Rohöl: Ausstiegsoperation Short?
03.09.2008 | Ronald Gehrt
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Die Kurse brachen sofort um 13% bis 12,25 Dollar ein - seitdem ist der Abwärtsdruck verschwunden (bis auf heute natürlich). Warum? Weil die, die diesen Kurseinbruch provoziert haben, nun nicht mehr Short sind, sondern die, die diesem Kurseinbruch hinterher gelaufen sind! Tun sie sich das beim Ölpreis besser nicht an.
Natürlich könnte der Ölpreis kurzfristig noch knapp unter 100 gehen. Denn wir wissen nicht, ob diese großen Kursmacher ihre Schäfchen jetzt bereits im Trockenen haben oder nicht. Das Türchen, diese 100 anzulaufen, eventuell sogar kurz um einige Dollar zu unterschreiten, haben sie sich geöffnet - über den Euro/Dollar-Kurs, seit Wochen bewährtes Vehikel, um jede Kursbewegung bei Rohstoffen im nachhinein zu begründen ... auch, wenn sich in den letzten zwei, drei Wochen nichts wirklich Greifbares getan hat, was eine Trendumkehr von Euro/Dollar hin zu einem wieder deutlich steigenden Dollar begründen würde (ich meine wirklich greifbar, nicht den Käse mit der auf einmal gut laufenden US-Konjunktur mit angeblichem Top-Wachstum).
Vor allem auch deshalb nicht, weil ein wieder steigender Dollar sicherlich ein Argument wäre, dass die Rohstoffe nicht wieder so massiv zulegen wir im Frühjahr. Aber es kann nicht im Interesse der US-Regierung sein, dass ein dann wieder steigender Greenback dafür im Gegenzug die momentanen Exportvorteile der USA auslöscht. Das wäre der Gang vom Inflations-Regen in die Umsatzeinbruch-Traufe.
Und auch, wenn man sich besser nicht fragen sollte, warum der Hebel bei den Rohstoff-Bewegungen immer zwischen drei und fünf liegt, wenn der Dollar mal ein Prozent zulegt oder abgibt, ein kurzfristig unter seinen mittelfristigen Aufwärtstrend (1,4450) einbrechender Euro/Dollar-Kurs würde erst einmal stupide weitere Verkäufe im Öl, im Erdgas, bei den Industrie- und Edelmetallen provozieren. Und wir sind genau an eben diesem mittelfristigen Trend angelangt. Was heißt:
Fazit: Vorsichtig dagegen halten
Grundsätzlich halte ich diesen Trendbruch bei Öl für eine bewusst provozierte Ausstiegsoperation aus massiven Shortpositionen und messe ihm daher keine größere Bedeutung auf der Zeitachse zu. Er kann aber, wenn sich nicht genug Akteure finden, die nun massiv Short gehen wollen und so die großen Adressen aus ihren Positionen heraushelfen, durchaus über das Vehikel Euro/Dollar noch in eine zweite Stufe gehen. Ich meine:
Wer bereits in defensiven Long-Positionen auf Öl positioniert ist und auch bei Kursen unter 100 Dollar nicht Gefahr läuft, dass ihm der Risikopuffer zur k.o.-Schwelle ausgeht, sollte das durchaus gelassen mit ansehen. Und ob wir nun noch eine zweite Welle nach unten in den kommenden Tagen sehen oder nicht: Wenn diese markante Chartmarke um 110/111 Dollar wieder klar nach oben gebrochen würde, wäre das in meinen Augen ein Hinweis darauf, dass die Kursmacher sich jetzt wieder auf das Spielchen "Rohstoffe raus, Aktien runter" positioniert haben - und damit eine Chance zum Long-Einstieg.
Nur eines meine ich, sollte man besser aus dem Kopf verbannen: Diejenigen Sprüche, die nur das in die Zukunft verlängern, was gerade zur Stunde passiert. Die Sprüche derer, die im Juli von Ölpreisen um 200 faselten und heute, zwei Monate später, von Kursen unter 80. Das erstere war Blödsinn, das zweite ist es auch. Die Erde ist immer noch nicht flach und dreht sich immer noch in die selbe Richtung. Morgen liegt der Nordpol nicht im Süden und Öl wird nicht von einem Tag auf den anderen ein Muster ohne Wert. Ich weiß, es ist eine der schwersten Übungen für einen Börsianer, aber: Hören Sie bei solchen Wendehälsen weg!
© Ronald Gehrt
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