Blut, Schweiß und Tränen
24.07.2008 | Ronald Gehrt
Ich habe abgenommen. Es war nötig. Dennoch, wenn ich den Kopf ein wenig einziehe und die Melone meines Großvaters auf dem Kopf montiere, bleibt genug von mir übrig, um ein wenig wie Winston Churchill zu wirken, wenn ich Ihnen mit ernstem Blick mitteile: "Ich habe Ihnen nichts zu bieten außer Blut, Schweiß und Tränen."
Ein solches Statement mag für einen Börsenbrief-Autor wenig geschäftstüchtig sein. Aber was macht es für einen Sinn, falsche Hoffnungen zu wecken? Mir ist es lieber, nur die Leser um mich zu wissen, welche die aktuelle Situation an den Börsen einordnen können und wissen, womit man rechnen kann ... und womit nicht.
Womit wir momentan NICHT rechnen können, sind gemütliche Trends, stetig und doch nicht allzu volatil, wie wir sie aus den Jahren 2005 bis Sommer 2007 kannten. Hacke, Spitze, eins, zwei drei haben wir nicht. Kriegen wir auch nicht mehr rein.
Aber ich kann immerhin mit ein paar positiven Aspekten erfreuen: Day-Trader und Zocker (was das selbe sein kann, aber keineswegs muss) bluten, schwitzen und weinen momentan weit mehr als unsereins. Und es gibt durchaus Möglichkeiten, das persönliche Tränenkrüglein zumindest nicht überlaufen zu lassen. Aber zunächst zum Ärgernis selbst:
Momentan wirken die Kursbewegungen an den Börsen, als wäre bei den meisten Akteuren eine Schraube locker. Das ist so nicht richtig. Bei einigen wohl, aber der Rest kann nichts dafür, dass die Prognosereichweite von mehreren Tagen (alles darüber hinaus ist, ich habe es zuletzt öfter darzulegen versucht, ohnehin Mumpitz) auf wenige Minuten gesunken ist. Wer momentan hart am Wind mit hochspekulativen Derivaten tradet muss darauf achten, entweder Kühlschrank und Toilette in der Nähe zu haben oder aber sein Laptop mit aufs Klo zu nehmen. Denn momentan kann einem ein riskanteres Zertifikat (ob Call oder Put ist egal, es erwischt beides) schneller pulverisiert werden als es dauert, sich mal eben einen Kaffee zu machen. Keine schönen Zeiten, um "in aller Ruhe" zu investieren?
Der Boden wird heißer ... und Darwins Warmduscher überleben
Na ja ... es geht durchaus, wenn man ein paar Regeln beachtet, die allerdings vor nicht allzu langer Zeit noch als "Warmduscher"-Regelwerk in des Traders Besenkammer vor sich hin moderten. Nur - wer zuletzt den Faktor Sicherheit in den Wind schlug, mag heute schon keinen Bedarf mehr an Regeln haben ... mangels überlebendem Investmentkapital.
Da ich übrigens feststelle, auf diese Weise sogleich auf mein Fazit zuzusteuern, ohne die aktuelle Lage vorher beleuchtet zu haben, beweise ich heute ausnahmsweise Flexibilität und bringe die Moral von der Geschicht’ vor letzterer:
Die Evolution hat gezeigt, dass nicht diejenigen überleben, welche die größten Risiken eingehen, sondern diejenigen, welche sich den sich ändernden Bedingungen am besten anpassen. Parforce-Ritte im Rohöl-Future haben schon manchen Helden aus dem Sattel gehoben (glauben Sie mir, ich kann mitreden!). Ein "Warmduscher-Trade" im Dax mit 800-1000 Punkten Puffer hingegen sorgt dieser Tage für ruhigeren Schlaf und einigermaßen stabilen Blutdruck beim Blick auf den Kursmonitor. Auch und sogar, wenn man mal ein paar Minuten länger auf der Toilette war.
Sprich: Im Moment ist es dringend vonnöten, dass Ihnen drei Dinge nicht ausgehen: Barbestand, Laufzeit und Spielraum zum Basispreis. Nicht zuviel hingegen sollten Sie mit Hebelwirkung und Volatilität würzen. Es kann - und wird zumeist auch - zu Sodbrennen und nervösem Zucken um die Mundwinkel führen.
Die "Chaos-Zone", in welcher die Kurse bei Rohstoffen und Aktien momentan in blitzartigen Richtungswechseln herumtoben können OHNE dass deswegen ein wirklicher Wechsel der Trendrichtung zu unterstellen wäre, liegt über zehn Prozent. Ich schlage daher vor: Tragen Sie Sorge dafür, dass Sie diese Schwankungen mit Ihren Investments aushalten können. Denn ich gehe davon aus, dass wir uns an Veitstänze der Kurse wie in den vergangenen Tagen besser gewöhnen sollten.
Schimpfen Sie nicht auf die Börse, sondern fahren Sie ihre Risiken herunter. So sparen Sie Blut (in Form von Kapital), Schweiß und Tränen.
Klimawechsel: Willkommen im Dschungel
Nun aber zu dem, was meiner Ansicht nach hinter diesen erratischen Schwankungen der Märkte steckt: Emotionen.
Viele Anleger übersehen, dass nicht nur sie selbst von den Emotionen Gier, Angst und Hoffnung gesteuert werden (manche übersehen sogar, dass sie SELBST davon gesteuert werden). Die Börse ist kein "es". "Es" steigt nicht und "es" fällt nicht. Diese Sichtweise verwandelt die Börse in ein Ding. Und ein Ding kann man kontrollieren, "im Griff haben". Die Börse hingegen ist ein gigantischer Ameisenhaufen, dessen Handlungen insgesamt wie das Ergebnis eines kollektiven Bewusstseins wirken, es aber nicht sind. Jede einzelne Ameise (Sie, ich und der Rest) agieren aufgrund unserer eigenen Einschätzungen ... oder, weil die Kursbewegungen uns dazu zwingen, entgegen unserer Einschätzungen zu handeln.
Und da geht es schon los: Investoren kaufen oder verkaufen also, weil sie etwas erreichen wollen ... oder, weil sie etwas VERMEIDEN wollen - nämlich zu hohe Verluste ... oder etwas zu verpassen. Ein Teil der Aktionen, die die Kurse machen, sind also gar nicht aktiv und basierend auf Erwartungen, sondern passiv aufgrund von Nervosität oder blanker Angst. Wie kann man diese unterscheiden?
Gar nicht. Nehmen wir als Beispiel den schlagartigen Einbruch im Ölpreis, der trotz zuvor sattsam negativer Vorgaben plötzlich am Dienstagmittag die Aktienmärkte nach oben und Euro/Dollar und die Edelmetalle nach unten prügelte.
Ein solches Statement mag für einen Börsenbrief-Autor wenig geschäftstüchtig sein. Aber was macht es für einen Sinn, falsche Hoffnungen zu wecken? Mir ist es lieber, nur die Leser um mich zu wissen, welche die aktuelle Situation an den Börsen einordnen können und wissen, womit man rechnen kann ... und womit nicht.
Womit wir momentan NICHT rechnen können, sind gemütliche Trends, stetig und doch nicht allzu volatil, wie wir sie aus den Jahren 2005 bis Sommer 2007 kannten. Hacke, Spitze, eins, zwei drei haben wir nicht. Kriegen wir auch nicht mehr rein.
Aber ich kann immerhin mit ein paar positiven Aspekten erfreuen: Day-Trader und Zocker (was das selbe sein kann, aber keineswegs muss) bluten, schwitzen und weinen momentan weit mehr als unsereins. Und es gibt durchaus Möglichkeiten, das persönliche Tränenkrüglein zumindest nicht überlaufen zu lassen. Aber zunächst zum Ärgernis selbst:
Momentan wirken die Kursbewegungen an den Börsen, als wäre bei den meisten Akteuren eine Schraube locker. Das ist so nicht richtig. Bei einigen wohl, aber der Rest kann nichts dafür, dass die Prognosereichweite von mehreren Tagen (alles darüber hinaus ist, ich habe es zuletzt öfter darzulegen versucht, ohnehin Mumpitz) auf wenige Minuten gesunken ist. Wer momentan hart am Wind mit hochspekulativen Derivaten tradet muss darauf achten, entweder Kühlschrank und Toilette in der Nähe zu haben oder aber sein Laptop mit aufs Klo zu nehmen. Denn momentan kann einem ein riskanteres Zertifikat (ob Call oder Put ist egal, es erwischt beides) schneller pulverisiert werden als es dauert, sich mal eben einen Kaffee zu machen. Keine schönen Zeiten, um "in aller Ruhe" zu investieren?
Der Boden wird heißer ... und Darwins Warmduscher überleben
Na ja ... es geht durchaus, wenn man ein paar Regeln beachtet, die allerdings vor nicht allzu langer Zeit noch als "Warmduscher"-Regelwerk in des Traders Besenkammer vor sich hin moderten. Nur - wer zuletzt den Faktor Sicherheit in den Wind schlug, mag heute schon keinen Bedarf mehr an Regeln haben ... mangels überlebendem Investmentkapital.
Da ich übrigens feststelle, auf diese Weise sogleich auf mein Fazit zuzusteuern, ohne die aktuelle Lage vorher beleuchtet zu haben, beweise ich heute ausnahmsweise Flexibilität und bringe die Moral von der Geschicht’ vor letzterer:
Die Evolution hat gezeigt, dass nicht diejenigen überleben, welche die größten Risiken eingehen, sondern diejenigen, welche sich den sich ändernden Bedingungen am besten anpassen. Parforce-Ritte im Rohöl-Future haben schon manchen Helden aus dem Sattel gehoben (glauben Sie mir, ich kann mitreden!). Ein "Warmduscher-Trade" im Dax mit 800-1000 Punkten Puffer hingegen sorgt dieser Tage für ruhigeren Schlaf und einigermaßen stabilen Blutdruck beim Blick auf den Kursmonitor. Auch und sogar, wenn man mal ein paar Minuten länger auf der Toilette war.
Sprich: Im Moment ist es dringend vonnöten, dass Ihnen drei Dinge nicht ausgehen: Barbestand, Laufzeit und Spielraum zum Basispreis. Nicht zuviel hingegen sollten Sie mit Hebelwirkung und Volatilität würzen. Es kann - und wird zumeist auch - zu Sodbrennen und nervösem Zucken um die Mundwinkel führen.
Die "Chaos-Zone", in welcher die Kurse bei Rohstoffen und Aktien momentan in blitzartigen Richtungswechseln herumtoben können OHNE dass deswegen ein wirklicher Wechsel der Trendrichtung zu unterstellen wäre, liegt über zehn Prozent. Ich schlage daher vor: Tragen Sie Sorge dafür, dass Sie diese Schwankungen mit Ihren Investments aushalten können. Denn ich gehe davon aus, dass wir uns an Veitstänze der Kurse wie in den vergangenen Tagen besser gewöhnen sollten.
Schimpfen Sie nicht auf die Börse, sondern fahren Sie ihre Risiken herunter. So sparen Sie Blut (in Form von Kapital), Schweiß und Tränen.
Klimawechsel: Willkommen im Dschungel
Nun aber zu dem, was meiner Ansicht nach hinter diesen erratischen Schwankungen der Märkte steckt: Emotionen.
Viele Anleger übersehen, dass nicht nur sie selbst von den Emotionen Gier, Angst und Hoffnung gesteuert werden (manche übersehen sogar, dass sie SELBST davon gesteuert werden). Die Börse ist kein "es". "Es" steigt nicht und "es" fällt nicht. Diese Sichtweise verwandelt die Börse in ein Ding. Und ein Ding kann man kontrollieren, "im Griff haben". Die Börse hingegen ist ein gigantischer Ameisenhaufen, dessen Handlungen insgesamt wie das Ergebnis eines kollektiven Bewusstseins wirken, es aber nicht sind. Jede einzelne Ameise (Sie, ich und der Rest) agieren aufgrund unserer eigenen Einschätzungen ... oder, weil die Kursbewegungen uns dazu zwingen, entgegen unserer Einschätzungen zu handeln.
Und da geht es schon los: Investoren kaufen oder verkaufen also, weil sie etwas erreichen wollen ... oder, weil sie etwas VERMEIDEN wollen - nämlich zu hohe Verluste ... oder etwas zu verpassen. Ein Teil der Aktionen, die die Kurse machen, sind also gar nicht aktiv und basierend auf Erwartungen, sondern passiv aufgrund von Nervosität oder blanker Angst. Wie kann man diese unterscheiden?
Gar nicht. Nehmen wir als Beispiel den schlagartigen Einbruch im Ölpreis, der trotz zuvor sattsam negativer Vorgaben plötzlich am Dienstagmittag die Aktienmärkte nach oben und Euro/Dollar und die Edelmetalle nach unten prügelte.