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Interview mit Simon Hunt: Wetterverlauf, Hungersnöte und die menschliche Gier

19.02.2022  |  Claudio Grass
"Manche Dinge ändern sich nie, wie der Wetterverlauf, Hungersnöte und Kriege, während sich andere Dinge durch Technologie und menschliche Gier schnell verändern"

Wie meine Freunde und Kunden sehr gut wissen, aber auch jeder, der schon einmal eine meiner Schriften gelesen hat, war ich schon immer der Meinung, dass das Verständnis von Geschichte und Geopolitik eines der wichtigsten Elemente für solide Investitionen ist. Die meisten Mainstream-Investoren, "Experten" und auch die Finanzpresse neigen dazu, diese Kräfte zu ignorieren, ebenso wie die breite Öffentlichkeit natürlich.

"Wen interessiert schon, was vor Jahrzehnten in einem weit entfernten Land passiert ist? Ich brauche nur jemanden von der Wall Street, der mir sagt, ob ich heute Netflix kaufen soll" - das ist die Einstellung. Deshalb sind sie auch so oft überrascht, wenn eine Eskalation schließlich eintritt und sich tatsächlich direkt auf sie auswirkt, und nicht nur auf ihr Portfolio.

Doch selbst für Geschichtsinteressierte und aufmerksame Beobachter der aktuellen geopolitischen Entwicklungen wird es immer schwieriger, Analysen zu finden, die wertvolle Erkenntnisse und Standpunkte enthalten, die wirklich zum Nachdenken anregen. Für mich sind die Analysen und Einsichten von Simon Hunt unerlässlich, um Signale von Störgeräuschen zu trennen, und deshalb war ich sehr dankbar, als er sich zu einem Interview bereit erklärt hat.

Als Gründer von Brook, Hunt and Associates, einer globalen Metallberatungsfirma, im Jahr 1975 und von Simon Hunt Strategic Services im Jahr 1996 verfügt er über ein umfassendes und tiefgreifendes Verständnis für die Bedeutung der Geopolitik bei Investitionen sowie über direkte Erfahrungen mit der Dynamik vor Ort, insbesondere in China und Asien insgesamt.

Aus den Fragen, die ich ihm in unseren Gesprächen und in diesem Interview stellte, kristallisierte sich ein Thema als gemeinsamer Bezugspunkt heraus: "Wo befinden wir uns in diesem seltsamen, aber entscheidenden sozialen und wirtschaftlichen Zyklus?"

In seinen eigenen Worten: "Die kurze Antwort lautet, dass sich die Welt in den kommenden rund drei Jahren entweder von einer einseitigen Vorherrschaft der USA in eine globale Struktur verwandeln wird, in der Einflussbereiche zwischen Amerika, China, Russland und anderen vereinbart werden, oder dass, wenn Amerika seine hegemoniale Struktur nicht freiwillig aufgibt, ein Krieg in der einen oder anderen Form, sei es physisch oder finanziell, wahrscheinlich die Folge sein wird. Aus diesem Rahmen ergeben sich die Aussichten für das globale Wachstum und das Finanzsystem."


Claudio Grass: In den letzten zwei Jahren hat fast ausschließlich die Pandemie die Schlagzeilen der Mainstream-Nachrichten beherrscht, auf Kosten der meisten anderen wichtigen Geschichten und Entwicklungen, über die kaum berichtet wurde. Dies traf insbesondere auf die geopolitischen Nachrichten zu, was dazu führte, dass viele der heutigen Krisen, wie die Spannungen zwischen der Ukraine und Russland, plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht zu sein scheinen. Könnten Sie uns das große Ganze schildern und uns helfen, den Kontext der Veränderungen, die wir heute sehen, zu verstehen?

Simon Hunt: Die geopolitischen und wirtschaftlichen Krisen, seien es Währungs-, Schulden- oder Wirtschaftskrisen, haben sich seit Jahren angekündigt, lange vor den jüngsten geopolitischen Turbulenzen. Die weltweite Verschuldung hat im vergangenen Jahr 260% des BIP erreicht und wird in diesem Jahr wahrscheinlich noch weiter ansteigen. Das letzte Mal, als das weltweite Wachstum die Verschuldung übertraf, ist Jahre her, nämlich etwa 75 Jahre!

Und die heutigen politischen Spannungen zwischen Russland und der NATO, einschließlich der USA, begannen nach 1990, als die USA und ihre Verbündeten die damals zwischen den beiden Gruppen unterzeichneten Vereinbarungen aufkündigten, die heute im Nationalarchiv der Washington University aufbewahrt werden.

Was China betrifft, so begannen die Sorgen der Washingtoner Experten um 1996, als Chinas Exporte anfingen, massiv anzusteigen. Sie stiegen von 52 Milliarden Dollar im Jahr 1996 praktisch jährlich an und erreichten im vergangenen Jahr 506 Milliarden Dollar. Natürlich profitierten die Firmenchefs von dieser Auslagerung, und ich erinnere mich, dass ich Mitte der 1990er Jahre auf vielen Flügen aus China von CEOs aus den USA umringt war, die sich gegenseitig zu den Geschäften beglückwünschten, die sie dort aufbauten, und dazu, wie viel Geld sie damit verdienen würden.

Der stetige Ausbau der US-Eindämmungspolitik gegenüber Russland und China hat jedoch einen dieser wichtigen Wendepunkte in der Geschichte erreicht. Wir jedenfalls sind der Meinung - und diese Ansicht wird von vielen Freunden außerhalb Amerikas (und einigen wenigen innerhalb des Landes) geteilt -, dass Russland und China wirtschaftlich und militärisch so weit gereift sind, dass sie sich gegen Amerika erheben und sagen:

"Genug ist genug. Wir haben genug von euren Tyrannei-Taktiken. Wir wollen eure Dominanzstrategien nicht. Eure Form der Demokratie kommt nicht gut an. Wir wollen eine multinationale Welt, in der der Handel der gemeinsame Nenner ist und in der die Länder so handeln können, wie es ihrer eigenen Kultur und Demographie entspricht:"

Die Bemühungen der USA, ihre Regierungsform zu exportieren, waren nicht weniger als katastrophal, vom Iran über den Irak und Syrien bis nach Libyen und Jugoslawien. Häufig wurden Vorwände für eine Invasion gefunden, die wahrscheinlich vom militärisch-industriellen Komplex inszeniert wurde, um das Imperium zu erhalten. Wie viel weiter wäre der Nahe Osten heute wirtschaftlich und politisch entwickelt, wenn die USA nicht in diese Länder eingefallen wären, eine Serie, die vor 20 Jahren begann. So lange hat es gedauert, bis der Schaden anfing, zu heilen und die Länder begannen, ihre Zäune untereinander zu flicken.

Vor einem Jahr kam ich beispielsweise in die Vereinigten Arabischen Emirate, zunächst für einen dreiwöchigen Urlaub und dann, um die Vereinigten Arabischen Emirate anstelle des Vereinigten Königreichs zu meiner Wahlheimat zu machen.

Das Land hat eine autokratische Regierung: Die Emiratis machen nur 11% der Bevölkerung aus, 47% entfallen auf Indien, Pakistan und Bangladesch. Es gibt keine rassistischen Spannungen, jeder kümmert sich um seine eigenes Leben und alles funktioniert. Regierungsentscheidungen werden schnell getroffen, und Gelder fließen in die Infrastruktur, ob Straßen, Schienensysteme oder 5G. Es gibt keine Kriminalität (es gibt viel Wüste!) und die medizinischen und Bildungseinrichtungen gehören zu den besten der Welt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die VAE ein Paradebeispiel für eine Regierung sind, die die Bedürfnisse erfüllt - Pragmatismus, nicht Ideologie ist ihr Weg nach vorne.



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