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Rohstoffe im Abwärtssog der Rezessionsängste

16.10.2008  |  Eugen Weinberg
Energie

Zunehmende Ängste vor einer weltweiten Rezession ließen den WTI-Ölpreis am Morgen bis auf 72 USD je Barrel fallen. Damit notiert Rohöl auf dem tiefsten Stand seit 13 Monaten und hat vom Mitte Juli verzeichneten Rekordhoch mehr als 50% an Wert verloren. Die Aktienmärkte stehen weltweit unter Druck. Das Deleveraging, d.h. die undifferenzierte Rückabwicklung von Positionen über alle Anlageklassen hinweg, dürfte sich daher weiter fortsetzen und damit den Ölpreis weiter belasten. In Anbetracht dessen ist ein weiterer Rückgang des Ölpreises auf 70 USD und möglicherweise auch darunter nicht auszuschließen.

In dem Maße, wie eine globale Rezession eingepreist wird, sind auch weitere Anpassungen der Ölnachfrage nach unten zu erwarten. Die OPEC hat ihre Prognose für die weltweite Ölnachfrage für 2008 um 330 Tsd. Barrel pro Tag und für 2009 um 100 Tsd. Barrel pro Tag nach unten revidiert. Insbesondere die Prognose für 2009 mit einem erwarteten Nachfragewachstum von 800 Tsd. Barrel scheint noch immer zu hoch. Die Nachfrage nach Öl der OPEC wurde für 2009 um 190 Tsd. Barrel pro Tag nach unten revidiert und soll im kommenden Jahr 870 Tsd. Barrel niedriger ausfallen als dieses Jahr. Dies kann ein Anhaltspunkt sein für das Ausmaß der im kommenden Monat zu erwartenden Produktionskürzung. Heute Nachmittag werden die Daten zu den US-Lagerbeständen der vergangenen Woche veröffentlicht. Bei Rohöl wird mit einem Anstieg um 2,6 Mio. Barrel gerechnet. Die Benzinvorräte sollen um 3 Mio. Barrel gestiegen sein.

Bei den Destillaten wird mit einem Lageraufbau um 500 Tsd. Barrel gerechnet. Die Daten dürften somit wenig dazu beitragen, dass sich die Stimmung am Ölmarkt aufhellt. Ein stärkerer Anstieg der Lagerbestände wäre ein Indiz dafür, dass sich die Nachfrage stark abschwächt und würde zu einem weiteren Preisrückgang führen. Angebotsrisiken finden derzeit kein Gehör. So hat sich in der Karibik ein Wirbelsturm gebildet, welcher die Öllieferung und -verarbeitung in Venezuela zeitweise beeinträchtigt. Venezuela ist einer der wichtigsten Öllieferanten der USA.

Dazu kam es im Nigerdelta in Nigeria zu neuen Gefechten zwischen MEND-Rebellen und Sicherheitskräften, was auf anhaltende Sicherheitsrisiken für die Ölproduktion in Nigeria hindeutet. Die Ölproduktion in Nigeria liegt derzeit nach Angaben des Ölministers bei 1,5 Mio. Barrel pro Tag. Das sind 500 Tsd. Barrel weniger als noch vor wenigen Wochen geschätzt.


Edelmetalle

Gold kann sich dem Trend fallender Rohstoffe nicht entziehen und fällt am Morgen auf 830 USD je Feinunze. Wir führen dies in erster Linie auf Deleveraging zurück. Dazu verliert Gold mit dem fallenden Ölpreis und dem steigenden Dollar an Attraktivität als Absicherung gegen Inflation und Dollarschwäche. Kurzfristig dürfte sich Gold daher mit Kursgewinnen schwer tun. Mittel- bis langfristig gehen wir aufgrund der steigenden Nachfrage und einem sinkenden Angebot weiter von einem höheren Goldpreis aus.

Platin wird derzeit eher wie ein Industriemetall gehandelt und fällt im Zuge der Rezessionsängste um 6% auf 900 USD je Feinunze, den tiefsten Stand seit November 2005. Insbesondere die schwache Automobilkonjunktur macht Platin zu schaffen, welches vor allem für die Herstellung von Katalysatoren zur Anwendung kommt. Der Autoabsatz in Europa fiel im September um 8,2% gegenüber dem Vorjahr. Die Beratungsfirma JD Powers erwartet, dass der Autoabsatz in den USA im Oktober auf den tiefsten Stand seit 17 Jahren fallen wird und sieht auch für China eine deutliche Abkühlung der Autonachfrage. Wir erachten das weitere Abwärtspotenzial bei Platin dennoch als begrenzt.


Industriemetalle

Die Industriemetalle zählen heute aufgrund der zunehmenden Rezessionsängste zu den größten Verlierern im Rohstoffbereich. Am stärksten trifft es dabei Kupfer, welches das konjunktursensibelste aller Industriemetalle ist. Kupfer fällt zwischenzeitlich auf 4.545 USD je Tonne, den niedrigsten Stand seit Januar 2006. Alle Gewinne von Anfang der Woche sind damit wieder aufgezehrt.

Der Baltic Dry Index, welcher die Frachtraten für Rohmaterialien misst, ist gestern auf den tiefsten Stand seit 5,5 Jahren gesunken. Vom im Mai verzeichneten Allzeithoch ist der Index um mehr als 80% gefallen. Frachtraten können genau wie Kupfer als guter Vorindikator für die Konjunktur angesehen werden. Der australische Bergbaukonzern Rio Tinto erwartet aufgrund der Rezession in den OECD-Ländern auch eine Abschwächung der Nachfrage nach Rohstoffen aus China. Damit nehmen die Abwärtsrisiken für die Metallpreise deutlich zu, auch wenn viele Metalle bereits unter die Produktionskosten gefallen sind und vielerorts bereits die Produktion gekürzt wird.
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© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst

Quelle: Commerzbank AG, Corporates Markets





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