Die Neuauflage der marxistischen "Verelendungstheorie": Klimawandel und Corona. Was Mises und Hayek dazu sagen würden
25.04.2021 | Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Sie können auch nicht wissenschaftlich hinreichend begründet sagen, dass ein Zusammenhang von Faktoren, der in der Vergangenheit beobachtbar war, auch künftig notwendigerweise Bestand haben wird. Und selbst wenn die Klimawissenschaften zum Schluss kämen, CO2 sei nicht für die globale Erwärmung maßgeblich verantwortlich, dann hätte auch diese Aussage keine wissenschaftliche Gewissheit.Kurzum: Die Klimawissenschaften können das, was die Menschen von ihnen erhoffen - verlässliche Prognosen über die Zukunft - aus erkenntnistheoretischen Gründen nicht liefern.
Die Eigentumsnorm
Wie geht man mit dem Wissensproblem um? Die Antwort liegt auf der Hand: Man überlässt sie den freien Märkten, genauer: man setzt auf die konsequente Durchsetzung der Eigentumsrechte - und nicht auf staatliches Handeln. Derjenige, der sich geschädigt fühlt, zieht vor Gericht, allein oder in der Gruppe (Stichwort: "Sammelklage") - und verklagt den Schädiger auf Unterlassung beziehungsweise Schadenersatz.
Streitigkeiten werden im Zuge des Deliktsrechts (das Teil des Zivilrechts ist) auf gerichtlichem Wege entschieden. Gefährdungshaftung ist hier das Stichwort. Nehmen wir an, die Richter, denen die Streitfrage vorgelegt wurde, kommen zum Urteil: Ja, der CO2-Ausstoss muss verringert werden, weil er objektiv nachweisbar Eigentümer schädigt. Die erste Frage, die sich dann stellt, lautet: Wie soll die Verantwortlichkeit eines einzelnen CO2-Emittenten ermittelt werden?
Kohlenstoffemissionen eines einzelnen Emittenten können einen Klimawandel nur in Verbindung mit den Emissionen vieler anderer Emittenten verursachen. Nach der Regel der kombinierten Wirkung wird jedoch jeder Emittent (teil-)haftbar gemacht (und infolge des einstweiligen Rechtsschutzes zur Verringerung beziehungsweise Einstellung seiner Emissionen verurteilt), weil sie zum Klimawandel beitragen (auch wenn sie für sich betrachtet keine Auswirkungen haben).
Ein solcher eigentumsbasierter Umwelt- und Ressourcenschutz befördert, so wäre zu erwarten, den Fortschritt in den Klimawissenschaften. Denn die Gefahr verklagt zu werden, ist für Unternehmen ein wirksamer Anreiz, in die Klimawissenschaft zu investieren. Eigentümer, die sich geschädigt fühlen, haben ebenfalls einen Anreiz, die Klimaforschung zu unterstützen.
Dadurch wird ein produktiver Wissenschaftswettbewerb befördert, und das faktische Meinungsmonopol des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change, das staatlich finanziert wird) wird aufgebrochen. Der technologische Fortschritt wird ermutigt. Im Bestreben, die Kosten zu senken, wird die weniger schadstoffintensive Produktion befördert.
Nochmal: die Privatrechtsgesellschaft
Jetzt werden Sie fragen: Wie lassen sich denn Rechtsprechung und Rechtdurchsetzung ohne Staat organisieren? Die freien Märkte, die Privatrechtsgesellschaft, haben auch hier die Lösung.
In einem freien Markt fragen Menschen Recht und Sicherheit nach. Man will schließlich sich und sein Eigentum schützen. Die Anbieter von Recht und Sicherheit sind zum Beispiel Versicherungsunternehmen. Sie bieten Versicherungen an gegen Einbruch, Diebstahl, Feuer, Körperverletzung etc. In den Versicherungsverträgen wird genau festgelegt, welche Leistungen die Versicherung erbringt. Dazu gehört auch, welche Schiedsstelle oder Richter angerufen werden, wenn ein Konflikt entsteht i) zwischen dem Versicherungsnachfrager und der Versicherung oder ii) zwischen Versicherungsnachfragern verschiedener Versicherungen.
Schiedsstellen und Richter stehen ebenfalls im Wettbewerb. Um erfolgreich zu sein, müssen sie sich als anerkannte Unparteiische beweisen. Sonst scheiden sie aus dem Markt aus. Beispiel: Herr A ist bei Versicherung X versichert. Nun meldet Herr A seiner Versicherung, dass er von Frau B, die bei Versicherung Y versichert ist, durch Abgase gesundheitlich geschädigt werde.
Die Versicherung X setzt sich mit Versicherung Y in Verbindung. Gibt es keine Meinungsverschiedenheit (kommen die Versicherungen also zum Schluss, die Klage sei berechtigt oder abzuweisen), ist der Fall geklärt (eventuell muss noch ein Schadensanspruch ausgehandelt werden). Gibt es kein Einvernehmen, wird ein Schiedsgericht angerufen. Vertraglich lassen sich mehrere Instanzen festlegen, aber es wird in den Versicherungsverträgen einen Letztentscheider geben.
Dessen Entscheidung ist bindend. Die Versicherungsunternehmen haben einen Anreiz, sie zu akzeptieren - denn ohne sie wird ihr Geschäftsmodell nicht funktionieren. Zur Durchsetzung des Richterspruches haben die Versicherungsunternehmen entweder spezialisierte Personen ("Detektive" und "Kopfgeldjäger"), oder sie lagern diese Aufgaben an Dritte aus.
Sind die Märkte frei - ist also der Staat, wie wir ihn heute kennen, ausgeschaltet -, wird sich ein internationaler Markt für Versicherungs- und Schiedsgerichte etablieren, ein internationales Regel- und Gesetzeswerk herausbilden, das eine effektive Durchsetzung der Eigentumsrechte in Aussicht stellt. Streitfälle, die sich um Erderwärmung drehen, landen dann auf den Tischen von unabhängigen Richtern, nicht in den Händen von Politikern, die nur wenig oder kein Interesse haben, das Eigentum ihrer Mitmenschen zu schützen.
Ein beträchtlicher Wissenszuwachs wäre zu erwarten: Weil die Klimawissenschaften einen großen zusätzlichen Anreiz bekommen, intensiv und redlich der Wahrheit auf die Spur zu kommen. Und das wiederum verbessert die Möglichkeit, die Eigentumsrechte der Menschen durchzusetzen - nicht nur in einigen wenigen Regionen, sondern letztlich auf der ganzen Erde.
Zum guten Schluss
Mises und Hayek warnen uns gegenüber einem entgrenzten, einem sich selbst entgrenzenden Staat. Es ist eine Warnung von allergrößter Relevanz in einer Zeit, in der die Lösung der Probleme “Klimawandel” und “Coronavirus-Krise” (und der damit verbundenen Wissensprobleme) dem Staat zugesprochen beziehungsweise vom Staat beansprucht wird.
Die Freiheit von Bürgern und Unternehmern - und damit letztlich auch Frieden und Wohlstand - bleiben jedoch auf der Strecke, wenn es nicht gelingt, den Staat zurückzubauen. In der Welt des erstarkten Staates ist nämlich zu befürchten, dass die Drohkulisse “Klimawandel” weiter auf- und ausgebaut wird; und dass auch die Angst vor weitergehenden Viruserkrankungen weiter befeuert wird - und Impfpflicht, Impass und Bewegungs-App auf der herrischen Agenda der politischen Globalisten einen festen Platz bekommen.
Was aus meiner Sicht notwendig ist, um eine freiheitliche Gesellschaft und den Wohlstand der Menschen zu erhalten, ist eine "Kopernikanische Änderung der Denkungsart": Wenn der Staat (wie wir ihn heute kennen) nicht als Problem, sondern weiterhin als Lösung der Herausforderungen Corona und Klimawandel angesehen wird, droht das Abgleiten in den allmächtigen Staat, eine Art "Chinarisierung" der westlichen Welt. Um dieses Szenario zu verhindern, ist der konsequente Rückbau des Staates erforderlich, vor allem auch die Aufspaltung der großen Staatseinheiten in kleine politische Einheiten, die im System der freien Märkte wettbewerblich - also produktiv und friedvoll - miteinander kooperieren.
© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH
(1) Mises (1927), Liberalismus, S. 32.
(2) Hayek (2004), Weg zur Knechtschaft, S. 37.
(3) Mises (1940), Nationalökonomie, S. 56.