4.200 Regionalwährungen. Die Berichterstattungen darüber sind durchweg positiv. Im deutschsprachigen Raum sollen es bereits über 200 sein. Im deutschen Dachverband Regiogeld e.V. sind über 52 aufgelistet. Viele sind bereits wieder in Vorbereitung. So etwa die Hansemark für Hamburg.

Sehr stark scheinen die Regionalwährungen nach dem Crash von 1990 in Japan im Kommen zu sein. Aber auch in den USA existieren vielfältige Anstrengungen. Diese Währungen haben die unterschiedlichsten Konstruktionen und Ausrichtungen. Als Gemeinsamkeiten - kann man sagen - ist die Initiative zu sehen, den Globalisierungstendenzen eine lokale Gegenkraft entgegenzusetzen, um den Abfluss von Kapital ins Ausland zu verhindern und die regionale Gemeinschaft zu stärken. Oft sind auch Globalisierungsgegner oder Anthroposophen unter den Initiatoren. Argumente wie Umweltzerstörungen, ungerechte Vermögensverteilungen oder die Gefahr der Machtfunktion des staatlichen Geldes werden angesprochen. In erster Linie wird die Schuld am Zins festgemacht, der zum Wachstum zwingt, Ressourcenausbeutung hervorruft oder Vermögenskonzentration initiiert.

Die Ursprünge sind bei den Schriften von Proudant, Silvio Gesell oder Rudolf Steiner zu sehen. Während Gesell einen negativen Zins fordert und die Geldmengenentwicklung an einem Index festmachen wollte, spricht Steiner, ohne eine konkrete theoretische Begründung zu liefern, vom "alternden Geld" und sieht negative Zinsen skeptisch.


Das Zinsverbot bei den großen Weltreligionen

Die Diskussion über das Zinsverbot wurde bereits bei den großen Weltreligionen, dem Judentum im eigenen Volk, dem Christentum und dem Islam, geführt und war auch schon bei Platon, Aristoteles, Seneca oder Thomas von Aquino ein Thema. Für die christliche Kirche wurde das Zinsverbot erst 1983 aus dem Kodex des kanonischen Rechts gestrichen, nachdem die Kirche bereits seit dem 19. Jh. Angibt, keinen Spezialisten auf diesem Gebiet mehr zu besitzen, als man eine Stellungnahme von ihr einforderte.

Im Islam macht aktuell das "Islamic Banking", ein neuer Megamarkt mit einem geschätzten Marktvolumen von 2,2 Mia. Dollar, von sich reden, bei dem das Zinsverbot in Verbindung mit der Untersagung einer Investition in Branchen wie Glücksspiel-, Erotik-, Tabak-, Schweinefleisch- und Alkoholindustrie umgesetzt wird. Mit ca. 1,5 Mia. potenziellen islamischen Kunden weltweit ein interessantes Geschäftsfeld. Nachdem registriert wurde, dass Koran-konformes Anlegen ein internationales Phänomen ist, gibt es nun auch den Dow Jones Islamic Market (DJIM) mit Aktien, die "halal" sind. Anlagen in Optionen, Futures, Derivate und Hedgefonds ist den gläubigen Moslems wegen des Glücksspielcharakters ebenfalls verboten.


Austro-liberale Ansätze

Auf der Seite der Austro-Liberalen sieht man nicht im Zinssystem oder in der Globalisierung ein Problem, sondern vielmehr in der Geldmonopolstellung des Staates und der hohen Liquiditätsentwicklung in den letzten Jahren. Dabei verweist man auch etwa auf die über 20 Hyperinflationen im 20. Jahrhundert als Folge des Papiergeldes. Diesem Anreizmechanismus auf Seiten der Regierung will man disziplinierende bzw. kontrollierende Instanzen entgegensetzen.

So wird zum einen die Rückkehr zu einem Goldstandard gefordert. Die psychologische Sicherheit einer Unterlegung einer Währung mit physischen Werten würde einerseits das Vertrauen stärken. Andererseits würde die Bindung an das Gold eine disziplinierende Wirkung hinsichtlich der konstatierten Liquiditätsflut für die geldpolitischen Entscheidungsträger ausüben. Der im Inland und im Ausland wirkende Goldautomatismus sollte sein übriges Vollbringen. Uneinig ist man sich hier allerdings über die exakte Ausgestaltung. So wird ein 100%-Goldstandard oder alternativ ein Fractional-Reserve-Banking, also eine Teilhinterlegung mit Gold, diskutiert.

"Denationalisation of Money" aus dem Jahr 1976. Durch die Abschaffung des Staatsmonopols über das Geld würde sein Vorschlag - die Einführung von konkurrierendem Privatgeld - einen Stabilitätswettbewerb zwischen verschiedenen Konsortien ermöglichen, deren Disziplinierung durch Gewinne der Emittenten gesichert werden sollte.

Einer dem Hayek-Vorschlag verwandte und mit gewissem Scharm auftretende Alternative machte einige Jahre später Hans F. Sennholz in seinem Werk "Money and Freedom" aus dem Jahr 1985. Er forderte dabei weder die Abschaffung der Papierwährungen und schon gar nicht die Auflösung der Zentralbanken. Ins Zentrum seines Ansatzes stellte er die Vertragsfreiheit. So sollen die Verträge nicht unter einen Zwang für nur eine Zahlart gestellt werden. Er könne sich Rohstoffkonten in vielfältiger Weise vorstellen, wie sie heute teilweise bereits existieren. Mit anderen Worten plädierte er für die Abschaffung des staatlichen Geldmonopols, räumte aber ein, dass der Staat weiter Geld emittieren und die Steuern durch das Staatsgeld eintreiben könne.

Durch diesen einfachen und auch praktikabelsten Mechanismus würde der Staat zu einer stabilitätsorientierten Geldpolitik diszipliniert und man könne ebenso Transaktionskosten sparen, sofern der Staat diese Rolle gut ausfüllt. Natürlich wird der Staat Interesse daran haben, wenn seine Steuereinnahmen in Form von stabilem Geld eintreffen und nicht vorher in anderen Währungen oder Edelmetallen gelagert werden, bevor man diese in weniger stabiles Staatsgeld umtauscht, um anschließend seine Steuern zu bezahlen.




Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!




Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"