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Benzin, Diesel und Öl

19.05.2008  |  Adam Hamilton
Benzin, das überall für selbstverständlich angenommen wird, schlägt sich heutzutage heftig auf die Stimmung der Konsumenten. In den Vereinigten Staaten hat der Automobilclub AAA gerade erst verkündet, dass die Verkaufspreise für Benzin auf durchschnittlich 3,65 $ pro Gallone gestiegen sind! Dieses Allzeit-Hoch motiviert die Amerikaner, weniger zu fahren, langsamer zu fahren und auf effizientere Autos umzusteigen, um Benzin zu sparen.

Für mich als Beobachter der Märkte ist Benzin faszinierend. Der Einfluss seiner Preisbildung schlägt große Wellen in alle Bereiche der Wirtschaft. Da der Verkehr eine derart grundlegende Notwendigkeit des täglichen Lebens darstellt, beobachtet jeder regelmäßig den Benzinpreis. Es macht Spaß, einen mit so viel Interesse verfolgten Markt zu beobachten und zu analysieren.

Wie jeder andere Amerikaner auch, habe ich jede Woche erneut über die Preise an den Zapfsäulen gestaunt. Es ist schwer zu glauben, dass der Benzinpreis Ende 1998 kurzzeitig unter die Marke von 1,00 $ pro Gallone gefallen war! Diese idyllische Welt, die durch einen Ölpreis von 11 $ ermöglicht wurde, wird nie wieder zurückkehren. Eher im Gegenteil, es ist wahrscheinlich, dass die Preise ziemlich bald noch deutlich höher steigen werden.

Die Preise für Benzin, das aus Rohöl raffiniert wird, sind den Preisen für sein Vorlaufprodukt nun fast ein Jahr lang hinterhergehinkt. Das ist für die Ölraffinerien, die in dieser Situation nicht einmal daran denken können, Gewinne zu machen, natürlich tödlich und viele Aktien von Raffinieren handeln im Bereich von 52-Wochen-Tiefs. Das Gemetzel in diesem Sektor ist unglaublich. Die Ironie daran ist, dass zurückgebliebene Politiker die Ölfirmen für die hohen Benzinpreise verantwortlich machen.

In den freien Märkten wird ein Produkt, wenn es nicht länger mit einem angemessenen Gewinn produziert werden kann, bald nicht mehr angeboten. Diese Wahrheit des Kapitalismus gilt sogar für eine so kapitalintensive Branche wie die Ölraffinerie. Raffinerien werden bei einer Ölproduktion, mit der sie keine Margen erzielen können, aus dem Geschäft aussteigen. Das wiederum wird die Benzinpreise nach oben treiben, um diese an den Rohölpreis anzupassen. Die Benzinpreise haben ihren Marsch nach oben gerade erst begonnen!

Ich bin sicher, dass diese Entwicklung Sie als Konsument stören wird. Ich mag es auch nicht. Aber als Investoren und Spekulanten müssen wir versuchen, uns allen Preisen gegenüber absolut neutral zu verhalten. Wir sollten uns kein bisschen darüber Sorgen machen, ob ein Preis steigt oder fällt. Anstatt unsere Energie damit zu verschwenden, sollten wir sie darauf verwenden, die Trends richtig zu nutzen, um daraus Gewinne zu erzielen. Die heutige Anomalie derart niedriger Benzinpreise im Vergleich zu Rohöl wird sich sehr wahrscheinlich als große Trading-Gelegenheit erweisen.

Entscheidend ist dabei, die historische Beziehung von Rohöl und Benzin zu verstehen. Im Zuge dieser Studie beschloss ich schließlich, auch Diesel mit einzubeziehen. Diesel wird im Prozess der Veredelung früher und heißer aus dem Rohöl abgesondert als Benzin und die weitgehenden ökonomischen Auswirkungen steigender Dieselpreise könnten noch gravierender sein als jene der steigenden Benzinpreise. In beiden Fällen wird die neue Welt von Ölpreisen von 100 $ und mehr die Vorstellung von „normalen“ Treibstoffpreisen radikal ändern.

Dieser erste Chart vergleicht den Großhandelspreis für Benzin (Gasoline) und Diesel über das vergangene Jahrzehnt mit dem Ölpreis (Crude Oil), um ein gewisses Grundverständnis zu schaffen. Die heutige Anomalie der niedrigen Benzinpreise ist schwer nachzuvollziehen, wenn man nicht verstanden hat, wie der Benzin- und Ölpreis in der Vergangenheit zusammenhingen. Die Verhältnisse von Öl- und Benzinpreis beziehungsweise von Öl- und Dieselpreis sind ebenfalls im Hintergrund eingezeichnet.

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Benzin und Diesel korrelieren so stark mit Rohöl, dass die schwarze Linie für Letzteres in diesem Chart schon beinahe überdeckt ist. Im Verlauf dieses Jahrzehnts, das den gesamten säkularen Öl-Bullenmarkt beinhaltet, sind die r-Quadrat-Werte für diese Korrelationen extrem hoch. Der r-Quadrat-Wert von Öl und Benzin erreichte auf einer täglichen Basis 95,7% und jener von Öl und Diesel sogar 98,6%. Das bedeutet, dass 95,7% der täglichen Benzinpreis-Bewegungen und 98,6% der täglichen Dieselpreis-Bewegungen direkt mit den Veränderungen des Ölpreises in Verbindung gebracht werden können.

Das beste Beispiel für eine temporäre Entkoppelung war die legendäre Katrina-Preisspitze bei Benzin im August 2005. Als dieser gemeine Sturm über das Herz der US-amerikanischen Ölraffinerie-Industrie hinwegfegte, gingen Raffinerien im Ausmaß von 10% des nationalen Benzinverbrauchs außer Betrieb. Das war eine unerwartete Störung des Benzin-Angebots.

In den 5 Handelstagen bis zum 1. September 2005 schoss der Großhandelspreis für Benzin um 65,7% nach oben! In den 5 Tagen danach brach er allerdings wieder um 34,6% ein. Der Netto-Anstieg aufgrund des Hurrikan Katrina betrug nach diesen 10 Tagen nur 8,4% auf einen Großhandelspreis von 2,05 $. Da der Ölpreis nicht annähernd so stark stieg wie der Benzinpreis in seinem parabolischen Anstieg, brach Letzterer sehr rasch wieder ein.

Heute ist jedoch genau das Gegenteil passiert, auch wenn die amerikanischen Konsumenten und unsere gehirntoten Politiker das nicht wahrhaben wollen. Öl handelt seit Ende Februar, also seit nunmehr 49 Handelstagen, beständig über 100 $! Bei einem derart langen Zeitraum handelt es sich um weit mehr als nur eine spekulative Preisspitze. Wirkliche globale Fundamentaldaten sind für einen großen Teil dieses Anstiegs verantwortlich. Die weltweite Öl-Nachfrage wächst schneller als das Angebot und in Folge steigt der Ölpreis.

Bisher haben die Benzinpreise diesen Anstieg des Ölpreises noch nicht vollkommen reflektiert, aber das werden sie noch. Das enge Öl/Benzin-Ratio im obigen Chart macht dies sehr deutlich. Egal wohin der Ölpreis zwischen 11 $ und 124 $ stieg, dieses Ratio hielt stand. Und es wird auch jetzt standhalten. Es kann keine Fertigerzeugnisse geben, die unter den Kosten für die benötigten Rohmaterialien verkauft werden. Im Gegensatz zu einigen lächerlichen Fluglinien wird diese Branche nicht für immer mit Verlusten arbeiten.


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