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Benzin, Diesel und Öl

19.05.2008  |  Adam Hamilton
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Dieser Chart fokussiert auf das Öl/Benzin-Ratio, das Öl/Diesel-Ratio ist im Hintergrund aufgetragen. In einem der volatilsten Jahrzehnte für Öl und Benzin, die wir jemals erlebt haben, hält sich das Öl/Benzin-Ratio fest innerhalb einer engen Bandbreite. Sein Durchschnitt liegt bei 35,7, was bedeutet, dass ein Barrel Rohöl seit 1998 durchschnittlich 35,7 mal soviel kostet wie eine Gallone Benzin im Großhandel. Der Durchschnittswert für das Öl/Diesel-Ratio kommt mit 35,5 ebenfalls sehr nahe an diesen Wert heran.

Der horizontale Trendkanal des Öl/Benzin-Ratio liegt zwischen 27 und 42, mit ein paar darüber oder darunter liegenden Anomalien. Ich finde diese Widerstandslinie bei 42 sehr faszinierend. Ein Barrel Öl beinhaltet 42 Gallonen. Gibt es irgendeine chemische oder ökonomische Logik, die erklärt, warum die obere Grenze der Banbreite für das Öl/Benzin-Ratio ebenfalls bei 42 liegen sollte? Oder ist das reiner Zufall? Benzin ist sicherlich nicht das einzige Destillat, dass aus einem Barrel, also 42 Gallonen Rohöl gewonnen wird. Mein sehr rudimentäres Wissen über die Ölraffinerie hilft mir hier allerdings nicht weiter.

An der Spitze des Öl/Benzin-Ratio-Trendkanals, in der Nähe von 42, sind für die Raffinierien keine Gewinne zu machen. Wenn wir diesen Punkt erreichen, senken die Raffinerien die Benzin-Produktion. Sie können das zwar nicht sehr rasch machen, da es sich um einen hoch komplexen Prozess handelt, aber sie können schrittweise Teile ihrer Produktion zu Instandhaltungszwecken niederlegen oder ihr Hauptgeschäft auf andere Destillate wie Heizöl oder Kerosin verlagern. Das hilft, um das temporäre Überangebot an Benzin zu verringern, bis die Benzinpreise erneut steigen.

Seit 2001 hat das Öl/Benzin-Ratio seine Widerstandslinie bei 42 über ein halbes Dutzend mal geprüft. Solch ökonomisch irrationale Niveaus können sich niemals über längere Zeit halten. Nach kurzlebigen Ausflügen in die Nähe der Widerstandslinie fällt dieses Ratio sehr bald wieder deutlich unter den Durchschnitt von 36 bis in die Nähe der Unterstützung von 27. An diesem Punkt gilt natürlich genau das Gegenteil. Die Ölraffinerien arbeiten sehr profitabel, sodass sie die Produktion schrittweise wieder anheben, was die Benzinpreise wiederum fallen lässt.

Aufgrund der ökonomischen Grundsätze der Ölraffinerie bezweifle ich, dass dieser flach verlaufende Trend sich jemals entscheidend verändern wird. Da Öl destilliert werden muss, um Benzin zu produzieren, wird der Benzinpreis den Ölpreis langfristig immer wieder reflektieren. Dieses Prinzip hilft uns, die heutigen Trading-Chancen zu ermitteln. Beachten Sie im obigen Chart, dass das Öl/Benzin-Ratio Mitte März auf 45,8 gestiegen ist! Das ist sein höchstes Niveau in mindestens einem Jahrzehnt und es würde mich nicht wundern, wenn dies das höchste Niveau wäre, dass dieses Ratio jemals erreicht hat.

Wenn ein Barrel Öl 45,8 mal soviel kostet wie eine Gallone Benzin, fährt jede Raffinerie Verluste ein. Innerhalb der Branche spricht man bei der Differenz zwischen den Rohölkosten und dem Erlös aus dem Benzinverkauf (und dem Verkauf anderer gewonnener Produkte) vom sogenannten „Crack Spread“. Cracking nennt man jenen Prozess, bei dem schwerere Kohlewasserstoffe im Öl von den leichteren, einfacheren Molekülen, die im Benzin enthalten sind, getrennt werden. Der Crack Spread ist ein Maß für den Gewinn pro Barrel beim Prozess der Ölraffinerie.

Der durchschnittliche Crack Spread bewegte sich in den letzten 5 Jahren zwischen 4 $ und 18 $ pro Barrel, mit sehr starken saisonalen Einflüssen. Generell ist eine Ölraffinerie dann am profitabelsten, wenn der Crack Spread am höchsten ist. Das ist meist in der Zeit mit hohem Verkehr und entsprechender Nachfrage vom Frühjahr bis in den Sommer. Am niedrigsten ist der Crack Spread üblicherweise im November und Dezember, wenn die Benzinnachfrage mit Winterbeginn abnimmt.

Etwa Anfang Mai des Vorjahres waren die Crack Spreads extrem profitabel und lagen zwischen 30 $ und 40 $ pro Barrel. Der Benzinpreis stieg weit über den Rohölpreis, wie der nächste Chart zeigen wird. Dieses Jahr hingegen lagen die Crack Spreads bis Anfang März bei etwa 5 $, bis sie dann im März auf Null abfielen. Der niedrige Benzinpreis (relativ zum Rohölpreis), den wir in den letzten Monaten erlebt haben, machte die Ölraffinerie zu einem unmöglichen Geschäft. Warum sollte man produzieren, wenn man dabei Geld verliert?

Diese Anomalie in der Preisentwicklung von Benzin und Rohöl wurde durch ein überdurchschnittlich hohes Angebot in den USA ausgelöst. Üblicherweise besitzt dieses Land Anfang April etwa die Menge an Benzin, die dem täglichen Gesamtverbrauch für 23 Tage entspricht. 2007, als die Crack Spreads extrem hoch waren, fiel dieser Wert auf 22 Tage. 2008 war das verfügbare Benzin in den USA jedoch auf den Gesamtverbrauch von 26 Tagen angestiegen, was sehr hoch ist. Die amerikanischen Autofahrer hatten ihren Konsum bereits eingschränkt, was zu höheren Vorräten führte.

Die Raffinerien verfolgen die verfügbare Menge an Benzin natürlich äußerst genau. Sie passen ihre Produktionsraten und die Produktionsmengen an, um die Gewinne ihrer Aktionäre zu maximieren. Wenn die Produktion unprofitabel wird, werden sie ganz einfach weniger produzieren. Dadurch steigen die Benzinpreise, was wiederum angemessene Gewinne für die Raffinerie-Branche gewährleistet. Das ist der einzig mögliche Weg in einem freien Markt mit temporärem Überangebot.

Aber nun zurück zum obigen Chart über das Öl/Benzin-Ratio. Wann immer dieses Ratio ein extremes Hoch erreicht, beginnt es wieder zu fallen. In den darauffolgenden 3 bis 8 Monaten fällt es zurück, um die Benzinpreise wieder an die Realität der hohen Ölpreise anzupassen. Dies führt normalerweise zum Erreichen der Unterstützungslinie bei einem Wert von etwa 27. Nachdem wir nun ein extremes Hoch des Öl/Benzin-Ratio erlebt haben, ist es sehr wahrscheinlich, dass es in den kommenden Monaten einen Rückgang bis zur Unterstützung geben wird.

Das hat wiederum massive Auswirkungen auf die Benzinpreise. Wenn Öl in der Nähe von 120 $ konsolidiert, wie es zwischen November und Februar bei 100 $ passiert ist, erwarten uns in nächster Zeit ernsthaft steigende Benzinpreise. Ein Ölpreis von 120 $, dividiert durch ein durchschnittliches Öl/Benzin-Ratio bedeutet Großhandelspreise für Benzin von 3,36 $. Das ist um 7,7% höher als der Preis von dieser Woche und diese Preissteigerung wird sich auch auf die Tankstellenpreise für Benzin auswirken. In diesem Szenario würden die durchschnittlichen Benzinpreise an der Zapfsäule auf fast 3,90 $ steigen.

Tendenziell fällt das Öl/Benzin-Ratio nach einem extremen Hoch jedoch nicht nur auf seinen Durchschnittswert, sonder viel eher bis auf seine Unterstützung bei etwa 27. Das würde bei einem Rohölpreis von 120 $ zu einem Großhandelspreis von 4,44 $ führen, das ist um 42,3% höher als in dieser Woche! Dieser Großhandelspreis würde wiederum einen durchschnittlichen Verkaufspreis für Benzin in den USA von 4,99 $ bedeuten! Wenn die heutigen Benzinpreise die Konsumenten bereits ärgern, stellen Sie sich die Stimmung bei Preisen von über 5 $ vor! Autsch.

Natürlich könnte der der Ölpreis auch korrigieren, und die Wall Street betet auf den Knien für ein solches Ereignis. Da die Benzinpreise jedoch weit hinter den Rohölpreisen liegen, würde nicht einmal eine Korrektur die Situation merklich verbessern. Im bisherigen Bullenmarkt betrug die durchschnittliche Korrektur des Ölpreises 21,8% über 2 Monate. Das würde den Ölpreis auf etwa 97 $ fallen lassen, was bis dahin in etwa der 200-Tages-Linie entsprechen würde. 200-Tages-Linien sind üblicherweise starke Unterstützungen in fortlaufenden säkularen Bullenmärkten.


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