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Julien Chevalier: Schulden, 1789 und 2023: Wiederholt sich die Geschichte?

06.08.2023
Die Französische Revolution wurde zu Recht schon immer als Zeit des Aufstandes gegen die bestehende Ungleichheit interpretiert. Doch zumeist wurden die Aufstände und sozialen Unruhen intensiver analysiert als die Ungleichheiten selbst. Ein wichtiger Umstand wird dadurch oft vergessen: Die Rolle der Schulden für die Geburt der Revolution von 1789 und des blutigen Jahrzehnts, das darauf folgte. Diese Jahre markieren das Ende eines langen Wirtschaftszyklus.

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Die drei Stände: Der dritte Stand, die Geistlichkeit und der Adel @National Library of France


Im 18. Jahrhundert zählt Frankreich aufgrund seiner militärischen, wirtschaftlichen, kulturellen und demografischen Stärke zu den Großmächten der Welt. Durch seine Stellung wird das Land in verschiedene Konflikte verwickelt, unter anderem den Österreichischen Erbfolgekrieg 1740, den Siebenjährigen Krieg 1756 und den Unabhängigkeitskrieg der USA 1775.

So unterschiedlich diese Kriege waren, führten sie alle zu politischen und manchmal finanziellen Krisen und insbesondere zu Steuerreformen (Steuererhöhungen, Einführung neuer Abgaben etc.) und zum Anstieg der Staatsschulden. Wie heute griffen Ludwig XV. (1715-1774) und nach ihm Ludwig XVI. (1774-1792) schon damals auf die Neuverschuldung zurück, um sich von ihren Taten reinzuwaschen und die Konsequenzen abzuwenden.

Diese Schulden, die damals die Form von Metallgeld (Gold und Silber) annahmen, wurden bei ausländischen Gläubigern zu hohen Zinsen aufgenommen. Erst mit der Gründung der Finanzinstitution Caisse d’Escompte im Jahr 1767, einer Art frühem Vorläufer der Zentralbank Frankreichs, sanken die Zinsen dank dem Aufkaufen von Staatsanleihen. Doch die neue Institution war kein Erfolg, da sich der Staat weiter verschuldete und die Anleihen kostspielig waren. Sie wurde nur zwei Jahre nach ihrer Gründung das erste Mal aufgelöst und einige Jahre später endgültig abgewickelt.

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Grafik 3.4. Das Staatsvermögen Frankreichs, 1700-2021
Quelle: piketty.pse.ens


Gleichzeitig kommt es im Laufe der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu einer dauerhaften Teuerung. Da Gold- und Silbermünzen rar werden und die meisten Franzosen kein Bankkonto besitzen, leihen und sparen sie in großem Maßstab, um ihre Ausgaben zu bestreiten und ihr künftiges Auskommen zu sichern. Auf diese Weise setzt sich die latente Inflation mehrere Jahrzehnte fort.

Angesichts dieser Lage wollen die Intellektuellen den Geldumlauf steigern und die Inflation eindämmen, doch es wird keine Lösung gefunden. Neue ökonomische Denkrichtungen bilden sich heraus und es entsteht eine Spaltung zwischen der liberalen und der interventionistischen Lehrmeinung, die wir heute noch beobachten.

Erstere, vertreten durch Turgot, spricht sich für eine Reduzierung der Schulden sowie des Haushaltsdefizits durch Kürzung der Staatsausgaben aus, während letztere zusätzliche Unterstützung vom Staat verlangt. Ab 1776 setzt sich der Interventionismus unter dem Einfluss der Politik von Necker durch, der sich als glühender Anhänger dieses Modells auszeichnet und zunächst Leiter des Schatzamtes und anschließend Finanzminister wird.

Im Laufe der Jahre gleicht die französische Wirtschaft zunehmend einer "Kriegswirtschaft", selbst in den Friedenszeiten. Am Vorabend der Französischen Revolution werden fast 30% des Staatshaushaltes für den Unterhalt der Armee verwendet, 20% für öffentliche Ausgaben und die verbleibenden 50% fließen ausschließlich in Zinszahlungen. Das Defizit wächst, die Staatsschulden steigen unaufhörlich und erreichen 80% des erwirtschafteten Reichtums (entspricht dem heutigen BIP). Das Vermögen des Landes befindet sich fast ausschließlich in den Händen der reichsten 10%.


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