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Teil 1: Der Einfluss des Gold-Futures-Marktes auf die Preisbildung

05.01.2003  |  Stephan Bogner
1.1. Allgemein

Futuresmärkte bzw. derivative Finanzmärkte leiten allgemein ihre ökonomische Daseinsberechtigung aus der durch sie gebotenen Möglichkeit zum Risikotransfer zwischen verschiedenen Marktpartnern sowie als Instrument der Preisbildung und -verbreitung ab.

Aufgrund wachsender Preisschwankungen physischen Goldes zu Beginn der 80er Jahre ergab sich auf Seiten von Goldproduzenten, -Verarbeitern, -Konsumenten und -Investoren ein steigender Bedarf, Preisschwankungsrisiken zu transferieren. In keinem anderen Rohstoffmarkt verkaufen Produzenten ihren Output 5 Jahre oder mehr im Voraus.

Die BIZ gab bekannt, dass Gold-Derivate einen Anteil von 45% bei allen derivativen Geschäften der G10-Nationen ausmachen. Demnach dürfte der Goldfuturesmarkt für die industrialisierten Länder eine hohe Bedeutung haben.

Die Bedeutung kann auf die einzigartigen, seit Jahrtausenden gültigen Eigenschaften des Goldes als Zahlungsmittel zurückzuführen sein. Dies hat es über Generationen hinweg zu einem Synonym mit Geld gemacht. Gold ist wertvoll. Eine Tonne Gold besitzt den 50.000fachen Wert einer Tonne Öl. Der Wert verschlechtert sich in der Zeit nicht. Die Qualität ist einfach nachzuweisen und Gold ist beliebig teilbar. Lagerkosten und Transport sind verglichen mit dem Wert gering. Dies macht den Goldmarkt zu einem besonderen Rohstoffmarkt, da Preisunterschiede in Hinsicht auf Standort und Qualität bei Gold im Gegensatz zu anderen Rohstoffen nicht ge-geben ist. Ändert sich der Preis bspw. in London, so hat dies einen Einfluss auf alle Beteiligte. Externe Preisschocks in einer Region werden an den Weltmarkt übertragen und absorbiert. (1)

Die Bedeutung kann aber auch auf eine zweite Eigenschaft des Goldes zurück-zu-führen sein, nämlich der Umfang an gehobenem Above-Ground-Gold. Das gesamte von Menschenhand gehobene Gold auf der Erde würde einen glitzernden Würfel mit ca. 18 Metern Kantenlänge ergeben. 1 Tonne Feingold ergibt einen gegossenen Würfel mit 37,27 cm Kantenlänge wie folgendes Bild nur andeuten kann: (2)

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Bei anderen Rohstoffen und Waren wird nur dann Lager gehalten, wenn damit gearbeitet bzw. es verarbeitet wird oder mit zukünftigen Engpässen gerechnet wird. Bei Gold spielt der physische Besitz eine untergeordnete Rolle. Der Unterschied zwischen physischem Besitz und einem Anspruch auf den physischen Besitz ist hauptsächlich eine Frage des Kreditrisikos.

Für die Preisbildung des Goldes sind nicht nur die Angebots- und Nachfrage-kriterien aus dem physischen Markt allein ausschlaggebend. Durch die in den 70er Jahren einsetzende Deregulierung und Globalisierung des Goldmarktes entstandenen neue Handelsformen wie Futures, Metallkonti, Optionen, Turbo-Zertifikate, Warrants u.a.

Da die meisten Abschlüsse in diesen neuen Instrumenten nicht durch physische Lieferung erfüllt, sondern durch Gegenkontrakte glattgestellt werden, wird auch von einem "Papiergoldmarkt" gesprochen. Dieser Papiermarkt ist nicht mehr an die unmittelbar physisch disponiblen Metallmengen gebunden, sondern ermöglicht eine praktisch unbeschränkte Ausdehnung des Handelsvolumens.

"Der traditionelle physische Goldhandel musste... umlernen und akzeptieren, dass das umsatzmäßige Übergewicht der Futures und Optionen den Goldpreis über kürzere oder längere Strecken zu bestimmen vermag, selbst wenn es aus der Sicht des physischen Marktes kaum gerechtfertigt erscheint." (3)

Von einzelnen Marktteilnehmern wird beklagt, dass der Goldfuturesmarkt mit einem verhältnismäßig großem Handelvolumen an dem Preisverfall seit den 90ern mitverantwortlich sei.
Spezifische Struktur, Handelstechnik und Umsatzvolumina an den großen Goldfuturesmärkten der USA rechtfertigen die Frage nach einem möglichen Einfluss des Futureshandels auf die Preise am physischen Markt.


1.2. Die Diskussion

Die wissenschaftliche Diskussion über Art und Ausmaß des Einflusses von Futuresmärkten auf die Notierungen am zugrundeliegenden physischen Markt ist nicht nur auf Gold beschränkt. Jedoch ist im Gefolge der Goldpreisschwankungen zu Beginn der 80er Jahre und der zunehmenden Anzahl von Goldfutureskontrakten in den letzten Jahren erneut eine verstärkte Diskussion über die Frage entbrannt, inwieweit die in den USA zum 31.12.1974 neu eingeführten Goldfuturesmärkte eher eskalierende oder dämpfende Einflüsse auf die Preise am physischen Markt ausüben.

Löhr untersuchte diesen Sachverhalt ausführlich 1986 und erklärt die bis heute anhaltende Diskussion: (4)

"Dass die Goldfuturesmärkte Einflüsse auf die Notierungen am physischen Markt ausüben, wird von keiner Seite infrage gestellt. Über die Art und das Ausmaß des Einflusses ist man sich indes uneinig."


1.3. Die Ergebnisse

Löhr konnte beobachten, dass die Goldfuturesmärkte eine "entscheidenden Dominanz... bei der Preisfindung für physisches Gold" (5) spielen. Insgesamt konnten seine Untersuchungen "das Ergebnis eines... destabilisierenden Einflusses der führenden Goldfuturesmärkte in den USA auf die Notierungen an den europäischen Kassamärkten liefern." (6)

Weiter konnte der Autor feststellen, dass "in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle... die führenden U.S.-Goldfuturesmärkte die Rolle eines international dominierenden Preisführers ausüben. Nur unter ganz speziellen Bedingungen geht - entsprechend selten - eine Preisführerschaft von den europäischen Spotmärkten aus. Die großen U.S.-Goldfuturesmärkte dominieren dabei in entscheidendem Maße die kurzfristigen Goldpreisbewegungen." (7)

Auf den Kassamarktpreis destabilisierend wirken vor allem die "Teilnahme des breiten Publikums mit inferiorem Informationsstand... als auch Berufsspekulanten... mit superioren Informationsstand..., aber auch technische Einflüsse (wie insbesondere Deckungskäufe und -Verkäufe) sowie manipulative... Aktivitäten." (8)

Somit könnte der Einfluss der Goldfuturesmärkte einen Beitrag für den Goldpreisverfall der 90er Jahre geleistet haben. Der Goldpreis befand sich seit den 80ern in einem Bärenmarkt. Dieser Bärenmarkt wurde mit einem starken Ansteigen der derivativen Positionen in den 90ern begleitet, wie Abbildung 1 demonstriert.

Die rote Linie ist der durchschnittliche jährliche Goldpreis in US-Dollar, abzüglich der amerikanischen Inflation. Die blauen Balken zeigen den Anstieg der Short-Positionen in Tonnen Gold.

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Abbildung 1: Short-Positionen der Produzenten in Tonnen und realer Goldpreis in US-Dollar 1990 bis 1999 (9)



1.4. Entwicklung der Goldfuturemärkte bis heute

Seit mehr als 100 Jahren werden Futureskontrakte für landwirtschaftliche Handelswaren (Commodities) an US-amerikanischen Börsen gehandelt. Erst zu Beginn der 70er Jahre dieses Jahrhunderts begann der Handel auch in "nicht-landwirtschaftlichen Commodities", den sog. Financial Futures. (10)

Noch bevor das amerikanische Besitzverbot für Gold, welches 42 Jahre gegolten hatte, im Jahre 1975 aufgehoben wurde, nahm die Winnipeg Commodity Exchange, Kanada, im November 1972 als erste Börse weltweit den Handel in Goldfutureskontrakten auf. Zum 31. Dezember 1974 eröffneten fünf amerikanische Goldfuturesbörsen den Handel. (11) Während die NYME den Handel mit Goldfutures mittlerweile einstellte, haben sich die COMEX und der IMM als die führenden Märkte für Goldfutures in den USA und weltweit herausgebildet. Der Anteil der beiden führenden US-Börsen am gesamten US-Goldfutures-Handelsvolumen beträgt in der Summe seit 1976 mehr als 95%. (12)

Während im Jahre 1981 die nicht-kommunistische Weltgoldproduktion etwa 962 t betrug, machten die Goldfuturesumsätze an der COMEX und IMM 12,9 Mio. Kontrakte je 100 Feinunzen oder etwa 427 t im Jahr aus. (13)
An der COMEX-Börse in New York wurde zwischen 1986 und 1998 bei einer durchschnittlichen Jahresproduktion von etwa 2.500 t Gold zwischen 2.289 und 182.284 Kontrakte täglich gehandelt. Der Durchschnitt liegt bei 34.519 Kontrakten pro Tag, welchen etwa 115 Tonnen physische Goldtonnen entsprechen. (14)
Bei 200 Handelstagen im Jahr sind das mehr als 23.000 t. Daraus wird das Spannungsverhältnis zwischen physischem Goldförderungsvolumen einerseits und Futuresumsätzen andererseits deutlich.

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Tabelle 1: Goldfutures-Handelsvolumen an Kontrakten je 100 Unzen an US-Börsen 1974-1980 (15) und 1999 (16)





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