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Margin-Kaskaden - Chance für die Besonnenen?

21.03.2008  |  Ronald Gehrt
Heute bleibt mein Sarkasmus mal in der Garage. Dafür möchte ich eine Galerie von Charts präsentieren, die dieser Tage wohl weitaus öfter aufgerufen werden als üblich. An den Rohstoffmärkten, egal ob bei Edel- und industriemetallen oder Agrarrohstoffen, purzeln die Kurse. Warum?

Als ich von nun schon fünf Jahren meinen Börsenkrimi "Margin" schrieb, war dessen Titel für manch einen siegessicheren Zocker am Futuresmarkt ein Grund, um schmerzhaft das Gesicht zu verziehen. Heute lernen viele die Bedeutung dieses Begriffes erneut kennen. Denn so genannte "Margin Calls" sind Hauptursache des rapiden Kurseinbruchs bei Commodities aller Art.


Wen die Götter verderben wollen ...

Ausgangspunkt allen Übels war die sich wie ein Lauffeuer ausbreitende "Erkenntnis", dass man sein Geld im Rohstoffbereich investieren müsse und sich so vor den abwärts weisenden Aktienmärkten in Sicherheit bringen und (!) selbstredend galoppierende Gewinne ohne Nachdenken und Arbeit erzielen würde ... während der Anleihemarkt mit seinen paar Prozent Rendite nur etwas für Weicheier und Warmduscher sei. Sie erinnern sich anhand des einen oder anderen Kommentars zu meinen Kolumnen, dass ich auf meinen Hinweis, dass vier Prozent risikolose Zinsen besser seien als das Risiko, in eine Fahnenstange hinein zu kaufen und so schnell mal mehr zu verlieren als am Aktienmarkt (vor dessen Risiken man ja geflohen ist), die eine oder andere wütende Gegenstimme nach sich zog.

Doch es hat sich - zum x-ten Mal - bestätigt: Fahnenstangen brechen. Immer. Aber es hat sich ebenfalls - zum x-ten Mal - bestätigt, dass sich immer zahllose Marktteilnehmer finden die glauben, diesmal sei alles anders ... ohne zu bemerken, dass genau diese Parole bei der letzten Fahnenstange ebenfalls ins Verderben führte. Aber: Wen die Götter verderben wollen, den machen sie blind. Und so passierte, was vor fünf Jahren zuerst mit den fanatischen Bullen und danach mit den fanatischen Bären geschah (nicht selten in Personalunion): Man lernt, was eine Margin bedeutet.


Wenn der Broker dreimal klingelt

Nicht wenige im Futuresgeschäft unerfahrene Anleger (und von denen tummelten sich nach dem "kaufen ... kaufen"-Geschrei der Rattenfänger im Commodity-Bereich viele) glauben, sie hätten mit dem Betrag, den sie beim Einstieg in eine Futures-Position hinterlegen müssen, diesen Future gekauft und bezahlt. Kein Gedanke könnte fataler sein. Denn diese so genannte Margin ist nichts anderes als eine Sicherheitsleistung, die schnell "aufgebraucht" sein kann. Wenn Sie z.B. beim Eingehen einer Long-Position 15% des tatsächlichen Kontraktwertes hinterlegen müssen - das variiert - und der Kurs des Future rutscht um mehr als 7,5% ab, müssen Sie diese Margin wieder auffüllen. Und wenn der Broker Ihnen einen solchen Margin Call sendet, können Sie nicht sagen, Sie zahlen nächste Woche. Das Geld hat sofort da zu sein - oder Ihre Position wird zwangsverkauft.

Und ob Privatanleger oder Hedge Funds - je intensiver eine Kursbewegung ist, desto mehr Akteure glauben sich in einem solch starken Trend sicher. Sie sehen keine Fahnenstange, denn eingelullt von den rapide steigenden Kursen sehen sie stur nach oben - und nicht nach unten. Was oft dazu führt, dass zusätzliche Reserven zur Befriedigung eines Margin Call fehlen. Und was eine böse Wirkung hat: Sie können in einem solchen Fall, wenn Zwangsliquidierungen den Markt überschwemmen, auf einmal nicht nur die gesamte Margin verloren haben, sondern danach auch noch eine kleine Rechnung über die darüber hinaus entstandenen Kursverluste bekommen. Man kann also durchaus mal mehr verlieren, als man eingesetzt zu haben glaubt.


Die Kaskade des Grauens

Nun werden die meisten Leser ungläubig einwenden, dass dies doch mehr als selten vorkommen könne, wofür gäbe es Stoppkurse. Ja. Das fragen sich diejenigen, die in einen Margin Call hineinlaufen und nicht zahlen können, auch. Aber erst danach. Sie müssen sich vorstellen dass es tatsächlich Akteure gibt, die so dermaßen fanatisch an eine Hausse "glauben", dass sie Stopps als unnötig ansehen. Und die Ereignisse dieser Woche deuten an, dass es sich hierbei nicht um einige vereinzelte Privatiers handelt, sondern um ein oder mehrere dicke Rohstoff- oder Hedge-Fonds.

Der Ablauf ist immer der selbe, egal, ob bei Aktien, Rohstoffen, Anleihen, Währungen: Am Anfang steht eine kurzzeitige Flaute an Käufen. Das führt dazu, dass ein paar Marktteilnehmer einfach mal ein paar Gewinne mitnehmen. In dem Moment aber, indem der Markt kurzfristig derart übersättigt ist, dass auch bei leicht niedrigeren Kursen noch keine ausreichenden Käufermengen mobilisiert werden können, werden erste meist größere Adressen unruhig und versuchen, weitere Positionen zu reduzieren. Und fängt einer an, kommen andere nach - es beginnt ein Rücksetzer. Ein völlig normaler, bis zu diesem Augenblick.

Aber je intensiver ein Trend ist, desto höhere Risiken gehen die Akteure ein. Das Gegenteil wäre klug, aber man sieht immer wieder, dass die Gier gerne die Vernunft außer Betrieb setzt. Zumal hier ja auch noch Angst geschürt wurde und Rohstoffe als letzter sicherer Hafen vor den Stürmen des Aktienmarkts und der Inflation angepriesen wurden, sodass nicht wenige zu egal welchem Kurs dort kauften ... in dem Glauben, nun seien sie in Sicherheit. Diese hohen Risiken können - müssen nicht, aber hier kam es so - dazu führen, dass eine normale Korrektur schärfer ausfällt und groß genug wird, um die Grenze für erste Margin Calls anzukratzen. Und dann?

Da in Fahnenstangen wie gesagt sehr oft alle Vorsicht fahren gelassen wird, kommt es zu ersten Zwangsverkäufen. Das kann der Markt oft nicht halten, denn wer damit rechnet, dass es nur noch nach oben geht, greift nicht bei fünf Prozent Rücksetzer beherzt zu ... sondern ist schlicht erschrocken und wartet ab, was da vor sich geht. Und das führt zu einem Kaskadeneffekt:

Die Zwangsverkäufe drücken die Kurse weiter, was dann auf einmal auch für diejenigen, die tiefer eingestiegen sind, zu Margin Calls führt ... es kommen weitere Zwangsverkäufe und so kann es weiter gehen. Immer schneller, immer tiefer, zusätzlich natürlich verstärkt durch normale Stop Loss-Verkäufe. Bietet sich durch dieses Waterloo der Sorglosen und Waghalsigen nun eine Chance für den besonnen Investor? Kann und sollte man nun die Hand aufhalten?




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