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Rohöl: Ausstiegsoperation Short?

03.09.2008  |  Ronald Gehrt
Ich höre heute auf drei Sendern, dass der Ölpreis völlig überraschend eingebrochen und der glimpfliche Verlauf des Hurrikan Gustav der Grund dafür sei. Teile dieser Aussagen sind richtig. Aber eben nur Teile ... und 80% des Sachverhalts fehlen. Man kann diese Entwicklung nicht in wenigen Sekunden oder ein paar Zeilen korrekt darstellen, zugegeben. Aber wer sich nun einfach diese "Sparbegründung" zu eigen macht, läuft Gefahr, auf die falschen Pferde zu setzen, indem er diese Kursbewegung des Ölpreises unbekümmert auf 80 oder gar 70 Dollar nach unten verlängert ... und somit knapp 30% unter den vor gerade mal acht Wochen markierten Allzeithochs auf Puts setzt. Das kann natürlich klappen. Aber nur unter der Prämisse, dass an der Börse nichts, aber auch gar nichts, wirklich ausgeschlossen werden darf. Wer hingegen erst einmal in Ruhe nachdenkt, agiert vorsichtiger.

Sicher, durch die zahllosen Milliarden, die in den letzten zwei Jahren aus normalen Fonds in Hedge Funds gewandert sind, haben die Börsen eine massive Wandlung vollzogen. Die Musik spielt im Spotmarkt immer leiser, im Derivate-Bereich umso schriller. Und entsprechend schneller und unberechenbarer werden die Kursbewegungen. Unter dem Strich wird uns normalen Anlegern dadurch zwar das Leben schwerer gemacht, doch mittelfristig siegt dennoch die Ratio. Kurzfristig sind völlig blödsinnige Entwicklungen jederzeit möglich. Beste Beispiele sind der erneute Run des Dax auf die alten Allzeithochs zu Jahresbeginn trotz der für jedermann bereits klar erkennbaren Bedrohungen seitens der geplatzten US-Spekulationsblasen an Kredit- und Immobilienmarkt ebenso wie der Anstieg des Ölpreises auf fast 150 Dollar trotz seit Frühjahr bekannter, rückläufiger Nachfrage.


Jetzt entweder defensiv ... oder k.o.

Natürlich erfordert es eiserne Disziplin und Nerven wie Stahlseile, in solchen Situationen dennoch auf die Ratio zu hören und solchen Irrwegen der Spekulation zu widerstehen bzw. sogar dagegen zu halten. Aber die Entwicklung zeigt, dass es richtig gewesen wäre. In meinem Depot ist dies für den Aktienmarkt gelungen, beim Ölpreis nicht. Das lag daran, dass ich zwar diesen massiven Rutsch nach unten immer wieder prognostiziert hatte, dann aber diesem Einbruch der Kurse nicht über den Weg traute, weil er zu einem absolut unlogischen Zeitpunkt einsetzte. Trotz all der Jahre an den Börsen war es mir nicht gelungen, hier „cool“ zu bleiben ... was aber auch einen anderen Grund hatte:

Die Put-Zertifikate, mit denen ich zu früh - aber grundsätzlich richtig - in diese alberne Dauer-Hausse der Ölpreise dagegen gehalten hatte, waren zu spekulativ und damit die k.o.-Schwelle einfach zu nahe, um die erwartete Entwicklung in Ruhe abzuwarten. Ein Fehler, den ich hätte vermeiden müssen. Und ein Fehler, der unendlich vielen Investoren immer und immer wieder das Genick bricht. Diesmal sind wir weit defensiver unterwegs und können das, was heute geschieht, mit einer Art verärgerter Gelassenheit betrachten. Genau der richtige Weg. Sicher, eines ist klar:

Je defensiver die Position ist, desto geringer sind die Gewinnaussichten. Das ist natürlich der entscheidende Punkt, weshalb die Anleger sich so oft in Positionen locken lassen, deren Basispreise so nah am aktuellen Kurs liegen. Doch gerade in einem solchen Umfeld, in dem in allen Börsensegmenten binnen Minuten Kursschwankungen auftreten können, die vor ein paar Jahren eine starke Wochenveränderung gewesen wären, ist das eine mörderische Falle. Dabei sind auch Optionsscheine keine Lösung. Sicher, dort kann man nicht k.o. gehen, es geht einem höchstens die Zeit aus. Aber die extrem hohe Volatilität der Basispreise wird in den Optionsscheinkurs eingepreist und zehrt bei einer Beruhigung der Lage den Optionsscheinkurs aus, als hätte er die Ruhr. Hinzu kommt der bei starken Schwankungen überproportional wirkende Laufzeitverlust. Damit haben Optionsscheine in einem solchen Umfeld ein miserables Chance/Risiko-Verhältnis. Bleiben somit die Zertifikate - und da kann es eben nur eines geben: Setzen Sie den k.o. so, dass er den "worst case" aushält und dazu noch einen satten, zusätzlichen Risikopuffer hat. Sicher, da bleibt dann bei vielen Bereichen nur ein Hebel von zwei oder drei übrig. Aber bei dieser Volatilität der Börsen kann man auch so mit akzeptablen Gewinnen rechnen ... und muss dafür keinen Totalverlust hinnehmen, kurz, bevor das erwartete Szenario dann doch eintritt, während man selbst aus dem Rennen ist. Denn mal ehrlich: Falsch liegen ist ärgerlich. Aber recht bekommen und trotzdem pleite - das ist eine Katastrophe. Zurück zum hier und jetzt:


Doppelte Unterstützung gebrochen ... nur wegen „Gustav“?

Ich habe in meinem Börsenbrief bei ca. 114 Dollar im Brent-Öl auf die Call-Seite gesetzt. Aber mit einem Basispreis von 79 Dollar. Denn ich habe zwar gehofft, dass die heutigen Ereignisse beim Rohöl ausbleiben, hatte sie aber immer als "worst case" mit einkalkuliert. Sie erinnern sich: Das war die Option "Bruch der doppelten Unterstützung aus 200 Tage-Durchschnitt und August 2007-Trendkanal", die ich für den Fall erwartet hatte, dass die großen Baisse-Spekulanten anders nicht imstande sein würden, ihre Short-Positionen am Futuresmarkt loszuwerden, ohne die Kurse dadurch senkrecht nach oben zu ziehen. Nun ist es also passiert. Wie aber nun weiter? Um herauszubekommen, was jetzt die vernünftigste Maßnahme wäre, ist der alleinige Blick auf den aktuellen Chart nicht ausreichend. Hier sehen Sie nur, was passiert ist - aber nicht warum.

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