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Die Goldwährung

18.07.2021
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Da die Indexzahlenmethode nicht zu einer eindeutigen Lösung führt, wird man immer verschiedene Ansichten darüber vertreten können, ob diese oder jene Errechnungsart der Indexzahl die richtigere ist. Bei einem auf der Indexzahl beruhenden Geldsystem würde die Lösung dieser Frage größte Bedeutung für die Einkommens- und Vermögensgestaltung der einzelnen und ganzer Bevölkerungsschichten haben, so dass die Differenzen nicht einfach als Gelehrtenstreitigkeiten anzusehen wären, die fern von allen Interessengegensätzen ruhig betrachtet werden können.

Sie würden vielmehr in den Mittelpunkt der politischen Kämpfe rücken, und je nach den Erfolgen, die die eine oder die andre Partei gerade erzielt, würde die Geldwertgestaltung nun plötzlichen und scharfen Veränderungen unterworfen sein. Diese Unzulänglichkeiten des obrigkeitlich geregelten Geldsystems sind es, die bisher zur einmütigen Ablehnung aller jener Währungsprojekte geführt haben, die auf dem Indexzahlensystem aufgebaut sind.

Seit mehr als hundert Jahren wurden immer wieder Vorschläge gemacht, die Edelmetallwährung zumindest für Schuldenverhältnisse durch eine auf der Indexzahl aufgebauten Warenwährung zu ergänzen oder zu ersetzen.

Um Gewinne und Verluste aus langfristigen Schuldverträgen zu vermeiden, wurde vorgeschlagen, daß langfristige Schuldverträge nicht mehr in der Weise wie bisher durch Erlag einer bestimmten Geldsumme verzinst und getilgt werden sollen. Die Verzinsung und Rückzahlung soll vielmehr mit jenem Nominalbetrag erfolgen, der der Kaufkraft der Leihsumme zur Zeit der Aufnahme der Schuld entspricht. Wenn also eine Hypothekarschuld von 100.000 Dollar aufgenommen wurde zu einer Zeit, da der Index 100 betrug, so soll sie, wenn sie nach Jahren, zu einer Zeit, wo der Index bei 120 steht, zur Rückzahlung gelangt, nicht mit 100.000 Dollar, sondern mit 120.000 Dollar zur Rückzahlung fällig sein.

Diese Vorschläge wurden besonders in England und in Amerika in der eingehendsten und gründlichsten Weise erörtert, sie sind aber doch niemals durchgeführt worden, weil man eben erkannt hat, daß das System der Indexzahlen keine feste und sichere Grundlage für die langfristigen DarleDarlehensverträge zu bieten vermag. Man hat in den angelsächsischen Ländern, anders als auf dem Kontinent, niemals die Augen vor der Tatsache verschlossen, daß die Wertbewegungen des Goldes den Inhalt der langfristigen Verträge sehr stark beeinflussen.

Wie groß diese Beeinflussung ist, zeigt die Tatsache, daß die Kaufkraft des Goldes von 1896 bis 1912 im Verhältnis von 100:65 gesunken ist, das heißt also, daß der Sparer, der seine Ersparnisse in festverzinslichen Effekten angelegt hat, in dieser Zeit ein Drittel seiner Ersparnisse verloren hat.

Man war aber, nicht mit Unrecht, der Anschauung, daß selbst dieser Zustand noch vorzuziehen sei einem solchen, bei dem die Höhe des Betrages, mit dem Darlehen zu verzinsen und rückzuzahlen sind, abhängig gemacht wird von den wechselnden Anschauungen der Gesetzgeber und Richter. Man hat an der Goldwährung festgehalten, trotzdem man ihre Übelstände erkannt hat, weil man der Ansicht war, daß mit jedem andern System noch unvergleichlich größere Übelstände verbunden sind.

Nun werden in England und in den Vereinigten Staaten von Keynes, Sir Josiah Stamp und Irving Fisher mit großer Energie Vorschläge vertreten, die das gesamte Geldwesen - also nicht nur für den Bereich der Schuldverhältnisse - von der bewußten Regelung durch öffentliche Organe abhängig machen wollen. Auf die Einzelheiten dieser Vorschläge und auf ihre banktechnische Seite kann hier nicht näher eingegangen werden; gemeinsam ist ihnen allen, daß sie die Zuverlässigkeit der Indexzahlenmethode sehr beträchtlich überschätzen.

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Die Anhänger der "manipulierten" Währung haben mit großem Scharfsinn die Mängel der Goldwährung aufzudecken gesucht. Sie übersehen aber immer wieder, daß das Steigen der Warenpreise und der Rückgang des Goldwertes in den letzten drei Jahrzehnten nicht so sehr auf die Vermehrung der Goldausbeute zurückzuführen ist als auf den Umstand, daß die Politik der letzten Jahrzehnte in allen Ländern der Welt bewußt darauf hinarbeitete, das Gold aus dem effektiven Umlauf zu verdrängen und die Umlaufmittel, das heißt die nicht durch Gold gedeckten Banknoten und die nicht durch Gold gedeckten Kassenführungsguthaben, über die mit Scheck verfügt werden kann, zu vermehren.

Überall in der ganzen Welt hat man, mehr oder weniger geleitet von der irrigen Vorstellung, daß man den Zinsfuß ermäßigen könne, wenn man die Geldmenge vermehrt, die Vermehrung der Umlaufsmittel erleichtert und gefördert.

In den Preissteigerungen, die im Gefolge dieser Politik eingetreten sind, hat man zunächst nur das Zeichen steigender wirtschaftlicher Prosperität erblickt. Es würde genügen, wenn man die Förderung, die man der Umlaufmittelausgabe zuteil werden ließ, beseitigt und wenn man dem Golde im effektiven Umlauf wieder jene Stellung einräumt, die es vor einigen Jahrzehnten noch gehabt hat, um der befürchteten weiteren Preissenkung des Goldes und Preissteigerung der Waren wirksam vorzubeugen.

Selbst wenn die unvermeidlichen Mängel, die der Goldwährung anhaften, größer wären, als sie es tatsächlich sind, so wäre die Goldwährung doch noch immer einem Währungssystem vorzuziehen, dessen Wertgestaltung von den wechselnden Anschauungen politischer Parteien und Koterien abhängig wäre.


© Ludwig von Mises



Dieser Aufsatz von Ludwig von Mises (1881-1973) wurde im "Neues Wiener Tagblatt", Nr. 101, am 12. April 1925 veröffentlicht.

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