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Bretton Woods, das Gold und der Petrodollar

18.09.2023  |  Lars Schall
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Aus England kam dagegen Ungemach: Als die Bank of England im November 1967 entgegen amerikanischer Wünsche die zweitwichtigste Reservewährung der Welt, den Pfund Sterling, um mehr als 10 Prozent abwertete, führte dies zu einem regelrechten Run aufs Gold.

Vier Monate später, am 17. März 1968, kollabierte der London Gold Pool. Wenige Tage darauf einigten sich die führenden Notenbanken auf ein Abkommen, das den offiziellen vom privaten Goldmarkt trennte, will heißen: Zwischen den Zentralbanken wurde der Handel zum Festpreis von je 35 US-Dollar pro Feinunze beibehalten, während sich der Goldpreis auf dem privaten Markt frei gestalten durfte. Nachdem der Goldbarrenmarkt in London für zwei Woche hatte schließen müssen, konnte er am 1. April 1968 wiedereröffnen.

Der Abfluss von Gold aus den USA ging ungezügelt weiter, und je mehr Gold abfloss, desto lauter wurden die Zweifel an der Zahlungsfähigkeit der Vereinigten Staaten. Unter Richard Nixon bzw. den Fed-Vorsitzenden Arthur Burns kam es zu einer beträchtlichen Erhöhung der Geldmenge.Darauf antwortete die Bundesrepublik Deutschland mit einer klaren Ansage, indem sie den Wechselkurs der D-Mark ab Mai 1971 freigab.

Im August folgte die Schweiz diesem Beispiel. Als dann auch noch der englische Botschafter in Washington vorstellig wurde, um Dollarnoten im Wert von 3 Milliarden US-Dollar gegen Gold einzutauschen, was einer Tranche von 2600 Tonnen entsprochen hätte, (6) fanden geheime, hochrangig besetzte Krisensitzungen statt, in deren Folge Nixon dem Paritätensystem von Bretton Woods am 15. August 1971 ein Ende bereitete, als er die Eintauschpflicht der USA ein für alle Mal aufkündigte. (7)

Durch die Entledigung der Anbindung des Dollar zum Gold befreite sich die US-Regierung kurzfristig der Sorgen, ließ den Dollar dafür aber als Leit- und Reservewährung der Welt geraume Zeit erheblich unter Druck geraten. Gewonnen hatte sie die Freiheit, fortan bedingungslos die Geldmenge erhöhen zu können. Im Grunde bedeutete das Schließen des „Goldfensters“ aber das Eingeständnis der Zahlungsunfähigkeit: Mit der Aufkündigung des Bretton-Woods-Systems hatte Nixon nichts anderes als die Insolvenz der Vereinigten Staaten von Amerika erklärt.


3. Das Petrodollar-System

Nachdem der Dollar – nicht mehr von Gold gedeckt – zu reinem Papiergeld wurde, nahm seine Talfahrt an Geschwindigkeit zu. In Zahlen ausgedrückt, verlor er "seit dem Ende des Goldstandards gegenüber dem Gold erstaunliche 90 Prozent seines Werts … Relativ zu den Lebenserhaltungskosten verlor er 70 Prozent“ (8) (Stand: 2003). Analog dazu stiegen die Staatsschulden: zwischen 1900 und 1970 von 2 Mrd. auf 400 Mrd. Dollar, 250 Mrd. dienten zur Bezahlung zweier Weltkriege. „Der sogenannte Friedenszeit-Schuldenanstieg betrug somit nur $ 150 Mrd. Seit 1970 stieg die US-Staatsschuld [bis 2003] von $ 400 Mrd. auf $ 6400 Mrd. an, d. h. der größte Teil des Anstiegs der US-Schulden (97,5%) ist seit 1970 entstanden." (9)

Um sich diesen Irrwitz erlauben zu können, brauchte es einen Hebel, der die übrige Welt zwang, eine Insolvenz der USA künstlich in die Zukunft zu verschieben. Dieser Hebel war der Petrodollar; er sollte die Leitwährungsfunktion des Dollar wiederherstellen. Nach geheimen Vereinbarungen mit Saudi-Arabien stützte stattdessen nun der "Petrodollar" die amerikanische Währung:

Erstens sicherte das Königshaus den USA zu, in den der Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC) angeschlossenen Staaten dafür zu sorgen, dass ausschließlich Dollars für den Verkauf von Öl akzeptiert wurde. Das war insofern wichtig, als Saudi-Arabien hier eine Führerrolle einnimmt.


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"Es ist das einzige Mitglied des OPEC-Kartells, das kein festgelegtes Produktionssoll hat. Es ist der ,Swing Producer‘, das heißt, es kann die Ölproduktion steigern oder verringern, um auf dem weltweiten Ölmarkt Ebbe oder Flut zu erzeugen. Dadurch ist es mehr oder weniger in der Lage, die Preise zu bestimmen." (10)

Zweitens handelte US-Finanzminister William Simon 1974 einen Vertrag aus. Durch diesen Vertrag konnte die saudische Zentralbank eingenommene Devisen zum Erwerb von US-Schatzbriefen "außerhalb der normalen Auktion" verwenden, also zu besonderen Vorzugskonditionen, durch die ein "permanenter saudischer Anteil an der Gesundheit des US-Dollars" garantiert war. (11)

Mit dieser Übereinkunft wurde das "Petro-Dollar-Recycling" etabliert:


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"Im Laufe dieses Jahres erwarb die saudische Regierung mithilfe ihres Ölüberschusses im Geheimen US-Staatsanleihen im Wert von 2,5 Milliarden Dollar, und einige Jahre später traf Finanzminister Blumenthal mit den Saudis eine geheime Vereinbarung, die sicherstellte, dass die OPEC auch in Zukunft den Ölpreis ausschließlich in Dollar festsetzte." (12)

Nach der Übereinkunft von 1974 befanden sich anschließend "mehr als 70 Prozent aller saudischen Vermögenswerte auf einem Konto der New Yorker Fed". (13) Rund 60 Prozent aller Auslandsinvestitionen Saudi-Arabiens sind in den USA lokalisiert, so der Stand im Jahre 2003, als der Irakkrieg begann. (14) Dazu zählen Beteiligungen an einigen der wichtigsten Banken und Firmen. (15) Weitere Gegenleistungen waren umfangreiche Waffenlieferungen und Sicherheitsgarantien für die saudische autokratische Machtstruktur, verkörpert durch das Königshaus Saud. Das ergibt "durchaus Sinn", schreibt Edward Harrison, denn:


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"Einige wenige Menschen in extremen Reichtum zu halten bedeutete einen weit niedrigeren Ölpreis für den Westen, als dies unter demokratischer Herrschaft der Fall gewesen wäre." (16)

Aus der im Alleingang geschaffenen Tatsache, dass OPEC-Öl die kommenden Jahrzehnte einzig und allein in US-Dollar fakturiert wurde, zogen die USA immensen Nutzen. Denn durch das Petrodollar-System kam die US-Regierung, wie David E. Spiro schreibt,


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"… in den Genuss eines doppelten Darlehens. Der erste Teil … betraf das Öl. Die Regierung konnte Dollar drucken, um Öl zu bezahlen, und die amerikanische Wirtschaft musste keinerlei Güter und Dienstleistungen im Austausch für das Öl bereitstellen, bis die OPEC die Dollar benutzte, um Güter und Dienstleistungen zu kaufen. Diese Strategie hätte offensichtlich nicht funktionieren können, wenn der Dollar kein Tauschmittel für Öl gewesen wäre. Der zweite Teil des Darlehens kam von sämtlichen anderen Volkswirtschaften, die ihr Öl in Dollar bezahlen mussten, die Währung aber nicht drucken konnten.

Diese Volkswirtschaften waren gezwungen, ihre Güter und Dienstleistungen gegen Dollars einzutauschen, um die OPEC bezahlen zu können. Wiederum erhielten die USA ein Darlehen, solange die OPEC die Dollar behielt, anstatt sie auszugeben. Deshalb war es wichtig, das Öl der OPEC weiter in Dollar zu handeln, während zur gleichen Zeit Regierungsbeamte damit fortfuhren, arabische Finanzmittel anzuwerben." (17)



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