Lehman zieht Öl und Metalle in Mitleidenschaft
15.09.2008 | Eugen Weinberg
Energie
Der WTI-Ölpreis fällt heute Morgen auf ein 6-Monatstief von 98 USD je Barrel, nachdem Hurrikan Ike nicht wie befürchtet die Ölinfrastruktur im Golf von Mexiko beschädigt hat. Auch die Ölraffinerien überstanden Ike nahezu unbeschädigt, weshalb der Benzinpreis heute um 4% fällt. Der Preisverfall bei Öl ist insofern bemerkenswert, weil der USD-Index seit Freitag aufgrund der neuen Verschärfung der US-Bankenkrise teilweise bis zu 3 Prozent an Wert eingebüßt hat. Die erfolgte Abkopplung vom Dollar deutet auf eine extrem pessimistische Stimmung am Ölmarkt hin.
Wenig beeindruckt zeigt sich der Preis auch von der möglichen Gewalteskalation in Nigeria, nachdem die Rebellenorganisation MEND nach den schweren Gefechten am Wochenende einen "Ölkrieg" ausgerufen hat. Nigeria ist mit einer Fördermenge von 2 Mio. Barrel pro Tag der achtgrößte Ölproduzent der Welt. Keine Auswirkung zeigt zudem der Lieferstopp vom irakischen Öl zum Hafen Ceyhan in der Türkei aus bislang unbekannten Gründen. Wir führen die Marktreaktion vor allem auf die Verschlechterung des technischen Bildes hin, nachdem der Ölpreis die Marke von 100 USD nachhaltig verletzt hat, wobei die Auflösung weiterer Long-Positionen wahrscheinlich ist. Gleichzeitig steigen die Anzahl der Leerverkäufe an der NYMEX, wobei die Spekulanten ihre Netto-Long Positionen zuletzt um 8 Tsd. auf nur noch 6.336 Kontrakte reduziert haben.
Das US-Repräsentantenhaus wird in dieser Woche über ein Gesetzesvorhaben abstimmen, welches die Ölförderung vor der US-Küste ermöglichen soll. Der weltgrößte Ölverbraucher muss zwei Drittel seines Ölbedarfes aus dem Ausland importieren, wobei man teilweise auf politisch unsichere Lieferanten angewiesen ist. So droht der venezolanische Staatschef Chavez jetzt mit einem Öllieferstopp in die USA nachdem man letzte Woche den US-Botschafter ausgewiesen hat.
Die aktuelle Hurrikansaison zeigt zudem, dass die Förderung in anderen, weniger wetteranfälligen Gebieten sinnvoll ist. Vor diesem Hintergrund verdient Erwähnung, dass die Gouverneurin von Alaska und Vizepräsidentschaftskandidatin der Republikaner, Palin, eine Befürworterin von Ölbohrungen vor der Küste des nördlichsten US-Bundesstaates ist. Trotz einer überverkauften Konstellation könnte sich der Preisverfall bei Rohöl weiter fortsetzen, weil die Finanzkrise in den USA die Ängste einer weltweiten Konjunkturabkühlung hervorruft, was für das Wirtschaftsgut Rohöl negativ ist.
Edelmetalle
Der Goldpreis eröffnet am Morgen aufgrund der Zuspitzung der US-Bankenkrise und des deutlich gefallenen US-Dollar knapp 3% fester und kann im Hoch bis auf 785 USD je Feinunze steigen.
Versuche, für die angeschlagene US-Investmentbank Lehman Brothers einen Käufer zu finden, sind am Wochenende gescheitert. Lehman hat daraufhin Gläubigerschutz beantragt. Darüber hinaus sollte die Bank of America für knapp 50 Mrd. USD die Investmentbank Merrill Lynch übernehmen. Die 10 größten Banken haben sich zur Lösung der gegenwärtigen Liquiditätskrise auf einen 70 Mrd. USD schweren Rettungsfonds verständigt. Außerdem hat die Fed ein Rettungspaket angekündigt. So sollen künftig auch Aktien als Sicherheiten akzeptiert werden. Die Aktienmärkte in Asien und Europa reagierten auf die Nachrichten bereits mit kräftigen Kursverlusten. Wall Street dürfte am Nachmittag diesen Vorgaben folgen. Die Unsicherheit über die Stabilität des US-Bankensystems dürfte Gold heute und in den kommenden Tagen weiter steigen lassen. Ein Erreichen der Marke von 800 USD ist somit denkbar.
Industriemetalle
Die Verschärfung der US-Bankenkrise am Wochenende dürfte auch die Industriemetalle in Mitleidenschaft ziehen. Aufgrund der deutlichen Kursverluste an den weltweiten Aktienmärkten ist mit fallenden Metallpreisen zu rechnen, da beide sensitiv auf die Veränderungen der Konjunkturbedingungen reagieren und als vorlaufende Barometer angesehen werden (siehe Grafik). Die schwächere Nachfrage lässt sich bereits an den steigenden LME-Lagerbeständen ablesen.
Bei Kupfer liegen sie auf dem höchsten Stand seit 18 Monaten, bei Aluminium sogar seit 4 ½ Jahren. Einige Faktoren sprechen dennoch gegen stark fallende Preise. Einerseits steht der schwächere US-Dollar einem deutlichen Preisrückgang gegenüber. Andererseits sollten hohe Grenzkosten der Produktion jetzt als Unterstützung dienen. Mit Ausnahme von Kupfer notieren nach unseren Berechnungen die meisten LME-Industriemetalle in der Nähe der Grenzkosten, was die Kürzungen der Minenproduktion begünstigt.
Zudem berichtet China Securities Journal, dass eine weitere Erhöhung der Strompreise in China bereits in diesem Jahr wahrscheinlich ist. Dies dürfte die Verarbeitungskosten, insbesondere für Zink und Aluminium, aber auch andere Metalle und Stahl weiter erhöhen und die Produktionsausweitungen zusätzlich beschränken.
© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst
Quelle: Commerzbank AG, Corporates Markets
Diese Ausarbeitung dient ausschließlich Informationszwecken und stellt weder eine individuelle Anlageempfehlung noch ein Angebot zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren oder sonstigen Finanzinstrumenten dar. Sie soll lediglich eine selbständige Anlageentscheidung des Kunden erleichtern und ersetzt nicht eine anleger- und anlagegerechte Beratung. Die in der Ausarbeitung enthaltenen Informationen wurden sorgfältig zusammengestellt. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit kann jedoch nicht übernommen werden. Einschätzungen und Bewertungen reflektieren die Meinung des Verfassers im Zeitpunkt der Erstellung der Ausarbeitung und können sich ohne vorherige Ankündigung ändern.
Der WTI-Ölpreis fällt heute Morgen auf ein 6-Monatstief von 98 USD je Barrel, nachdem Hurrikan Ike nicht wie befürchtet die Ölinfrastruktur im Golf von Mexiko beschädigt hat. Auch die Ölraffinerien überstanden Ike nahezu unbeschädigt, weshalb der Benzinpreis heute um 4% fällt. Der Preisverfall bei Öl ist insofern bemerkenswert, weil der USD-Index seit Freitag aufgrund der neuen Verschärfung der US-Bankenkrise teilweise bis zu 3 Prozent an Wert eingebüßt hat. Die erfolgte Abkopplung vom Dollar deutet auf eine extrem pessimistische Stimmung am Ölmarkt hin.
Wenig beeindruckt zeigt sich der Preis auch von der möglichen Gewalteskalation in Nigeria, nachdem die Rebellenorganisation MEND nach den schweren Gefechten am Wochenende einen "Ölkrieg" ausgerufen hat. Nigeria ist mit einer Fördermenge von 2 Mio. Barrel pro Tag der achtgrößte Ölproduzent der Welt. Keine Auswirkung zeigt zudem der Lieferstopp vom irakischen Öl zum Hafen Ceyhan in der Türkei aus bislang unbekannten Gründen. Wir führen die Marktreaktion vor allem auf die Verschlechterung des technischen Bildes hin, nachdem der Ölpreis die Marke von 100 USD nachhaltig verletzt hat, wobei die Auflösung weiterer Long-Positionen wahrscheinlich ist. Gleichzeitig steigen die Anzahl der Leerverkäufe an der NYMEX, wobei die Spekulanten ihre Netto-Long Positionen zuletzt um 8 Tsd. auf nur noch 6.336 Kontrakte reduziert haben.
Das US-Repräsentantenhaus wird in dieser Woche über ein Gesetzesvorhaben abstimmen, welches die Ölförderung vor der US-Küste ermöglichen soll. Der weltgrößte Ölverbraucher muss zwei Drittel seines Ölbedarfes aus dem Ausland importieren, wobei man teilweise auf politisch unsichere Lieferanten angewiesen ist. So droht der venezolanische Staatschef Chavez jetzt mit einem Öllieferstopp in die USA nachdem man letzte Woche den US-Botschafter ausgewiesen hat.
Die aktuelle Hurrikansaison zeigt zudem, dass die Förderung in anderen, weniger wetteranfälligen Gebieten sinnvoll ist. Vor diesem Hintergrund verdient Erwähnung, dass die Gouverneurin von Alaska und Vizepräsidentschaftskandidatin der Republikaner, Palin, eine Befürworterin von Ölbohrungen vor der Küste des nördlichsten US-Bundesstaates ist. Trotz einer überverkauften Konstellation könnte sich der Preisverfall bei Rohöl weiter fortsetzen, weil die Finanzkrise in den USA die Ängste einer weltweiten Konjunkturabkühlung hervorruft, was für das Wirtschaftsgut Rohöl negativ ist.
Edelmetalle
Der Goldpreis eröffnet am Morgen aufgrund der Zuspitzung der US-Bankenkrise und des deutlich gefallenen US-Dollar knapp 3% fester und kann im Hoch bis auf 785 USD je Feinunze steigen.
Versuche, für die angeschlagene US-Investmentbank Lehman Brothers einen Käufer zu finden, sind am Wochenende gescheitert. Lehman hat daraufhin Gläubigerschutz beantragt. Darüber hinaus sollte die Bank of America für knapp 50 Mrd. USD die Investmentbank Merrill Lynch übernehmen. Die 10 größten Banken haben sich zur Lösung der gegenwärtigen Liquiditätskrise auf einen 70 Mrd. USD schweren Rettungsfonds verständigt. Außerdem hat die Fed ein Rettungspaket angekündigt. So sollen künftig auch Aktien als Sicherheiten akzeptiert werden. Die Aktienmärkte in Asien und Europa reagierten auf die Nachrichten bereits mit kräftigen Kursverlusten. Wall Street dürfte am Nachmittag diesen Vorgaben folgen. Die Unsicherheit über die Stabilität des US-Bankensystems dürfte Gold heute und in den kommenden Tagen weiter steigen lassen. Ein Erreichen der Marke von 800 USD ist somit denkbar.
Industriemetalle
Die Verschärfung der US-Bankenkrise am Wochenende dürfte auch die Industriemetalle in Mitleidenschaft ziehen. Aufgrund der deutlichen Kursverluste an den weltweiten Aktienmärkten ist mit fallenden Metallpreisen zu rechnen, da beide sensitiv auf die Veränderungen der Konjunkturbedingungen reagieren und als vorlaufende Barometer angesehen werden (siehe Grafik). Die schwächere Nachfrage lässt sich bereits an den steigenden LME-Lagerbeständen ablesen.
Bei Kupfer liegen sie auf dem höchsten Stand seit 18 Monaten, bei Aluminium sogar seit 4 ½ Jahren. Einige Faktoren sprechen dennoch gegen stark fallende Preise. Einerseits steht der schwächere US-Dollar einem deutlichen Preisrückgang gegenüber. Andererseits sollten hohe Grenzkosten der Produktion jetzt als Unterstützung dienen. Mit Ausnahme von Kupfer notieren nach unseren Berechnungen die meisten LME-Industriemetalle in der Nähe der Grenzkosten, was die Kürzungen der Minenproduktion begünstigt.
Zudem berichtet China Securities Journal, dass eine weitere Erhöhung der Strompreise in China bereits in diesem Jahr wahrscheinlich ist. Dies dürfte die Verarbeitungskosten, insbesondere für Zink und Aluminium, aber auch andere Metalle und Stahl weiter erhöhen und die Produktionsausweitungen zusätzlich beschränken.
© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst
Quelle: Commerzbank AG, Corporates Markets
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