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Weiter "Blues" an Märkten – Anstehender BRICS-Gipfel: Das Feld der Chancen und Dynamik

18.08.2023  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1,0885 (05:48 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1,0857 im US-Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 145,36. In der Folge notiert EUR-JPY bei 158,23. EUR-CHF oszilliert bei 0,9559.


Blick auf den Markt: "Blues" an Märkten – Deutschland, der „kranke Mann der Welt“

Die Finanzmärkte sind vom "Blues" geprägt. Aktienmärkte verloren in den letzten 24 Handelsstunden weiter an Boden. Risikoaversion bestimmt das Bild. Da helfen auch nicht besser als erwartete Konjunkturdaten, beispielsweise ein raketenhafter Anstieg des Philadelphia Fed Business Index oder eine erstaunlich aktive Handelsbilanz der Eurozone (siehe Datenpotpourri). Inflationssorgen kreieren Zinssorgen mit der Folge von Konjunktursorgen, die die Märkte derzeit verunsichern. Derzeit ist der Markt auf die Risiken konzentriert.

Exkurs Deutschland: Deutschland ist ein Belastungsfaktor für die Eurozone und die Welt wegen hausgemachter Probleme im Hinblick auf strukturelle Gestaltungsdefizite in den letzten 20 Jahren (viel Verantwortung bei Merkel). Ich stimme Herrn Linnemann, dem Generalsekretär der CDU zu, dass Deutschland der "kranke Mann der Welt" ist. Das ist erkennbar und augenfällig im quantitativen Vergleich der BIP-Entwicklungen.

Kritischer als die quantitative Betrachtung ist jedoch die qualitative Betrachtung. Ja, da reden wir über Strukturen der Standortbedingungen (Aspekt Investitionen). Die sind im internationalen Vergleich prekär. Insofern ist die von Herrn Linnemann geforderte Agenda 2030 der strukturellen Ertüchtigung mehr als überfällig. Es sind späte Erkenntnisse. Es ist gut, dass sie zumindest jetzt in den bisherigen "Echokammern" Berlins ankommen. Werden daraus bitter notwendige Handlungsmaximen der waltenden Regierung?

Es gibt neben den Risiken gewaltige Chancen. Der in der kommenden Woche anstehende BRICS-Gipfel impliziert Homogenisierung des Globalen Südens in Wirtschaft und Politik. Damit verbinden sich Effizienzsteigerungen und erhöhte Wachstumspotenziale und in der Folge vermehrter Wohlstand. Der Westen spaltet dagegen die Welt (Regime-Change Politik, hybride Wirtschafts- und Finanzkriege), das kostet uns.

Der Globale Süden vereint, das nutzt diesen Regionen. Es sind zwei vollständig unterschiedliche Konzepte, die sich entwickelt haben, weil der US-geführte Westen die unilaterale "regelbasierte Ordnung" nach Landherrenart vertritt, während der Globale Süden für ein multilaterales Modell auf Basis internationalen Rechts und den Grundsätzen der UN-Charta eintritt (Artikel 2 der UN-Charta Souveränität der Staaten, nicht "Pseudo-Souveränität" mit "Puppenregierungen").


BRICS-Gipfel: Das Feld der Chancen und Dynamik

Hintergrund: Die finanz-ökonomischen Machtachsen haben sich in den letzten 50 Jahren massiv verschoben. Dominierte der Westen 1980 noch etwa 80% des Welt-BIP sind es jetzt nur noch circa 35%. Der Globale Süden stellt 88% der Weltbevölkerung und circa 65% des Welt-BIP bei weiter steigender Tendenz. Dieses Thema habe ich bereits in dem 2007 verfassten und 2008 veröffentlichten Buch „Endlich Klartext“ aufgezeichnet. Diese massive finanzökonomische Verschiebung hatte bisher nur geringe Konsequenzen für die westliche Machtausübung, weil der Globale Süden nicht gemeinsam und damit unorganisiert auftrat.

Das änderte sich insbesondere seit circa 2010. Eigene Strukturen sind entstanden, die New Development Bank, die Asian Infrastructure Investment Bank, BRICS, SCO das größte Freihandelsabkommen der Welt RECEP, auch die Belt and Road Initiative gehört dazu.

Die Gruppe der BRICS-Länder besteht aus Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Die BRICS-Staaten stehen für mehr als 40% der weltweiten Bevölkerung und circa 30% des Welt-BIP (Basis Kaufkraftparität). BRICS wird jetzt zu BRICS+ mutieren und an globaler Bedeutung gewinnen. Das Wachstumspotenzial ist im Vergleich zum Westen deutlich höher, da im Globalen Süden immer noch erhebliche Teile der Länder und damit der Bevölkerungen mangels infrastrukturellem Anschluss nicht oder nicht vollständig erschlossen sind. Der Belt and Road Initiative sorgt für den dafür unverzichtbaren infrastrukturellen Anschluss.

Problem des BRICS und BRICS+ Formats. Die kulturellen Hintergründe in den Ländern sind "bunt". Die Geschäftsmodelle als auch die politischen Modelle sind nicht homogen. Zwischen einzelnen Ländern gibt es bilaterale Konflikte (z.B. China versus Indien).

Stärken des BRICS und BRICS+ Formats: Das Modell basiert grundsätzlich auf der Basis der Nichteinmischung in nationale Angelegenheiten durch Drittländer. Das Format ist gegenüber unterschiedlichen Kulturen und daraus abgeleiteter Ethik (Theorie) und Moral (Praxis der Ethik) tolerant. Es geht nicht um den "Export" von Wertesystemen. Das Format soll Wirtschaft und Wohlstand fördern.

Motiv der BRICS und BRICS+: Trotz der unterschiedlichen strukturellen Gegebenheiten gibt es in entscheidenden Feldern Konsens. Dieser Konsens besteht darin, eine multilaterale Ordnung zu etablieren. Er besteht darin, nicht mehr im westlichen Organigramm unterrepräsentiert zu sein und sich daher westlichen Interessen unterordnen zu müssen.

Es ist Ziel aus Sicht der Teilnehmerländer, dem Missbrauch des westlichen Machtapparats, der in den letzten 20 Jahren zugenommen hat, entgegen zu wirken. BRICS und BRICS+ stehen für Emanzipation von den etablierten Machtmodellen, sie stehen jedoch nicht für Konfrontation. Auch die mittel-langfristig geplante eigene BRICS-Währung ist keine Kampfansage, sondern Konsequenz aus dem Missbrauch des USD (siehe "Endlich Klartext", Prognose, dass genau das passieren wird).

Aktualität: Der russische Präsident Putin und sein iranischer Amtskollege Raissi haben gestern laut Tass über eine Mitgliedschaft der Islamischen Republik in der Gruppe der BRICS-Staaten gesprochen. Darüber hinaus ging es um Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen in den Feldern Handel, Verkehr und Energie. Bei dem vom 22. bis 24. August geplanten BRICS-Gipfel in Südafrika soll über eine Erweiterung debattiert werden.

Die Gruppe sieht sich als Gegengewicht zu diplomatischen Foren wie der Gruppe der sieben führenden westlichen Industriestaaten (G7). Nach südafrikanischen Angaben haben inzwischen mehr als 40 Länder Interesse an einer Aufnahme signalisiert. Darunter sind neben dem Iran Argentinien, Saudi- Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Kasachstan und Algerien.

Fazit: Die Wahrscheinlichkeit, dass der anstehende Gipfel in die Geschichtsbücher eingehen wird, ist hoch, sehr hoch. Es hängt zusammen mit der "normativen Kraft des Faktischen". Was heißt das für die strukturelle Ausrichtung der Außenpolitik Europas und Deutschlands?


Datenpotpourri der letzten 24 Handelsstunden:

Eurozone: Handelsbilanz mit solidem Überschuss

Die Handelsbilanz wies in der saisonal bereinigten Fassung einen Überschuss in Höhe von 12,5 Mrd. EUR nach zuvor 0,2 Mrd. EUR aus (revidiert von -0,9 Mrd. EUR). Niederlande: Die Arbeitslosenrate nahm per Berichtsmonat Juli von zuvor 3,5% auf 3,6% zu (Tiefpunkt 2,7% November 2021).


Norwegen: Leitzinserhöhung um 0,25% auf 4,00%

Die Notenbank Norwegens erhöhte den Leitzins gestern erwartungsgemäß von 3,75% auf 4,00%.


USA: In Philadelphia geht Stimmung durch die Decke

Die Arbeitslosenerstanträge stellten sich per Berichtswoche 12. August 2023 auf 239.000 (Prognose 240.000) nach zuvor 250.000 (revidiert von 248.000). Der Philadelphia Fed Business Index verzeichnete per Berichtsmonat August einen unerwarteten Sprung von -13,5 auf +12,0 Punkte (Prognose -10,0). Der Index der Frühindikatoren sank per Berichtsmonat Juli um 0,4% nach zuvor -0,7%. Es war der 14. Rückgang in Folge.


Russland: Devisenreserven geringfügig niedriger

Die Devisenreserven beliefen sich per 11. August 2023 auf 585,8 nach zuvor 586,6 Mrd. USD.


Japan: Kernrate der Verbraucherpreise geringer

Die Verbraucherpreise nahmen per Berichtsmonat Juli im Jahresvergleich um 3,3% nach zuvor 3,3% zu. Die Kernrate der Verbraucherpreise lagen per Juli im Jahresvergleich bei 3,1% nach zuvor 3,3%. Beide Werte entsprachen den Prognosewerten.

Derzeit ergibt sich für den EUR gegenüber dem USD eine positive Tendenz. Ein Unterschreiten der Unterstützung bei 1,0820 – 1,0850 negiert dieses Szenario.

Viel Erfolg


© Folker Hellmeyer
Chefvolkswirt der Netfonds Gruppe



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