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Geld und Inflation - Die Sicht der Wiener Schule

28.07.2008  |  Mag. Gregor Hochreiter
- Seite 4 -
Inflation und Moral

Nicht zu unterschätzen sind die Auswirkungen der Inflation auf die moralische Verfaßtheit einer Gesellschaft. Die sukzessive Entwertung des Geldes bestraft die Ersparnisbildung und verhilft einer Un-Kultur der Kurzfristigkeit und Konsumorientierung zum Durchbruch. Eine Kultur des Nehmens breitet sich aus, die die unmittelbare und egoistische Bedürfnisbefriedigung sucht. Die der Inflation geschuldete Geldentwertung macht es zudem unumgänglich, der monetären Wertsicherung überdurchschnittlich viel Aufmerksamkeit zu schenken. Bei einer jährlichen Inflation von 10% sichert eine Rendite von 10% gerade einmal die Kaufkraft des Vermögens. War es früher noch möglich für die Pension durch das Zurücklegen von einzelnen Edelmetallmünzen vorzusorgen, so halbiert sich bei einer jährlichen Inflation von 10% die Kaufkraft eines Euro in etwas mehr als sieben Jahren.

John M. Keynes, dessen "Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes" (1936) gewiß zu den einflußreichsten Fürsprechern des Inflationismus im 20.Jahrhundert zu rechnen ist, formuliert knapp zwei Jahrzehnte zuvor in "Die wirtschaftlichen Folgen des Friedensvertrages" (1920) eine emphatische Warnung vor der gesellschaftszerstörenden Wirkung der Inflation:

"Es gibt kein feineres und kein sicheres Mittel, die bestehenden Grundlagen der Gesellschaft umzustürzen, als die Vernichtung der Währung. Dieser Vorgang stellt alle geheimen Kräfte der Wirtschaftsgesetze in den Dienst der Zerstörung, und zwar in einer Weise, die nicht einer unter Millionen richtig zu erkennen imstande ist."

Die Geschichte der Inflationen von der Antike bis in die Gegenwart gibt Keynes in diesem Punkt recht. Der Inflationierungsprozeß unterminiert schleichend die für den materiellen wie immateriellen Wohlstandsaufbau unumgänglichen Sekundärtugenden der Sparsamkeit, Aufrichtigkeit und Eigenverantwortlichkeit. Schulden zu machen und Unternehmungen "vorzufinanzieren" - ein Euphemismus für Schulden aufnehmen - gehört in Zeiten der Inflation zum guten Ton, das Geld scheint förmlich auf der Straße zu liegen. Während sich die Gesellschaft im Überoptimismus der inflationären Scheinwerte sonnt, korrodiert im Hintergrund das gesellschaftliche Gerüst; gerade auch deswegen, weil den Inflationsgewinnern zunehmend eine moralische und unternehmerische Vorbildfunktion zugestanden wird, obwohl sie maßgeblich von der privilegierten Stellung als Erstbezieher profitiert haben und ihr unternehmerischer und politischer Erfolg deswegen zu einem Gutteil nicht auf einem realistischen Fundament beruht. Glücksritter und Eintagesfliegen prägen seit jeher die Ahnengalerie der in einer Inflation nach oben geschwappten "Vorbilder".

Die veränderte Lebenseinstellung findet auch in der Sprache ihren Niederschlag. Geld wird nicht mehr in der Orientierung auf den Nächsten hin ver-dient, sondern "man macht Geld an der Börse". Das Geldverdienen rückt in den Mittelpunkt, es ist nicht mehr Mittel, sondern Ziel des menschlichen Handelns. Zudem verbreitet die der Inflation zuzurechnende Beschleunigung des Alltags ein Gefühl des fortwährenden Hinterherhechelns hinter kurzfristigen Trends und "neuesten" Erkenntnissen, die morgen schon wieder überholt sind.

Immer und überall nivelliert die Inflation die kulturellen Errungenschaften; sie beraubt das Geld seiner Kaufkraft, sie setzt an die Stelle des harmonischen Zusammenwirkens der Menschen den Konflikt, sie ersetzt das Streben um Vervollkommnung durch ein immer weiter absinkende Mittelmaß, sie ermöglicht die exzessive Verschuldung auf Kosten der nächsten Generation, sie zeichnet maßgeblich für die zunehmende "komfortable Stallfütterung" des zum "gehorsamen Haustier" (Wilhelm Röpke) degradierten Menschen im Wohlfahrtsstaat verantwortlicht, sie ist der natürliche Feind der kleinräumigen politischen Strukturen und der ewige Kriegsfinancier.

Diese der Inflation geschuldete Verzerrungen sind nicht auf die Wirtschaft beschränkt, weil die kurzfristige Lebenseinstellung nahezu jeden Lebensbereich durchdringt. "Der Zustand des Geldwesens eines Volkes ist ein Symptom aller seiner Zustände" - diesem Bonmot von Alois Schumpeter ist vorbehaltlos zuzustimmen. Gut und gerne können wir auch von einer Kultur des Geldes sprechen. Ein ungedecktes und permanent an Wert verlierendes Papiergeld findet seine Entsprechung in papierenen, gleichsam wertlosen zwischenmenschlichen Beziehungen. Ein wertbeständiges, auf Vertrauen basierendes Edelmetallgeld findet mutatis mutandis seine Entsprechung in dauerhaften, auf die Zukunft ausgerichteten Beziehungen.

Aus ethischen und ökonomischen Erwägungen setzt sich die Wiener Schule daher für den Abschied vom Inflationismus des staatlichen Zwangsgeldes ein. Unter den Vertretern der Wiener Schule weithin unbestritten ist die Forderung nach einer 100% Deckung der Bankeinlagen, um dem inflationären Geldschöpfungsprozeß der Geschäftsbanken Einhalt zu gebieten. Hinsichtlich der Vermeidung der Geldmengeninflationierung durch die Zentralbanken wurden divergierende Vorschläge in die Diskussion eingebracht: Ludwig von Mises befürwortet etwa die Rückkehr zum Goldstandard, während Friedrich A. von Hayek eine von Unternehmen in Umlauf zu bringende Warenreservewährung empfiehlt. Guido Hülsmann setzt sich für die "natürliche Geldproduktion" ein, die keiner staatlichen oder privaten Institution das Privileg der Geldproduktion einräumt. Angesichts der gegenwärtigen Entwicklungen an den Finanzmärkten, der sich beschleunigenden Teuerung und der fortschreitenden Verarmung ist es ein Gebot der Stunde, die geldtheoretischen Argumente der Wiener Schule in Betracht zu ziehen.


© Mag. Gregor Hochreiter
Institut für Wertewirtschaft


Den Autor können Sie unter gh@wertewirtschaft.org erreichen.



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