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Eine technische Erholung ist überfällig

17.09.2008  |  Eugen Weinberg
Energie

Nach den massiven Verlusten der letzten Tage erholt sich der WTI-Rohölpreis um rund 3% und handelt bei 94 USD je Barrel. Durch die Rettung von AIG in der vergangenen Nacht ist der extreme Pessimismus am Markt etwas zurückgegangen. Kurzfristig dürfte die technische Reaktion anhalten, zumal sich die Risiken auf der Angebotssseite zuletzt verstärkt haben. So hat sich bislang weitgehend unbeachtet die Sicherheitslage im weltweit achtgrößten Ölförderland Nigeria deutlich verschärft. Die Rebellenorganisation MEND hat Anschläge auf eine Ölpipeline von Royal Dutch Shell und ein Ölfeld von Chevron durchgeführt und weitere Anschläge angedroht. Regierungsangaben zufolge belaufen sich die Förderausfälle aufgrund der Anschläge der letzten Tage auf 115 Tsd. Barrel pro Tag.

Bei den heute Nachmittag zur Veröffentlichung anstehenden US-Lagerbeständen ist aufgrund der Auswirkungen von Hurrikan Ike mit einem deutlichen Lagerabbau zu rechnen, denn zeitweise waren nahezu die komplette US-Ölförderung im Golf von Mexiko und 20% der US-Raffineriekapazitäten an der Golfküste lahmgelegt. Bei Rohöl wird mit einem Rückgang um 3,5 Mio. Barrel gerechnet, ebenso bei Benzin. Wir gehen sogar von stärkeren Rückgängen bei den DOE-Zahlen aus, weil der Konsens das Ausmaß der Ausfälle u.E. Sicht unterschätzt. Noch immer sind zwölf Raffinerien an der Küste geschlossen. Laut EIA fehlen dadurch 1,1 Mio. Barrel Benzin und mehr als 700 Tsd. Barrel Destillate täglich weniger produziert. Entsprechend ist mit steigenden Preisen für Benzin und Heizöl zu rechnen.

Auf der anderen Seite dürfte die Nachfrage weiterhin schwach bleiben, was längefristig den Ölpreis unter Druck halten wird. Die OPEC hat gestern die Prognose für die Nachfrage in diesem Jahr erneut nach unten revidiert. Die Nachfrage soll in 2008 um 120 Tsd. Barrel weniger steigen als bislang erwartet. Die Prognose für 2009 blieb allerdings unverändert. Seit Monaten haben wir vor Auwirkungen der spekulativen Übertreibung am Ölmarkt gewarnt, wobei unsere Preisprognosen stets unter der Konsensschätzung lagen. Allerdings mussten auch wir angesichts der neuesten Entwicklungen unsere Prognosen anpassen. Wir rechnen im 4. Quartal mit einem WTI-Ölpreis von 90 USD Barrel statt bislang 110 USD. Im Gesamtjahr 2009 sollte der Durchschnittpreis bei 90 USD liegen, wobei wir in der zweiten Jahreshälfte mit einer nachhaltigen Erholung rechnen.


Edelmetalle

Von der Erholung bei Rohöl kann der Goldpreis noch nicht richtig profitieren, weil diese Erholung auf eine etwas nachlassende Risikoaversion zurückzuführen ist, die zuletzt zum Goldpreisanstieg beigetragen hat. Die US-Notenbank hat dem angeschlagenen Rückversicherer AIG in der Nacht einen 2-jährigen Überbrückungskredit in Höhe von bis zu 85 Mrd. USD erteilt und damit den Kollaps des weltgrößten Versicherungsunternehmens in letzter Sekunde verhindert. Die Hoffnung auf eine Rettung von AIG hatte die Wall Street bereits gestern ins Plus drehen lassen, obwohl die US-Notenbank die Märkte enttäuschte und die Leitzinsen unverändert beließ. Wir glauben, dass die Finanzmarktrisiken noch nicht komplett ausgestanden sind, was weiterhin Goldpreisen Unterstzützung verleihen dürfte.

Der australische Goldproduzent GBS Gold hat Konkurs angemeldet. Die durch das Ausscheiden kleinerer Anbieter wie GBS begünstigte Produktionsreduktion und eine verstärkte Konzentration sollten den Goldpreis langfristig unterstützen. Platin kann sich heute erholen, nachdem der Preis gestern um bis zu 10% fiel.

Schwache Autoverkaufszahlen aus den USA, Europa und China schüren die Befürchtungen einer geringeren Nachfrage der Automobilindustrie, welche 60% der Gesamtnachfrage ausmacht. Mit 1.065 USD je Feinunze erreichte der Platinpreis den tiefsten Stand seit 2 Jahren und hat sich innerhalb von 6 Monaten mehr als halbiert. Wir halten den Preisverfall für stark übertreiben und erachten eine baldige Erholung auf 1.400 USD für realistisch.


Industriemetalle

Ein starker Lageraufbau setzt die Aluminiumpreise weiter unter Druck. Heute sind die LME-Bestände um insgesamt 88,2 Tsd. Tonnen auf den höchsten Stand seit Frühjahr 2004 gestiegen. Dies war der stärkste Tagesanstieg seit Beginn der Aufzeichnung. Bereits gestern stiegen die LME-Lagerbestände für Aluminium um 55 Tsd. Tonnen. Auch aus Japan wird ein kräftiger Vorratsaufbau gemeldet: Die Lagerbestände in drei Häfen sind um 21% bzw. gut 40 Tsd. Tonnen auf ein 1 ½ Jahreshoch gestiegen. Zwar dürfte der Lageraufbau noch weiter anhalten. Dennoch erachten wir das gegenwärtige Preisniveau angesichts der massiv gestiegenen Produktionskosten für attraktiv.

Nachdem Produktionsbeschränkungen in Indonesien die Zinnpreise seit einigen Monaten gut unterstützen, erhalten die Preise jetzt zusätzlichen Rückenwind durch Meldungen von Produktionsausfällen in Bolivien, das für 5% der Weltzinnproduktion verantwortlich ist. Die Vinto Schmelze arbeitet nur mit halber Kapazität (normal: 40 Tonnen pro Tag), weil die Versorgung mit Erdgas wegen der Proteste ins Stocken geraten ist.

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© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst

Quelle: Commerzbank AG, Corporates Markets





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