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Märkte: Nervöse Stabilität – China brummt – EU-Kommission: Neue Schuldenregeln

02.05.2023  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1,0987 (05:24 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1,0965 im US-Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 137.38. In der Folge notiert EUR-JPY bei 150.99. EUR-CHF oszilliert bei 0,9834.


Märkte: Nervöse Stabilität

Die Finanzmärkte sind von nervöser Stabilität geprägt. Niveaus werden weitgehend gehalten, aber die psychische Verfassung ist weniger stabil.

Dafür gibt es Hintergründe. Die Konjunkturdaten in den so genannten westlichen Ländern sind nicht eindeutig. Positive und negative Überraschungswerte geben sich die Klinke in die Hand. Geopolitische Stabilität als Grundlage für geoökonomische Stabilität fehlt weiter. Das Thema des US-Haushaltsstreits wird virulenter. Finanzministerin Yellen warnte, dass ohne eine Einigung auf ein neues Schuldenlimit der US-Treasury ab 1. Juni das Geld ausgehen könnte. Das gilt um so mehr, als dass die öffentliche US-Verschuldung im laufenden Fiskaljahr, das im Oktober 2022 begann, an Dynamik gewinnt und damit das labile BIP-Wachstumsbild in den USA unterstreicht:

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© Netfonds AG/US-Treasury


Im Gegensatz dazu, brummt es in China. In der aktuellen ausgeweiteten Urlaubswoche um den 1. Mai wird laut China Railway Group ein neuer Rekord bei Bahnreisen (120 Mio. Passgiere) erwartet (20% über Niveau von 2019). Am Samstag wurde ein neuer Tagesrekord mit 19,7 Millionen Bahnreisen markiert. Anders seiht es in Taiwan aus. Dort besteht ähnlich wie in Europa das Risiko der zumindest partiellen Deindustrialisierung zu Gunsten der USA. Die prekären BIP-, als auch Industrieproduktionsdaten Taiwans finden Sie im Datenpotpourri.


Europa: Thema neue Schuldenregeln

Nach den Herausforderungen der Corona-Krise und der Aussetzung der Schuldenregeln (2020) ist eine Neujustierung erforderlich. Ziel ist es, ein neues Schema bis Ende 2023 zu erarbeiten, das dann per Gesetz verankert werden soll. Die neuen Regeln müssen einstimmig verabschiedet werden.

Wegen der Haushaltsbelastungen durch die Corona- und die Ukrainekrise sind die Schuldenstände gestiegen. Dazu aktuelle Zahlen von dem IWF-Fiscal Monitor 04/2023.

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Was soll geändert werden? Das Ziel der EU-Kommission ist es, mehr Flexibilität zu ermöglichen. Die Staaten sollen individuelle Pläne mit der EU-Kommission ausarbeiten, sofern die 3% Neuverschuldungs- oder die Gesamtverschuldungsmarke von 60% des BIP überschritten würden. Angedacht sind Rückführungszeiträume grundsätzlich von 4 Jahren. Bei Verpflichtung auf Reformen oder Investitionen (Digitalisierung, Klimaschutz, Verteidigung) soll eine Streckung auf 7 Jahren möglich sein.

Die Mittelfrist-Pläne sollen von der EU-Kommission abgenommen werden und auf Analysen zur Schuldentragfähigkeit basieren, wie sie auch die EZB oder der IWF verwenden. Am Ende der Periode soll der Schuldenstand unter dem Anfangszeitpunkt liegen. So lange das Defizit oberhalb von 3% des BIP liegt, muss es um mindestens 0,5% pro Jahr zurückgehen. Bei Zeiträumen von sieben Jahren soll mit einer zusätzlichen Absicherung verhindert werden, dass Länder erst am Ende der Periode aktiv werden. Vier Siebtel der vereinbarten Schuldenreduzierung sollen nach vier Jahren zu Buche stehen.

Kommentar: Das Ziel ist wegen der Einstimmigkeit als ambitioniert zu betrachten. Käme es zu keiner Einigung, würden die alten Regeln zunächst weiter gelten. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Ziel per Ende 2023 verfehlt wird, ist als hoch zu klassifizieren.

Die oben angeführten Daten verdeutlichen bezüglich der Haushaltsqualität, dass die Eurozone deutlich besser dasteht als die USA, das UK oder Japan. In der Phase 2019 bis 2023 nahm die Gesamtverschuldung der Eurozone in Prozent des BIP um 6,3% zu, während sie in den USA um 13,5%, im UK und in Japan um 21,8% zulegte. Sollte das im Raum stehende Risiko der Deindustrialisierung Kontinentaleuropas (Energiepreise, US-IRA Programm) Realität werden, ergäben sich für die öffentlichen Haushalte massivste Risiken (Kapitalstock/Einkommen).



Datenpotpourri seit letztem Freitag:

Eurozone: BIP schwächer als prognostiziert

Das BIP der Eurozone legte im Quartalsvergleich um 0,1% (Prognose 0,2%) nach zuvor 0,0% zu. Im Jahresvergleich ergab sich ein Anstieg um 1,3% (Prognose 1,4%) nach zuvor 1,8%. Deutschland: Die Verbraucherpreise nahmen laut vorläufigen Berechnungen per April im Monatsvergleich um 0,4% (Prognose 0,6%) nach zuvor 0,8% zu. Im Jahresvergleich stellte sich der Anstieg auf 7,2% (Prognose 7,3%) nach zuvor 7,4% ( geringster Anstieg seit 02/2022).

Deutschland: Die Importpreise sanken im Monatsvergleich per März um 1,1% (Prognose -0,9%) nach zuvor -2,4%. Im Jahresvergleich ergab sich ein Rückgang um 3,8% (Prognose -3,6%) nach zuvor 2,8%. Es war der schwächste Wert seit November 2020.

Deutschland: Die Arbeitslosenrate stellte sich in der saisonal bereinigten Fassung auf unverändert 5,6% (Zahl der Arbeitslosen +24.000, Prognose +10.000).

Deutschland: Das BIP war per 1. Quartal 2023 im Quartalsverglich unverändert (Prognose 0,2%) nach zuvor -0,5% (revidiert von 0,4%). Im Jahresvergleich kam es in der saisonal bereinigten Fassung zu einem Rückgang um 0,1% (Prognose +0,3%) nach zuvor 0,8% (revidiert von 0,9%). Deutschland ist innerhalb der Eurozone ein ökonomischer Schwachpunkt.


USA: Tendenziell positiver Daten-Mix

Der S&P PMI für das Verarbeitende Gewerbe stellte sich per April laut finaler Fassung auf 50,2 nach vorläufig 50,4 Punkten (Vormonat 49,2 Zähler). Der ISM-PMI für das Verarbeitende Gewerbe lag per April bei 47,1 (Prognose 46,8) nach zuvor 46,3 Punkten. Der Einkaufsmanagerindex Chicagos stieg per April von zuvor 43,8 auf 48,6 Punkte (Prognose 43,5).

Der Index des Verbrauchervertrauens nach Lesart der Universität Michigan stellte sich in der finalen Fassung per April auf 63,5 Punkte (Prognose und vorläufiger Wert 63,5).

Die Persönlichen Einkommen legten per März im Monatsvergleich um 0,3% (Prognose 0,2%) nach zuvor 0,3% zu. Der persönliche Konsum war per März im Monatsvergleich unverändert (Prognose -0,1%) nach zuvor 0,1% (revidiert von 0,2%).

Der von der Fed stark beachtete Personal Consumption Expenditure (PCE) Index stellte sich per März auf 4,2% nach zuvor 5,1% (Kernrate von 4,7% auf 4,6%).


China: NBS-PMIs per April schwächer, Composite Index weiter auf starkem Niveau

NBS Index Verarbeitendes Gewerbe: 49,2 (Prognose 51,4) nach 51,9 Punkten
NBS –Dienstleistungen: 56,4 nach 58,2
Composite Index: 54,4 nach 57,0


Japan: Starker Einzelhandel, schwächerer Arbeitsmarkt und schwache Industrie

Die Einzelhandelsumsätze nahmen per März im Jahresvergleich um 7,2% (Prognose 5,8%) nach zuvor 7,3% (revidiert von 6,6%) zu. Die Industrieproduktion sank per März im Jahresvergleich um 0,8% nach zuvor -1,4%. Die Arbeitslosenrate legte per März von zuvor 2,6% auf 2,8% zu (Prognose 2,5%). Der Index des Verbrauchervertrauens stieg per April von zuvor 33,9 auf 35,4 Punkte. Es ist der höchste Stand seit Januar 2022.

Der von der Jibun Bank ermittelte Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe verharrte per Berichtsmonat April bei 49,5 Zählern. Die Notenbank Japans hat erwartungsgemäß den Leitzins unverändert bei -0,10% belassen.


Taiwan: Industrieproduktion weiter prekär – BIP bricht ein

Der Blick auf Taiwans Industrieproduktion ist wenig erbaulich. Das Risiko für den Standort im Hinblick auch auf die US-Initiative, große Teil der Halbleiterindustrie Taiwans in die USA umzusiedeln, spielt dabei eine gewichtige Rolle (IRA, Prolog Europa?). Per Berichtsmonat März sank die Industrieproduktion im Jahresvergleich um 14,52% nach zuvor -7,66%.

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Laut vorläufigen Berechnungen sank das BIP per 1. Quartal 2023 im Jahresvergleich um 3,02% (Prognose -1,25%) nach zuvor -0,41%).

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PMIs für das Verarbeitende Gewerbe von diversen Ländern per April:

Indien: 57,2 nach 56,4 Punkten
Südkorea: 48,1 nach 47,6 Punkten
Indonesien: 52,7 nach 51,9 Punkten
Thailand: 60,4 nach 53,1 Punkten
Malaysia: 48,8 nach 48,8 Punkten
Philippinen: 51,4 nach 52,5 Punkten
Taiwan: 47,1 nach 48,6 Punkten
Myanmar: 57,4 nach 55,5 Punkten

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den EUR gegenüber dem USD favorisiert. Ein Unterschreiten des Unterstützungsniveaus bei 1.0700 – 1.0730 negiert dieses Szenario.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefvolkswirt der Netfonds Gruppe



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