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Peak Oil = Peak Ignorance!

14.01.2008  |  Peter Boehringer
- Seite 4 -
Ist Gott Brasilianer?

Wie "bedeutend" diese Tiefseefunde tatsächlich sind, wurde im Herbst 2007 eindrucksvoll demonstriert: Die brasilianische Petrobras verkündete den Fund eines neuen "gigantischen" Ölfelds mit „möglicherweise über 8 Mrd. Barrel“. Mit großem Medienecho verkündete der brasilianische Präsident da Silva: [/i]"Diese Entdeckung beweist, dass Gott Brasilianer ist!"[/i]. Die Innenministerin sagte: "Das verändert die Wirklichkeit". Und der brasilianische Botschafter in Saudi Arabien teilte Journalisten mit, Brasilien überlege sich, der OPEC beizutreten, "nachdem wir in Zukunft eine große Exportkapazität haben werden".

Mittlerweile haben Experten klargestellt, dass die förderbare Ölmenge des Feldes wohl eher unter der Wunschgröße liegt und dass die Förderung wegen der enormen Tiefe (5000-7000m) und wegen geologischer Probleme extrem teuer werden wird. Schon die Probebohrungen kosteten Petrobras eine Milliarde Dollar. Gefördert werden kann nicht vor 2011. Der Rohölpreis, der auf die Nachricht hin kurz eingebrochen war, hat sich bald wieder erholt, die Petrobras-Aktie hat die 15% Kursgewinn längst wieder verloren. Fast alle derartigen Pressemeldungen der letzten Monate (z.B. kaspische Neufunde, Tiefseefunde oder massiv erhöhte Reserveschätzungen für die kanadischen Ölsande) haben sich entweder als Enten oder als Übertreibungen oder als für die kommenden Jahre irrelevant herausgestellt! Wir fügen noch hinzu, dass selbst eine zügige Ausbeutung des brasilianischen Feldes Peak Oil gerade einmal um 90 Tage verzögert hätte…

Schon in unserer Analyse 2004 hatten wir vermutet, dass mit Saudi-Arabien, dem Irak, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Russland nur vier Länder ihre Ölförderung noch steigern könnten. Es erscheint mittlerweile relativ sicher, dass in allen anderen relevanten Ländern die großen Felder ihr Peak überschritten haben - und selbst für den Nahen Osten sehen wir das Peak erreicht! Diese These ist noch umstritten, weil sie zugleich das Peak der Weltförderung belegen würde. Sie steht und fällt einzig mit dem saudischen Großfeld Ghawar (ca. 5 mbpd), dessen Förderung schon mit Hilfe von Stickstoff- und Wasserzuführung stabilisiert wird, was in der Regel ab dem Peak eines Feldes geschehen muss. Die großen relevanten Felder fördern zudem heute schon fast alle mit voller Auslastung. Nach Überschreiten des Peaks geht die Förderung erfahrungsgemäß mit z.T. dramatischen Schrumpfungsraten zurück (z.B. beim riesigen Cantarell-Feld in Mexiko derzeit mit über 12% p.a. (!) - ähnlich Daquin in China und Burgan in Kuwait, nach Ghawar die nächstgrößten weltweit). Abb.7 zeigt daher die dramatisch gegenläufigen Erwartungen der IEA/WEO versus denen der Energy Watch Group.

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Auch im Nahen Osten scheint der Fördergipfel erreicht!
Quellen: Energy Watch Group, IEA/WEO



Abiotische Ölentstehung

Warum erwähnen wir in diesem Zusammenhang nicht die kürzlich von W. Engdahl im Smart Investor (Ausgabe 10/2007. S. 32) vertretene These einer "abiotischen" (also nicht-fossilen) Ölentstehung? Ohne hier darauf näher eingehen zu können - nur folgendes dazu: Man bewegt sich im Bereich der Spekulation, wobei wir tatsächlich Engdahl soweit zustimmen würden, dass es viele Indizien gibt, wonach die Schul-Lehrmeinung fossiler Ölgenese (aus Algen und organischem Material der Vorzeit) nicht haltbar ist! Insofern wäre es nicht unlogisch, eine theoretisch unendliche abiotische Neuentstehung der Ölfelder von „unten“ aus dem Erdinnern zu unterstellen. Nach einiger Recherche stehen wir aber auf dem Standpunkt, dass ein solcher Entstehungsprozess für unsere Behauptung "Peak Oil ist erreicht und nicht umkehrbar" irrelevant ist. Keinesfalls fließt u.E. abiotisch entstandenes Rohöl mit einer Rate größer 85mb pro Tag in die Felder nach. Der unter Laborbedingungen von russischen Wissenschaftlern schon vor Jahrzehnten belegte Prozess scheint so langsam ablaufen, dass er für die hier angestellte wirtschaftliche Analyse und für den Ölfördergipfel keine große Relevanz hat!


Chronische Realitätsverweigerung bei den Preisprognosen

Die einflussreichste und am häufigsten zitierte Studie für Angebots- und Nachfragemengen im Ölmarkt sowie für Preisprognosen ist die bereits erwähnte jährliche Publikation World Energy Outlook (WEO) der IEA. Warum die WEO-Reports per IEA-Eigenwerbung als "The flagship publication of the oil industry" und in den Medien als "Bibel der Branche" bezeichnet werden, erschließt sich uns allerdings nicht. Zum einen macht die IEA methodologisch im Prinzip nichts anderes als die zu erwartende steigende Nachfrage über Jahrzehnte in die Zukunft zu extrapolieren, dann die Bedienung der so errechneten Nachfrage als möglich zu unterstellen und diese Menge dann mit der Fördermenge gleichzusetzen. Knappheiten oder gar Engpässe kommen in dieser Denklogik nie vor. Zum anderen erscheinen die Preisprognosen der vergangenen 10 Jahre (Abb. 8) gemessen an der Realität rückblickend als Gespinste völlig inkompetenter oder auch ideologischer Köpfe! Wir können die Hintergründe der bis heute absurden Argumentationsfehler und Prognosen der IEA hier nicht diskutieren. Sie erscheinen jedoch ganz offensichtlich interessengeleitet und systematisch nach unten verzerrt zu sein!

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Chronische Inkompetenz oder bewusste Irreleitung? Die Prognosen des WEO und der tatsächlich erreichte Ölpreis.
Quellen: IEA/WEO 1998-2007, Darstellung Energy Watch Group, Aktualisierung PBVV



In den letzten Wochen relativierte die IEA zwar bei Annäherung des Preises an die 100-Dollar-Marke ihren gerade erst erschienenen WEO 2007 Report verbal ein wenig und kann sich "bei zu geringen Investments in Exploration" eine "ernste Gefahr einer Verknappung von Erdöl" vorstellen. Die Prognose selbst wurde trotz drohenden Imageschadens für die IEA dennoch nicht verändert: Per 2030 geht man noch immer von einer Nachfrage von 116 mbpd und einem Preis von 62 USD (heutiger Kaufkraft) bzw. nominal dann ca. 108 USD pro Barrel aus. Noch immer wird verkannt, dass "zu geringe Investments" lediglich eine Folge der Peak Oil Situation sind! Wenn der Boden die für die Nachfragebedienung erforderliche Ölmenge nicht hergibt, sind die Investments immer und chronisch "zu gering". Bei erreichtem Peak Oil wird die heute noch sehr preisunelastische Nachfragekurve zwangsläufig elastisch, weil physisch eben nur die begrenzte Fördermenge verteilt bzw. verkauft werden kann! Nur ein explodierender Preis kann den Markt dann noch ausgleichen.


Fazit: "Facts do not cease to exist just because they are ignored"4 (A. Huxley)

Mangelbewirtschaftung ist eine historisch neue Situation im Ölmarkt! Nur der Preis regelt in solch einer Situation die Zuteilung. Wir sind mit unserer Analyse pessimistischer als die IEA und die anderen politisch gesteuerten Organisationen US Geological Survey, US Energy Information Agency, OPEC oder die Bundesanstalt für Geowissenschaften, die alle Peak-Zeitpunkte zwischen 2020 und 2030 prognostizieren – oder gar die Cambridge Energy Research Associates, die Peak Oil nicht nur leugnet, sondern die Theorie aktiv bekämpft (!). Wir sind übrigens auch pessimistischer als die ASPO (Peak-Prognose: 2010), deren Gründer Colin Campbell seit Jahren die Peak Oil Theorie medial zu verbreiten sucht. Wir prognostizieren per 2010 einen (unter hoher Volatilität erreichten) Barrelpreis von 250-300 USD bzw. von 4-5 Goldgramm oder etwa 120 Silbergramm. Dies ist zugleich die letzte Ölpreisprognose, die wir noch in US-Dollar abgeben werden. Es mag ihn 2015 noch geben - aber seine Werthaltigkeit bis dahin ist nicht seriös vorhersehbar.

Daher die Prognose per 2015 wie folgt: 6 Goldgramm oder (weiterhin) 120 Silbergramm. Peak-Oil wird allerdings nicht nur Preissprünge und wirtschaftliche Strukturbrüche zur Folge haben, sondern dramatische gesellschaftliche Umstellungen erzwingen! Wir werden uns mehr Gedanken machen müssen über Einspar- und Substitutionsmöglichkeiten bei Öl und über alternative Energieformen. Weil Umstellungen jedoch nur begrenzt möglich sind und weil die erforderlichen Maßnahmen nicht rechtzeitig getroffen worden sind, werden wir uns leider ganz sicher mit Verteilungskonflikten und mit Machtverschiebungen zugunsten der Ölförderstaaten konfrontiert sehen. Es wird Hungersnöte geben, weil die heute extrem Öl-intensive Bodenbewirtschaftung nicht mehr so effizient funktionieren wird; ebenso Demographiefolgen und nicht zuletzt einen Prozess erzwungener De-Globalisierung, weil Massentransporte von Gütern und Menschen über große Distanzen nicht mehr finanzierbar bzw. wirtschaftlich sein werden. All dies sind aber Themen für eigene Artikel…

"Der Ölboom ist vorbei und wird nicht wiederkehren.
Wir müssen uns alle an einen anderen Lebensstil gewöhnen."
König Abdullah von Saudi-Arabien




1 www.pbvv.de/finanzbriefe, Ausg. 10-2004
2 Vgl. auch Smart Investor 11/2007, S. 45
3 www.energywatchgroup.de/Erdoel-Report.32.0.html
4 "Tatsachen verschwinden nicht, nur weil man sie ignoriert"


© 2007 Peter Boehringer
PBVV Vermögensberatung



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