Gescheiterte Staaten: Mexiko & Kalifornien
30.06.2008 | Jim Willie CB
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Gewalt hat sich in großen Teilen Mexikos breitgemacht. Morde und versuchte Morde an Polizeigrößen werden immer häufiger, besonders in nördlichen Bundesstaat Nuevo León. Waffenstillstände zwischen sich bekriegenden Drogenkartellen werden gebrochen, so zum Beispiel zwischen dem Gulf- und dem Sinaloa-Kartell. Kidnapper-Banden arbeiten mit erfolgreichen Taktiken. Die hochwertigen Ziele dieser Banden in den Gebieten Baja und Tijuana waren bisher nur mexikanische Staatsbürger. Eine Splittergruppe der Revolutionären Volksfront hatte in der Vergangenheit Sprengstoffanschläge auf Öl-Pipelines verübt. Darin ist eine Veränderung der Taktik zu sehen - von regierungsfeindlichen Online-Manifesten bis hin zu richtigen Bomben. Mit Erfolg haben sie verschiedene Energieziele getroffen. In den vergangenen Monaten wurde von zahlreichen Vorfälle berichtet; Leichen wurden an Straßenrändern und in Feldern gefunden, die Arme auf den Rücken gebunden, mit Kopfschuss. Die Polizei fand in einigen Fällen gestohlene Polizei- und Armeeuniformen. Selbst US-Journalisten wurden bedroht.Womöglich zeichnet sich ein gescheiterter Nationalstaat südlich der US-Grenze ab. Angriffe auf Energienetzwerke, steigende Armut und Ungerechtigkeit, unzureichende Staatsleistungen, die steigende Macht der organisierten Kriminalität, Korruption und Unterwanderung der Polizeikräfte, Ermordung von Richtern und öffentlichen Personen ohne Konsequenzen und zunehmende Verarmung (Bankrotte) von Bauern. Die aktuellen Veränderungen der Preise für Agrarprodukte haben zu schlimmen, zusätzlichen Zerwürfnissen und Verlusten geführt und zu Zusammenbrüchen von mexikanischen Agrarbetrieben. Die Sicherung von Grundbedürfnissen, die Aufrechterhaltung des Gesetzes und von Steuerstrukturen, Loyalität gegenüber den Autoritäten und das Gefühl für die Dringlichkeit - all dies scheint im Zusammenbrechen begriffen und das schon seit mehreren Monaten. Es ist bemerkenswert, dass es die Pressedienste der USA ablehnen, von diesen Entwicklungen zu berichten, Entwicklungen, die lange Bindeglieder in einer hässlichen Kette sind.
Die Kluft zwischen Arm und Reich ist stark ausgeprägt und sie wird größer. Darüber hinaus ist das System so ausgerichtet, dass diese Spaltung schlimmer werden kann. Das Scheitern des mexikanischen Staates findet von oben nach unten statt - ausgehend von den finanziellen Verfehlungen der Bundesregierung und ausgehend vom Verfall ihres verwirtschafteten Energiesektors. Gigantische Staatsdefizite werden das nächste beherrschende Thema aus Mexiko sein, zusammen mit dem Energiesektor, der sich im Würgegriff der Gewerkschaften befindet und den Drogenkartellen, die nicht aufhören werden, die Öl-Pipelines als Geiseln zu benutzen. Man kann sich durchaus die Frage stellen, ob es - inmitten des ganzen Chaos - nicht zu einem Angriff verdächtigen Ursprungs kommen könnte. Viele glauben, dass es im Herbst 2001 zu einer solchen Begebenheit in New York City gekommen ist. Wenn schon die Hälfte der US-Bevölkerung Zweifel hat, dann kann dieser Zweifel nicht länger als bloßer Schwindel hingestellt werden. Mexiko könnte Nutzen aus beschworener Desinformation ziehen, um die Nation zusammenzuhalten. Die Führer und Oligarchen beider Nationen nutzen die zugespitze Situation, um persönlich davon zu profitieren.
Hässliche Details aus der mexikanischen Ölindustrie
Die Rohölversorgung der USA kommt zu wesentlichen Teilen aus Mexiko, gleich nach Saudi-Arabien (Platz 2) und Kanada (Platz 3). Da die Ölproduktion in Mexiko einbricht, wird auch ein Kampf um die verringerten Ölmengen entstehen - entweder erhalten die USA weniger oder die mexikanischen Kunden. Schon seit Monaten treibt mich dieser Gedanke, wie ich es auch regelmäßig in den Hat Trick Letters zum Ausdruck gebracht habe. Jetzt hat Mexiko schließlich eine beachtliche Kürzung des Ölexports in die Vereinigten Staaten angekündigt, hierbei soll es um fast 150.000 Barrel pro Tag gehen - eine weitere Geschichte, die komplett von den US-Pressediensten ignoriert wurde. Man möchte meinen, dass sie sich fraglos für die Belieferung der inländischen Kunden mit mexikanischem Öl entscheiden. Falls sie sich entscheiden, die Ölexporte in die USA einzuschränken, dann wird das mexikanische Handelsdefizit vor einer enormen Vergrößerung stehen.
Der Peso wird übel an Wert verlieren, was wiederum zu systemischer Preisinflation führen wird - noch schlimmer als jetzt schon. Falls sie sich jedoch entscheidet, den nationalen Kunden das Ölangebot zu verwehren, um die US-Nachfrage zu befriedigen, dann wird die mexikanische Wirtschaft unter Engpässen beim Benzin und petrochemischen Produkten (wie Schmierstoffe, synthetische Fasern, Düngemittel) zu leiden haben. Die Benzinpreise werden überall in den Himmel schießen, was möglicherweise zu Aufständen führen wird. Egal wie man entscheidet, hier gibt es keine Gewinner. Bis jetzt scheint es so, dass sich die mexikanischen Behörden für die Kürzung der Lieferungen an die USA entschieden haben und für eine Aufrechterhaltung des inländischen Angebots.
Die Aussichten im mexikanischen Energiesektor haben sich seit einiger Zeit verschlechtert, was auch bald seine Auswirkungen auf die nationalen Finanzen haben wird. Das Elefanten-Ölfeld Cantarell hatte schon 2006 und 2007 einen jährlichen Rückgang von 15% zu verzeichnen, die aber durch geringfügigere Ausweitung der Förderleitung anderer mexikanischer Projekte wettgemacht werden konnten. Jetzt hat Cantarell einen jährlichen Rückgang von 30% zu verzeichnen. Laut dem Finanzjournal von Mexico City, El Financiero, soll der nationale Energieprodukt-Output, insgesamt betrachtet, schon seit einem ganzen Jahr sinken. Im Juni 2007 sank die Erdgasproduktion in den PEMEX-Raffinerien, im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, um 56,4%. Erdgas folgt ganz klar dem Trend der Ölproduktion - weniger Öl, aus dem man Produkte herstellen kann. Die mexikanische Wirtschaft verbraucht 800.000 Barrel bis 840.000 Barrel Benzin pro Tag - jedes Eigendefizit wird durch Importe wettgemacht. Die schockierenden Zahlen sind hier die Benzinimporte, die im Juni 2007, im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, um 92,1% anstiegen. Der Trend hat angehalten, Mexiko erlebt gerade ein allmähliches Absinken seiner Handelsüberschüsse, welche von den Öllieferungen dominiert werden.
Es wurden seit über 20 Jahren keine neuen Benzinraffinerien in Mexiko gebaut, nicht so schlimm wie in den USA, wo seit 35 Jahren keine neue Benzinraffinerie gebaut wurde. Aus finanzieller Sicht folgt daraus, dass Mexiko durch den Ölexport im Jahr 2006 34,7 Milliarden Dollar an FOREX-Reserven zu verbuchen hatte. Von diesen Einnahmen wurden jedoch wieder 10 Milliarden Dollar für den Benzinimport ausgegeben - das entspricht 29% der Einnahmen. Dieser Trend hält an und frisst den Handelsüberschuss auf, weil sie mehr Benzin importieren und weniger Öl fördern. Der große Segen der Ölentdeckungen der 1970er Jahre nähert sich seinem Ende. Ihre Ölexporte beliefen sich im ersten Halbjahr 2007 auf 1,718 Millionen Barrel/Tag - 10% weniger als im ersten Halbjahr 2006. Der aus den Energieressourcen stammende Handelsüberschuss schwindet dahin. Analysten gehen davon aus, dass er ab dem Jahr 2011 nicht mehr vorhanden ist. Dort werden jedoch Störungen und Ausfälle nicht mit eingerechnet.
Es könnte also schon früher soweit sein. Sie scheinen ebenfalls die wachsenden Benzin-Importe nicht mit einzurechnen - was den Zeitpunkt nach vorne versetzt. Die Folgen für die nationale Politik werden einschneidend sein, sie werden zu einem Scheitern des Staates führen, begleitet von einem weitreichenden Zusammenbruch der Ordnung. Gold wird auf eine solche Krise antworten - auch wenn es hier um Mexiko geht.
Dann gibt es noch die North American Alliance - ganz verstohlen geplant von denen, die an den Hebeln der Macht sitzen. Hinter der Schaffung der North American Alliance (ohne Diskussionen, Studien oder Abstimmung) steht ein tieferer Sinn: Die USA bringen Finanzmacht, weitreichende technologische Kompetenz und ihre pharmazeutische Durchdringung des Marktes ein - dies verstärkt durch militärische Kraft und unterstützt durch die kanadischen Energiereserven sowie durch ihren Reichtum an Mineralien (und sicher dem ein oder anderen Expertenwissen) - dazu kommen von mexikanischer Seite die billigen Arbeitskräfte und deren Energiereserven und Mineralien - und es gibt einen Bonus: neue Hafenanlagen.
Das sinkende Rohölangebot stört jedoch den mexikanischen Beitrag. Es ist vorstellbar, dass ein chaotischer Staat unten im Süden Mexikos den gesamten Plan der Allianz zu Nichte machen könnte - es würde vielleicht schon reichen, wenn das Problem auch auf die USA übergreift. Dazu könnte es kommen, wenn Millionen von Mexikanern über die Grenze Richtung USA springen, oder wenn deren Drogenkartelle ihr Einflussgebiet auf Kalifornien, New Mexico und Texas ausdehnen. Wenn Mexiko gezwungen sein wird, mit massivem von der Regierung bereitgestelltem Notfallkapital zu inflationieren, oder wenn tiefgreifende Ausfälle und Bond-Krisen anstehen, dann werden die Bedingungen geschaffen sein für eine breite Zufluchtsbewegung zum Gold. Die Lage verschlimmert sich - und wieder berichtet keiner diese Schoßhündchen-Pressedienste über die Umstände.