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Gold, Öl und Euro vor der Wende?

20.08.2008  |  Ronald Gehrt
Ich nehme amüsiert zur Kenntnis, dass die Kursmacher, die in den letzten fünf bis sechs Wochen Spaß an den Rohstoff- und zuletzt auch an den Devisenmärkten hatten, seit einigen Tagen ein wenig tiefer in die Trickkiste greifen. Die Attacken gegen die Rohstoffe erfolgen zwar immer noch pünktlich zu Schichtbeginn in London um 10 Uhr; zeitig genug vor dem Londoner Closing um 17:30 (um die Kurse dort, wo möglich, auf Tagestief zu drücken) und zum Ende der "open outcry"-Session in New York per 20:30 Uhr. Aber so richtig Schmackes, wurde nun offenbar erkannt, kommt in die Sache, wenn man seine stärksten Short-Angriffe in Richtung Handelsende der ansonsten ruhigen asiatischen Märkte platziert. Da sind die Umsätze niedriger ... man will ja nicht unnötig viel Geld ausgeben, nicht wahr ... und man bekommt für uns europäische Anleger den "Au-Weia-Effekt": Wir schalten morgens um acht die Rechner an ... und sehen unsere Rohstoffpositionen gleich wieder noch ein Stück im Minus. Das hat was, will man so richtig absahnen, denn:

Auf diese Weise versichert man sich der gnädigen Mithilfe der normalen Investoren an diesem Kurseinbruch. Denn vergessen wir nicht, dass fast alle Rohstoffe, die von den Investoren nach monatelanger Hausse-Propaganda der Analysten ins Depot genommen wurden in der Hoffnung, sich so vor Inflation und Aktienmarkteinbruch zu schützen, genau die sind, die nun zusammenklappen wie ein Kettenraucher nach dem 400-Meter-Lauf. Genau die ... andere, weniger im Fokus stehende Rohstoffe sind weit weniger von dem Crash betroffen. Zufall? Ha!


Immer feste druff!

Nein, das Ziel liegt ja auf der Hand: Wenn ich genug finanzielle Marktmacht habe ... und das haben die "Kursmacher", d.h. die beteiligten Hedge Funds, Fonds und Banken im Eigenhandel ... kann ich die Kurse in den Märkten, die ich mit meinem Kapital beherrschen kann, dorthin bringen, wo ich will. Wenn Sie mit 5.000 Kontrakten Short gehen, wo üblicherweise auf 1-2% rauf und runter nur 2.000 Kontrakte im Markt liegen, bestimmen Sie, wo es langgeht. Da ist es zunächst völlig egal, ob die Nachfrage nach diesem Rohstoff auf niedrigerem Niveau plötzlich so weit steigt, dass der Kurs eigentlich wieder steigen müsste. Denn zu der Nachfrage am Spotmarkt muss es erst auch entsprechendes Angebot geben. Und da kommt die Psychologie ins Spiel:

Wer will denn gerne größere Bestände zu solch eingebrochenen Kursen VERkaufen, wenn er nicht muss UND die Rahmenbedingungen eigentlich für einen stetigen Aufwärtstrend sprechen? Da kommt also möglicherweise weniger Ware an den Markt als gewünscht. Auf der anderen Seite stehen die potenziellen Käufer: Natürlich könnten diejenigen, die sich z.B. Gold unter 800 in größeren Mengen sichern wollen, auch 10-20 Dollar höher gehen, um ihr Gold zu bekommen. Aber ... würden SIE das tun, wenn Sie zwar wissen, dass dieser Kursrutsch eigentlich verkehrt ist, aber dennoch jeden Morgen neue starke Verluste auf dem Kursmonitor sehen? Da wird einem das „nichts wie rein in Gold und Silber“ reichlich vergällt.

Das ist ein markanter Unterschied zu Öl, Gas und Nahrungsmitteln. Die MÜSSEN ja an den Markt, denn weder Käufer noch Verkäufer können sich sagen "dann kaufe ich halt nächsten Monat". Nur bei den Edelmetallen ist der Anlageaspekt ein Vielfaches höher als der Bedarf nach tatsächlicher Ware für die Unternehmen. Und ich bekomme den Eindruck, dass genau das der Grund ist, weshalb dieser Crash der Edelmetalle weit brutaler ausfällt als bei den anderen Commodities. Denn genau das macht diese Baisse aus:

Die Kursmacher agieren ja nicht behutsam auf der Shortseite. Sie WOLLEN ja massiv fallende Kurse, um sich hier eine weitere goldene Nase zu verdienen. Behutsam wird nur eingedeckt, um die Kurse dadurch nicht zu sehr nach oben zu treiben ... bisher. Dieses agieren mit der Brechstange höhlt die Nerven der anderen Marktteilnehmer aus. Sie fühlen sich (und sind) gegen diese riesigen Kapitalmengen machtlos. Und wer greift dann noch freiwillig ins fallende Messer. Die Long-Kauforders werden immer und immer weniger ... und räumen so den Weg für noch schneller noch weiter fallende Kurse frei. Und, natürlich, springen die Day-Trader auf diesen Zug mit auf. Wenn sie im Windschatten der großen Kursmacher auf der Short-Seite einen guten Schnitt machen können ... warum auch nicht! Und immer wieder heißt es so morgens früh, um 10, 17 und 20 Uhr: Immer feste druff!


Das "Rauskommen" ist das Problem

Aber es mehren sich erste, kleine Indizien, dass die großen Adressen langsam ans Kassemachen denken. Es ist ja das selbe Problem wie zuvor im Mai, als die Edelmetalle und Energierohstoffe immer weiter und weiter nach oben getrieben wurden: Damals wurde - auch mit der Brechstange - Long gegangen, so jeder Widerstand der Anleger nach und nach gebrochen und diese, ganz am Schluss, mit wildesten Kurszielen wie Öl 200 und Gold 1.5000 in die Long-Positionen getrieben. Denn diese Kursmacher sind ja nun mal keine Dummköpfe ... Sie wissen ganz genau:

Je riesiger ihre Positionen nach einem starken Kursimpuls sind, desto problematischer wird es, da wieder herauszukommen. Und nur dann sind die Buchgewinne ja auch echte Gewinne. Was bedeutet: Im Future komme ich nur aus meinen Shortpositionen heraus, indem ich Long gehe und mich damit neutral stelle. Bei 140 im Öl Short, bei 110 Long ... ich bin aus dem Schneider ... und die Differenz, mein Gewinn, ist gesichert. Ganz einfach? Nein, eben nicht! Denn dazu müssen natürlich genug Short-Orders als Gegenpart zu den Long-Orders vorhanden sein. Fehlen die, weil ein schlauer Hedge Fund-Manager nicht bemerkt hat, dass er als letzter wie ein Irrer jeden Tag viermal Short geht, kann er diese Long-Kontrakte nur zu viel höheren Kursen einsammeln. Und je größer seine Position und je später er damit anfängt, desto schwieriger wird es. Denn wir reden hier ja nicht von einem großen Hedge Fund. Wenn solche Spielchen erst mal losgehen, machen ALLE mit, die das Geld dazu haben. Und nun stellen Sie sich vor:

Gold ist unter 800 gefallen. Das hatte niemand in diesem für Gold eigentlich positiven Umfeld auf der Rechnung ... und gerade deshalb war es ja auch so leicht, das zu erreichen. Man war sich der Mithilfe entsetzter Anleger sicher, denen man vorher erzählt hatte, Gold werde immer weiter steigen. Aber jetzt steht das Edelmetall auf einem derart niedrigen Niveau, dass alle, die dieses Baisse-Spiel mitgemacht haben, wissen: Wir alle sitzen auf riesigen Gewinnen. Wir alle müssen Long gehen, um diese Gewinne auch einzufahren. Und wir alle wissen nicht, wann und wo einer von uns anfängt, einzudecken.

WENN das passiert, können die anderen die Kurse weiter drücken, wenn es sich nur um einzelne Eindeckungen handelt, d.h. wenn, sagen wir, zwei von 20 Kursmachern versuchen wollen, ihre Short-Positionen zu schließen. Aber: Ich kann nicht in die Köpfe der anderen Spieler sehen. Vielleicht drücken die nicht weiter, sondern fangen auch an, einzudecken? Und wie soll ich dann noch zu guten Kursen aus meinen eigenen, riesigen Baisse-Positionen herauskommen?




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