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Die EU nutzt Corona als Zentralisierungschance

28.11.2020  |  Prof. Dr. Eberhard Hamer
Nach den EU-Verträgen sollte die Europäische Union nur eine Wirtschaftsgemeinschaft von 27 souveränen Staaten sein und eigentlich demokratisch strukturiert werden.

Beide Grundlagen sind inzwischen aufgegeben.

Die EU geht nach dem Grundsatz ihres früheren Präsidenten Juncker vor: "Wir beschließen etwas, stellen es dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter - Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt."

So ist bisher die Entdemokratisierung Europas und die Machtergreifung der Brüsseler Politkommission verlaufen. Die Corona-Krise der vor dem Staatsbankrott stehenden Länder Italien, Spanien und Frankreich hat nun einen letzten Schub ermöglicht, der die EU von einem Staatenbündnis zu einem Bundesstaat zentralisiert hat:

1. Im Vertrag zu Maastricht wurde als Sicherung gegen die Haftung aus dem gemeinsamen Euro festgelegt, dass kein Staat für den anderen haften solle. Das war deshalb wichtig, weil z.B. Italien ein offenes Subventionsfass ist, in dem die EU-Gelder überwiegend bei kriminellen Organisationen statt bei Förderzwecken landen. Und Spanien hat eine notorische Misswirtschaft. Der Gemeinsame Euro bot also die Gefahr, dass die notorischen Schuldenmacher auf Kosten der soliden Länder den Euro missbrauchen würden.

Entgegen aller Beschwörungen, dass die Eigenhaftung aufrechterhalten und auch keine Euro-Bonds eingeführt würden, hat Merkel dem Europäischen Stabilitätsfonds (ESM = Europäisches Schuldenmonster) 2013 zugestimmt und der Bundestag dies bestätigt. Der Eurofonds kann Kredite bis 700 Mrd. Euro ausgeben, für die alle haften (Deutschland am meisten). Damit bekamen die überschuldeten Länder Portugal, Irland, Italien, Spanien u.a. weitere Kredite, um ihre Misswirtschaft weiterführen zu können („Rettungsschirm“).

Entgegen Einzelhaftung wurde also Solidarhaftung und der erste Schritt zur Euro-Finanzsouveränität gemacht – gegen alle Gesetze und politischen Versprechen, aber auf Druck der Mehrheit der unsoliden Euro-Länder und internationalen Finanzindustrie.

Die EU entwickelte sich nach dem Willen von Merkel-Macron im ersten Schritt von der Währungs- zur Schulden- und Transferunion.

Griechenland, Italien und Spanien waren auch 2019 wieder finanziell am Ende. Italien drohte wie Großbritannien mit dem Austritt. Da musste die Corona-Epidemie herhalten, um Merkel auf den Willen von Macron einzuschwören, einen Sonderfonds von 750 Milliarden - davon 380 Milliarden Geschenke - für die Konkursländer zu beschließen, also die EU als Bestechungsunion weiter für die zahlungsunfähigen Länder zahlen zu lassen. Die Parlamente wurden erst gar nicht gefragt, durften nachher "alternativlos" zustimmen.

Damit hat die EU nun eigene Gelder, die sie in eigener Kompetenz verteilen kann. Zur vollen Finanzsouveränität gehört jetzt nur noch der logische Schritt, dass sie für diese ungeheuren Schulden auch eigene Einnahmen braucht. Auch hierzu hat Corona geholfen: Die EU hat aus eigener Machtvollkommenheit gegen alle Verträge die erste Anleihe begeben, also sich eigene Einnahmen verschafft. Der Weg zur Finanzsouveränität über die Mitgliedsländer wird also konsequent nach der Juncker-Methode weiter bestritten.

2. Bisher haben die souveränen Länder darüber entschieden, wie hoch die Ausgaben der EU sein und an wen sie geleistet werden sollten. Die EU-Kommission hat nun eigene Umweltziele (Green Deal) formuliert, nach denen sie eigenmächtig die Mittel verteilen will. Sie hat sogar eine Wohlverhaltensklausel in den Haushalt geschmuggelt („Rechtsstaatprinzip“), mit welchem sie in freier Auslegung einzelnen Ländern Gelder zurückhalten kann, wenn diese nicht den EU-Ordern parieren. Die Souveränität der Einzelländer ist damit an die EU gegangen, die einzelnen Länder sind nur noch Provinzen, die von den Zahlungen der EU abhängig werden.

In gleicher Weise ist schon einmal die demokratische Struktur der evangelischen Kirche umgedreht worden: Früher hatten die Gemeinden eigene Einnahmen von Kirchensteuern und Kirchenbeiträgen. Hitler hat der Kirchenleitung den zentralen Einzug über die Finanzämter gegeben. Damit bestimmte plötzlich die Kirchenleitung die Verwendung der Gelder und wurden die Gemeinden von Beitragszahlern zu Bittstellern.

Die gleiche Entwicklung haben wir bei der EU. Polen und Ungarn wehren sich gegen diesen Souveränitätsverlust. Geben sie klein bei, ist die EU total umgewandelt zu einer Zentralmacht mit eigener Finanzsouveränität, Zielsouveränität und Untertänigkeit statt Mitbestimmung der Länder. In der Frage der Disziplinierung von Polen und Ungarn entscheidet sich nun das Schicksal aller souveränen Mitgliedstaaten. Die EU ist auf dem Wege, das Gegenteil von dem zu werden, was sie überhaupt sein sollte.

3. Das zeigt sich auch im Demokratiekriterium. Die EU ist nicht demokratisch, sondern nach russischem Vorbild zentralistisch als Rätesystem konstruiert. Die Kommission ist nicht dem Parlament, sondern dem Präsidenten verantwortlich. Nur dieser kann Kommissare berufen und entlassen. Der Präsident wiederum wird aber nicht demokratisch gewählt, sondern in Hinterzimmern der Hochfinanz. Bei der letzten Wahl haben zwei Kandidaten um den Präsidentenposten in ganz Europa gekämpft, deren Sieger nachher durch eine nicht gewählte, sondern vom Machtklüngel bestimmte Kandidatin besetzt wurde. Demokratie sähe anders aus.

Die wachsende Zentralisierung der EU bedeutet aber auch indirekt einen Demokratieverlust für die Selbstregierung der Länder. Mehr als 80% der Vorschriften stammen inzwischen nicht mehr aus souveränen Ländern, sondern aus der EU. Diese haben die Länder nur noch pflichtgemäß "umzusetzen". Je zentraler also die EU wurde, desto mehr Abbau an dezentraler Demokratie fand statt.

4. Die gleiche Entwicklung sehen wir auch im Rechtssystem. Früher waren nationale Verfassungs- und Verwaltungsgerichte letztzuständig für die politische Struktur ihres Landes.

Dies sollte nach alle EU-Verträgen auch so bleiben, ist aber völlig anders gelaufen, weil die EU einen Europäischen Gerichtshof eingerichtet hat, der eigentlich nur für Streitigkeiten der EU-Länder untereinander zuständig sein sollte, aber inzwischen für alles zuständig geworden ist, weil die nationalen Höchstgerichte auch Rechtsstreitigkeiten, für welche der Europäische Gerichtshof gar nicht zuständig war (Soldatenurteil, Migration, Frauenrechte, Diskriminierungsurteile u.a.), an den Europäischen Gerichtshof geschoben haben und ihm damit eine Zuständigkeit gegeben haben, die er gar nicht haben sollte.

Der politischen Zentralisierung der EU ist also die Zentralisierung der Rechtsprechung gefolgt. Die EU-Kommission kann also über die von ihr bestimmten Richter zusätzliche Zentralisierungseinflüsse auf das ganze Rechtssystem jedes einzelnen Staates nehmen. Die Justizsouveränität der Mitgliedsstaaten ist damit entmündigt worden. Nicht mehr die Länder bestimmen letztlich, was recht ist, sondern eine von der EU eingesetzte und abhängige Europa-Gerichtsbarkeit - gegen alle Ursprungsabsichten und Verträge.

5. Die Zustimmung der Parlamente zur Wohlverhaltensklausel soll die Zentralisierung Macron/Merkel in der EU und deren freie Mittelvergabe durchsetzen. Die ehemals souveränen Mitgliedsstaaten werden dadurch zu Provinzen eines Zentralstaates wie in den USA oder der Sowjetunion.

Die Politik der Regierung Merkel, Kompetenzen, Souveränitäten und Macht in die EU-Zentrale zu schieben, bedeutet einseitige Vorteile für das EU-Politbüro und seine internationalen Steuerleute. Deutschland dagegen ist langfristig Verlierer, weil
  • die Transferunion Rechtsansprüche von korrupten und unsoliden Pleiteländern gegen die EU-Zentrale und damit an den Wohlstand Deutschlands schafft. Mit anderen Worten: Deutschland muss künftig immer mehr Wohlstand an ärmere Mitgliedsländer abgeben, auch wenn diese ihre Armut durch Korruption und Misswirtschaft selbst verschulden.

  • Deutschland hat sich sogar bereit erklärt, mehr als anteilig zum Ausgleich des Brexit-Defizits an die Zentrale zu zahlen, erhält aber dafür keinerlei Dank oder Einfluss. Vielmehr haben die Mittelmeerländer inzwischen (nach Austritt Großbritanniens) eine absolute Erpressungsmehrheit, um Deutschland auszubeuten. Die EU ist also finanzpolitisch zur Gefahr für Deutschland und seinen Wohlstand geworden.

  • Die Zentralisierung hat auch zu einer Vergemeinschaftung der Risiken geführt. Zwar kann kein Einzelland mehr alleine Bankrott machen, weil alle 27 - insbesondere Deutschland - zur Hilfe verpflichtet sind, aber die Masse und das Gewicht der Bankrotteure Griechenland, Portugal, Spanien, Italien, Frankreich u.a. wird dafür einen Gesamtkonkurs in Europa bringen. Deutschland hat sich selbst also durch Aufhebung der Haftungssperren den Weg zum gemeinsamen Untergang mit den Pleiteländern geöffnet.

    Die Regierung weiß offenbar nicht, dass Gesamthaftung nicht nur anteilige Haftung bedeutet, sondern Gesamthaftung jedes Einzelnen für alles. Wir werden also, weil die anderen nicht können, für alles gegriffen.

Was hat Merkel mit der Zentralisierung und der Haftungsübernahme in der Transferunion gewonnen? Einen Aufschub, eine Verstärkung der Verschuldung und die nur vorübergehende Vermeidung eines Zusammenbruchs einzelner EU-Länder, bald dafür aller zusammen mit der EU.


© Prof. Dr. Eberhard Hamer


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