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Dollar-neutrales Rohöl

08.05.2008  |  Adam Hamilton
Rohöl ist dieser Tage einer der heißesten Rohstoffe der Welt. Fast ohne Unterbrechung ist sein Preis allein im April um 16% gestiegen! Es schloss an 8 der letzten 11 Handelstage mit neuen Allzeit-Hochs. Mit der aktuellen Annäherung an 120 $ pro Barrel erscheint die berühmte 100 $-Marke, die so viele Jahre lang in den Märkten gefürchtet war, als moderat.

Wer bullisch gegenüber Rohstoffen ist, hält schon seit vielen Jahren Longpositionen in Öl und Ölaktien, sodass die Stärke von Öl nicht allzu überraschend kommt. Als Grund für seinen starken Anstieg sehen wir naturgemäß ein weltweites Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage. Die Nachfrage nach Öl steigt viel schneller als das Angebot, sodass höhere Preise die einzige Möglichkeit sind, die Nachfrage zu hemmen und die Produktion zu beschleunigen, bis ein neuer Gleichgewichtspreis erreicht ist.

Die Wall Street, die naturgemäß negativ gegenüber Rohstoffen eingestellt ist, versucht hingegen, die felsenfeste fundamentale Basis für diesen Öl-Bullenmarkt zu umgehen. In ungeliebten Sektoren versucht man, Fundamentaldaten weg zu rationalisieren und Preisanstiege auf kurzlebigere Faktoren zu schieben. Daher wird nun behauptet, dass der Ölpreis nur von Spekulanten und vom US-Dollar gesteuert wird.

Wenn die Spekulanten schuld wären, hätte Öl eine scharfe Korrektur erleben müssen, nachdem es Anfang November die am stärksten überkauften Niveaus dieses gesamten Bullenmarktes erreicht hatte. Anstatt jedoch vom hohen 90 $-Bereich einzubrechen, konsolidierte Öl auf diesem hohen Niveau seitwärts und bildete zwischen 87 $ und 100 $ eine Basis, von der es seine letzte Rallye startete. Spekulative Leidenschaft ist kurzlebig und sie allein kann Rekordpreise nicht 6 Monate lang aufrecht erhalten.

Spekulanten kaufen schnell und lösen damit vertikale Anstiege aus. Danach verlassen sie den Markt noch schneller als sie eingestiegen sind und es kommt zu starken Einbrüchen nach den Hochs. Letzteres passierte bei Öl nicht, was darauf hindeutet, dass ein weltweites Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage in den letzten 8 Monaten ein viel wichtigerer Faktor für die außergewöhnliche Stärke von Öl war als spekulative Gier. Die aktuelle Vermeidungsstrategie der Wall Street ist es, den Dollar verantwortlich zu machen und zu behaupten, die Stärke des Ölpreises wäre vor allem auf den schwachen Dollar zurückzuführen.

In Mainstream-Marktanalysen findet man heute kaum einen Bericht über Öl, indem nicht sofort der schwache US-Dollar für die Stärke des Ölpreises verantwortlich gemacht wird. Während dieser zwar definitiv einen Einflussfaktor darstellt, werden die Trader in die Irre geführt, wenn man ihm eine zu hohe Bedeutung zumisst. Wenn ein Trader den Leuten von der Wall Street glaubt, dann erwartet er einen schwächeren Ölpreis, wann immer der Dollar steigen sollte. Diese Einstellung könnte sich jedoch sehr schlecht auf Ihre zukünftigen Erträge auswirken.

Wenn die Fundamentaldaten der primäre Treiber des Ölpreises sind, wird sein Bullenmarkt noch für viele Jahre weiter bestehen, bis eine Art neues Gleichgewicht zwischen Verbrauch und Produktion erreicht ist, das den Aufschwung Asiens vollends reflektiert. Wenn aber der Dollar der primäre Treiber für den Ölpreis ist, müsste dessen Bullenmarkt größtenteils zu Ende sein, sobald auch der Bärenmarkt des Dollar zu Ende geht. Eine schlaue Investment-Strategie für die Zukunft wird sich offensichtlich zwischen diesen beiden Weltanschauungen bewegen.

Als langzeitiger Investor in Energie-Aktien wollte ich besser verstehen, wie wichtig die Rolle des US-Dollar im Öl-Bullenmarkt nun wirklich ist. Nachdem die Fed aktiv daran arbeitet, die internationale Kaufkraft des US-Dollar zu zerstören, muss alles, was wir in Vereinigten Staaten importieren, teurer werden. Der Dollar ist also definitiv ein wichtiger Faktor. Es besteht aber auch ein wirkliches fundamentales Ungleichgewicht bei Öl, sodass der Dollar sicherlich nicht der einzige Faktor ist.

Um diese Untersuchung durchzuführen, wollte ich den Ölpreis dollar-neutral darstellen. Wie würde der aktuelle Öl-Bullenmarkt aussehen, wenn wir den Bärenmarkt des US-Dollar irgendwie aus dem Ölpreis herausrechnen würden? Ich überlegte mir, dies mathematisch zu lösen und einen hypothetischen Ölpreis, basierend auf einem flachen US-Dollar-Index, zu berechnen. Ein solches Konstrukt hätte aber nichts mit der realen Entwicklung in der Welt zu tun. Stattdessen stellte ich Öl in den wichtigsten alternativen Währungen dar.

Die erste davon ist der Euro als führender Konkurrent des Dollar um die Rolle als Welt-Reservewährung. Rund um die Welt akzeptiert jeder, von den Zentralbanken bis zu den Straßenverkäufern, gerne Euros. Als zusätzlichen Bonus dominiert der Euro heute den 35 Jahre alten USDX (US-Dollar-Index) mit einer Gewichtung von 57,6% des gesamten Index! Der japanische Yen ist als Zweiter mit 13,6% bereits weit abgeschlagen. Den Ölpreis in Euro zu betrachten ist also bereits weitgehend USDX-neutral, denn der Euro ist im Grunde der USDX.

Die zweite alternative Währung ist die älteste und beste Währung der Welt, nämlich Gold. Gold erhält seinen intrinsischen Wert über Jahrhunderte, unabhängig davon, was Zentralbanken anstellen, um ihre eigenen, fragilen und ungedeckten Währungen zu unterminieren. Gold ist außerdem in den wichtigsten Öl-exportierenden Ländern sehr gefragt, sodass diese den Ölpreis in Gold sehr wahrscheinlich verfolgen werden, um zu sehen, welchen wahren Wert sie für ihre seltene, sich langsam erschöpfende Ressource bekommen. Der Ölpreis in Gold ist gegenüber ungedeckten Papierwährungen neutral.

In diesen Charts sind die Ölpreise in Euro und Gold mit ihren entsprechenden technischen Indikatoren jeweils auf der rechten Achse eingezeichnet. Darunter ist der gewohnte Ölpreis in US-Dollar in rot eingezeichnet, die Werte finden sich auf der linken Achse. Bei 5 wichtigen Hochs des Ölpreises in US-Dollar im Verlauf dieses Bullenmarktes sind die bis zu diesem Zeitpunkt erzielten Anstiege des Ölpreises jeweils in der alternativen Währung sowie auch in US-Dollar und das entsprechende Verhältnis dieser Anstiege angegeben. Alle Achsen beginnen bei Null, um sicherzustellen, dass die relativen Anstiege visuell nicht verzerrt sind.

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Öl erreicht heute auch auf Euro-Basis neue Allzeit-Hochs, aber diese sind nicht annähernd so extrem wie jene in US-Dollars. Vom wichtigen USD-Ölhoch im Juli 2006 (Nummer 4 im obigen Chart) und heute ist der USD-Ölpreis um 53,5% gestiegen. Der entsprechende Anstieg des Euro-Ölpreises war mit 22,1% viel moderater. Dies führt zu einem Verhältnis von 0,41, was vermuten lässt, dass nur vier Zehntel der Anstiege des Ölpreises in US-Dollar seit Juli 2006 von globalen Fundamentaldaten gesteuert wurden.






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