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Julien Chevalier: Trump - Die US-Wirtschaft auf dem Prüfstand

03.12.2024
Markiert die Wahl von Donald Trump für eine zweite Amtszeit als US-Präsident einen Wendepunkt? Auf Ebene der Vereinigten Staaten ist das möglich. Aber mit Blick auf den allgemeinen Lauf der Geschichte ist die Wahrscheinlichkeit gering. Sein Aufstieg an die Macht ist lediglich ein Spiegelbild der heutigen Zeit, in der der Nationalismus infolge einer gescheiterten Globalisierung eine neue Blüte erlebt. Unter dem Motto „Make America Great Again 2.0“ ist das Wirtschaftsprogramm des wiedergewählten Präsidenten daher ein Zeichen von Patriotismus. Es kombiniert aggressiven Protektionismus, massive Deregulierung und gezielte Steuersenkungen. Diese Trumponomics offenbaren das Image des neuen Präsidenten: kämpferisch, manchmal gar autoritär, und entschieden auf Dominanz abzielend. Jenseits der Euphorie nach der Wahl zeichnet sich jedoch ein vielschichtiges Bild ab, das von kolossalen finanziellen Schwierigkeiten, wachsender sozialer Ungleichheit und ganz allgemein von der schwindenden Macht Amerikas geprägt ist.

Die ersten Tage nach der Wahl Trumps standen im Zeichen der Begeisterung. Das Verbrauchervertrauen ist deutlich gestiegen, die Beschäftigungszahlen sind gut und die Entwicklung der Löhne übertrifft die Inflation. An den Finanzmärkten geht es weiter aufwärts, ganz gleich ob beim S&P 500, bei den Technologieaktien, beim Bitcoin oder bei allen kurzfristigen Vermögenswerten. Diese Hausse erinnert an die Reagan-Jahre, in denen die Deregulierung und die Steuerpolitik den Kurs der Märkte begünstigt hatten.

Doch die Zeiten haben sich geändert. Im Gegensatz zu den 1980er Jahren, als die USA der Hegemon einer noch wenig globalisierten Welt waren, spielt sich die Entwicklung heute in einem grundverschiedenen Kontext ab. Auf nationaler Ebene ist das Land nach wie vor von großen sozialen Brüchen gekennzeichnet und erlebt in finanzieller Hinsicht gleichzeitig eine „Flucht nach vorn“. Die innere Stabilität der USA ist vom (stetig schwindenden) internationalen Vertrauen in den Dollar und von der militärischen Stärke des Landes abhängig. Auf globaler Ebene entwickelt sich die Geschichte zum Nachteil der Vereinigten Staaten, denn die Welt lehnt ihre Vergangenheit (und damit die amerikanische Vorherrschaft) mehr denn je ab, wie uns die aktuellen Schlagworte Deglobalisierung, Entkolonialisierung, Dezentralisierung usw. in Erinnerung rufen. Wirtschaftliche Interdependenzen haben neuen Akteuren wie China, Indien und anderen aufstrebenden Mächten zum Durchbruch verholfen und verhindern, dass die USA im Alleingang die Spielregeln bestimmen.

Trotz allem will Trump in den kommenden Monaten und Jahren den amerikanischen Dominanzanspruch deutlich machen und dazu den Protektionismus als zentralen Punkt in seiner Strategie verankern. Chinesische Importe könnten mit Einfuhrgebühren in Höhe von 60 % oder mit gezielten Zöllen belegt werden, während andere Handelspartner mit Abgaben von 10-20 % für ihre Exporte in die USA rechnen müssen (bei einem Handelsvolumen von insgesamt 3 Billionen USD), insbesondere die europäische Automobilindustrie. Diese Maßnahmen sollen den viel zitierten „Wirtschaftspatriotismus“ wieder aufleben lassen und das Handelsdefizit der USA verringern, von dem der frühere und künftige Präsident schon seit langem besessen ist.

Sie dürften jedoch ernstzunehmende Begleiterscheinungen mit sich bringen, sowohl wirtschaftlicher als auch politischer Natur. Eine ähnliche Politik hatte bereits 2018 zu Spannungen zwischen China und den Vereinigten Staaten und einer Abwertung des chinesischen Yuan um 10 % geführt, wodurch US-Produkte weniger wettbewerbsfähig wurden. Außerdem steht zu erwarten, dass die Zölle Auswirkungen auf die Inflation haben werden – und der Fed ist es noch immer nicht gelungen, diese vollständig in den Griff zu bekommen. Die damit einhergehenden Teuerungen würden dann die Voraussetzungen für einen Machtkampf zwischen Trump und dem Vorsitzenden der US-Notenbank schaffen, was die Vermutung nahelegt, dass die Unabhängigkeit der Zentralbank selbst in Frage gestellt werden könnte. (Im Grunde wartet der neue US-Präsident nur darauf, dass Jerome Powell im Mai 2026 durch einen Nachfolger ersetzt wird, der seiner politischen Linie folgt).

Trumps Handelspolitik wird darüber hinaus internationale Folgen haben. Die bereits durch die Pandemie und die geopolitischen Spannungen geschwächten Lieferketten könnten schwerwiegend beeinträchtigt werden. Stark exportorientierte Volkswirtschaften wie Deutschland oder Japan werden massive Einbußen erleiden, und die Auswirkungen der neuen amerikanischen Handelsstrategie könnten dazu führen, dass auch andere Staaten versuchen, sich gegenseitig auszustechen. Weltweit werden umfassende und gezielte Subventionen beschlossen werden, während es zu einer raschen Neuordnung des Handels kommt. Im Zuge des Handelskriegs zwischen den USA und China im Jahr 2018 hatte eine Studie des IWF die indirekten Auswirkungen dieses Konflikts auf die Weltwirtschaft auf über 700 Milliarden US-Dollar geschätzt. Angesichts der aktuellen Umstände kann man diese Zahl um mindestens 30 % nach oben korrigieren....

Die Vereinigten Staaten tragen erneut ein Duell mit der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt aus. Und angesichts dieser Bedrohung ist China bereit, machtvolle Hebel einzusetzen. Die Regierung von Xi Jinping könnte ihre Vormachtstellung bei der Förderung seltener Erden ausnutzen, die für die Herstellung zahlreicher Technologieprodukte unerlässlich sind, oder eine kontrollierte Abwertung des Yuan durchführen, um angesichts der US-Strafzölle Gegendruck auszuüben.

Diese Handelsspannungen werden die Bildung rivalisierender Wirtschaftsblöcke, aber auch die Schwächung von Institutionen wie der WTO, dem IWF oder der Weltbank beschleunigen. Gleichzeitig werden die BRICS-Staaten und deren Verbündete den Aufbau neuer internationaler Institutionen und Infrastrukturen vorantreiben, um sich als Führungsmacht zu etablieren. In dieser neuen Ordnung werden sich einige Länder als aufstrebende Mächte herauskristallisieren, insbesondere die neuen asiatischen Tigerstaaten. Die Verlierer werden diejenigen sein, die in einer Welt, die Pragmatismus erfordert, keine langfristige Strategie haben (wie beispielsweise Europa).

Die Trump-Regierung beabsichtigt zudem, die in den USA äußerst einflussreiche Finanzindustrie zu unterstützen. Die Steuersenkungen von 2017, die damals bereits den Großkonzernen und den Wohlhabenden zugutekamen, sollen jüngsten Aussagen zufolge verlängert werden. Trump plant die Senkung der Unternehmenssteuern auf 20 %, für in den USA produzierende Unternehmen sogar auf 15 %. Verschiedene Akteure würden von einer solchen Maßnahme profitieren, vor allem aber der Bankensektor und Gesellschaften mit geringer und mittlerer Kapitalisierung (Small und Mid Caps). Dies gilt umso mehr, da sich die finanziellen Bedingungen verbessern: Die Fed lockert ihre Geldpolitik, die Trump-Regierung plant die Aufweichung kartellrechtlicher Vorschriften (günstig für Fusionen und Übernahmen), und die finanziellen Rücklagen sind in den USA nach wie vor sehr hoch. Kurzfristig dürfte die Steuer- und Zollpolitik den Dollar stärken, doch auf lange Sicht ist der Abwärtstrend der US-Währung, der historischen und zeitlichen Zwängen unterworfen ist, durch nichts aufzuhalten.

Insgesamt werden in den kommenden Monaten also die Investitionen angekurbelt und die Wettbewerbsfähigkeit der US-Industrie wird gestärkt. Die Maßnahmen gehen jedoch mit gewissen Widersprüchen einher, wie z. B. der Tatsache, dass die geplante, deutlich restriktivere Migrationspolitik (Ziel: Reduzierung der Zuwanderung auf 750.000 Menschen pro Jahr und die mögliche Ausweisung von 11 Millionen Migranten ohne Papiere) zu einem starken Rückgang des Arbeitskräfteangebots führen wird. Zudem könnten die geplanten Maßnahmen einen hohen finanziellen Preis haben. Trotz der bereits angeschlagenen Wirtschaft plant der neue Präsident die Kürzung der Staatsausgaben um 2 Billionen Dollar. Die Finanzlage der USA bleibt angesichts des klaffenden Lochs im Haushalt und der massiven öffentlichen Verschuldung allerdings sehr angespannt. In nur vier Jahren hat sich die Staatsverschuldung um 12 Billionen Dollar erhöht, so viel wie insgesamt in den ersten beiden Jahrhunderten der amerikanischen Geschichte.

Vergessen wir nicht, dass Schulden keine Partei haben, weil Kapital keine Moral hat. Während Trumps erster Amtszeit waren die Schulden weiter in einem ähnlichen Tempo gewachsen wie bei seinen Vorgängern. Heute entsprechen die Staatsschulden mehr als 120 % des BIP und allein die Zinskosten belaufen sich schon jetzt auf über 1 Billion Dollar pro Quartal. Diese Entwicklung gefährdet die finanzielle Stabilität der USA und untergräbt das Vertrauen in den Dollar. Da sich die Entdollarisierung der Welt unterdessen beschleunigt, deutet alles darauf hin, dass Trump neue Hebel in Bewegung setzen wird, um die Hegemonie der US-Währung zu erhalten...

Kurzfristig versprechen die Trumponomics also wirtschaftlichen Aufschwung und neuen Einfluss für die USA. Doch Trump kann den Lauf der Geschichte nicht umkehren. Diese schreitet voran, ohne sich um die amerikanischen Machtansprüche zu scheren. Steigende Inflationsraten, die US-Notenbank in der Zwickmühle, untragbar gewordene Schulden, eine zunehmende wirtschaftliche Polarisierung und geopolitische Spannungen werden unweigerlich neue Krisen mit sich bringen. Die USA machen deutlich, dass sie bereit sind ihre Hegemonie zu verteidigen, doch für die internationale Stabilität müssen sie einen sehr hohen Preis zahlen. Die Welt ist zu einem Gefängnis ohne Wächter geworden, und die Schlüssel muss man sich erkämpfen.


© Julien Chevalier



Der Artikel wurde am 2. Dezember 2024 auf www.goldbroker.com veröffentlicht.


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